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Klaus Mäkelä: „Ich weiß, dass ich gut sein muss“

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©Mathias Benguigui/Pasco&Co

Interviews mit dem Dirigenten Klaus Mäkelä sind Raritäten. Denn der 29-jährige Finne ist einer der gefragtesten Musiker der Klassikbranche. In zwei Jahren übernimmt er die Chefposten bei den Spitzenklangkörpern Concertgebouw Orchestra und Chicago Symphony. Im September eröffnet er die Saison im Konzerthaus mit einem Fest. News erreichte ihn während seiner Asien-Tournee zum Gespräch über seine künftigen Jobs, die Last der hohen Erwartungen und Musik in politisch schwierigen Zeiten

Kaum ein Musiker ist derzeit so stark im Gespräch wie der Dirigent Klaus Mäkelä. Mit seinen 29 Jahren logiert der gebürtige Finne im Olymp des Konzertbetriebs. In der Spielzeit 2027/28 übernimmt er die begehrten Chefposten gleich zweier Orchester der Weltspitze, beim Amsterdamer Royal Concertgebouw Orchestra und bei Chicago Symphony, wo er auf Riccardo Muti folgt.

Glanzvolles philharmonisches Debüt

Mit 22 Jahren konnte er bereits eine Traumkarriere verbuchen, war Chef von Oslo Philharmonic, wurde Musikdirektor des Orchestre de Paris. Diese Verträge laufen 2027 aus. Das Konzerthaus eröffnet Anfang September mit Mäkelä und seiner holländischen Elitetruppe die Saison und richtet dazu ein großes Fest aus. Der Musikverein widmete ihm bereits eine eigene Konzertreihe. Die krönte er mit seinem Debüt bei einem Abonnement-Konzert der Wiener Philharmoniker. Anders als heute bei jungen Dirigenten üblich, wählte er kein Werk, das er besser kennt als das Orchester, sondern Mahlers gigantische sechste Symphonie. „Er wollte die unbedingt machen, aber da sitzen einem bei uns gleich Bernstein oder Pierre Boulez im Genick. Wer bei uns mit diesen Dirigenten seine Erfahrungen gemacht hat, hat auch den Vergleich“, blickt Geschäftsführer Michael Bladerer auf die ersten Gespräche mit dem jungen Maestro zurück. Mäkelä überzeugte und versetzte das Publikum in Euphorie. „Er hat das toll gemacht, und er ist ein sehr sympathischer, gewinnender und in jeder Hinsicht positiver Mensch.“

Es werde weitere Konzerte mit ihm geben. „Ich sehe es als unsere Aufgabe, auch die junge Generation zu holen“, fügt Bladerer hinzu. Muti und Mehta seien bei ihren Philharmoniker-Debüts nur wenige Jahre älter gewesen als Mäkelä.

Ob sich der junge Mann zu viel zumute? Das werde er selbst wissen, hält sich Bladerer von den Unkenrufern fern, die meinen, dass diese Karriere nicht gut gehen werde.

Interviews mit Klaus Mäkelä zählen zu den Branchenraritäten. Für News fand er während seiner Asien-Tournee mit dem Orchestre de Paris Zeit. Das Gespräch wurde aus terminlichen Gründen in zwei Etappen geführt.

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 © Marco Borggreve

Sie eröffnen im Konzerthaus die Spielzeit mit einem ihrer künftigen Orchester, dem Concertgebouw Orchestra. Dafür wird sogar ein großes Fest ausgerichtet. Was bedeutet Ihnen das?

Das Konzerthaus ist etwas ganz Besonderes für mich, weil ich da zum ersten Mal in Wien aufgetreten bin, ich freue mich immer sehr zurückzukommen.

Sie beginnen das Konzert mit Mozart. Ist das nicht riskant in Wien? Jeder glaubt hier seit Harnoncourt zu wissen, wie das klingen muss.

Nein, man sollte keine Angst vor solchen Dingen haben. Natürlich ist Mozart in Wien sehr beliebt. Also müssen wir unser Bestes geben. Ich freue mich schon sehr darauf. Ich habe es immer geliebt, französische Musik in Frankreich zu dirigieren und Mahler in Wien.

2027 übernehmen Sie die Chefposten bei zwei Weltklasse-Orchester, dem Concertgebouw Orchestra und Chicago Symphony. Zwei absolut unterschiedliche Klangkulturen auf zwei Kontinenten. Haben Sie denn vor dieser enormen Belastung gar keine Angst?

Es macht mich glücklich, mit den besten Musikern zusammenzuarbeiten. Was mein Leben so interessant macht, ist, dass ich mit so unterschiedlichen Klängen arbeiten kann. Das Concertgebouw und Chicago Symphony sind ganz anders, aber sie haben die gleichen Werte, sie streben immer nach Exzellenz. Das ist wirklich ihr wichtigstes Anliegen. Sie sind immer bereit zu arbeiten. Da stellt sich nie die Frage, sollen wir das noch einmal proben? Was sie unterscheidet, ist ihr Klang und ihre Geschichte. Bei Concertgebouw kommt noch der Saal dazu. Das ist das Instrument des Orchesters, da bekommt jeder Ton einen besonderen Nachhall. Wenn wir auf Tournee gehen, glaube ich, dass wir immer noch denselben Sound mitbringen. Zudem kommen diese beiden Orchester aus total unterschiedlichen Gesellschaften und Kulturen. Ich muss also sehr flexibel sein, weil man in Amsterdam etwas anderes von mir braucht als in Chicago. Aber ich freue mich sehr darauf, denn so kann ich viele verschiedene Repertoires spielen. Mit beiden Orchestern immer nur dieselben Stücke aufzuführen, würde keinen Sinn machen.

Was wird von Ihnen in Amsterdam und was in Chicago gebraucht?

Das hängt von den Prioritäten ab. Chicago Symphony verfügt über eine unglaubliche Präzision, Kraft und Brillanz. In Amerika legen die Orchester großen Wert auf das Timing beim Musizieren. Das ist wichtig, weil die Akustik in den Sälen dort etwas trockener ist. In Amsterdam ist die Kultur des Orchesters darauf ausgerichtet, dem Klang und vor allem der Klangschönheit immer den Vorrang zu geben. Und dieser schöne Klang ist das Besondere am Concertgebouw.

Die Trump-Regierung tritt gegen Dinge wie Gleichstellung und Diversität auf.  Hat das auch einen Einfluss auf Ihr Programm in den USA?

Natürlich müssen wir reagieren. Als Künstler haben wir die Möglichkeit, zu inspirieren, aber auch zu provozieren und herauszufordern. Ich kann Ihnen noch keine genauen Pläne nennen, aber Chicago ist eine unglaublich vielfältige Stadt und perfekt für große Projekte. Wir werden versuchen, so viele Mitglieder der Community wie möglich einzubeziehen.

Riccardo Muti hat Chicago Symphony 14 Jahre lang geprägt. Es ist sicher auch nicht sehr einfach, der Nachfolger eines solchen Giganten zu sein, sehe ich das richtig?

Es ist eine Ehre für mich, so tollen Spuren wie denen von Riccardo Muti zu folge, aber auch von all den anderen Großen wie Fritz Reiner, Georg Solti, Pierre Boulez, Daniel Barenboim oder Bernard Haitink. Eine Institution wie Chicago Symphony aufzubauen, braucht viel Zeit. In der Kunst kann man nichts beschleunigen. Dieses Orchester ist ein großartiges Beispiel dafür, wie ein Orchester ständig gepflegt wurde. Es gehört zu den Aufgaben eines Chefdirigenten oder Musikdirektors eines so großen Orchesters, dessen Kultur zu bewahren. Das ist ein bisschen wie bei der Restaurierung eines schönen alten Gebäudes. Man muss das Schöne bewahren, aber auch Neues für die Zukunft entwickeln.  Das Großartige in der Musik ist, dass man nie aufhört zu arbeiten. Unser Repertoire umspannt 350 Jahre Musikgeschichte. Es gibt immer etwas, was man noch besser machen kann, was man besser verstehen kann, was man in einen Kontext bringen kann. Das ist etwas, was die klassische Musik meiner Meinung nach lernen muss. In der Kunstwelt nennt man das die Kunst des Kuratierens. In tollen Ausstellungen geht es um so viel mehr als nur um die einzelnen Stücke, und so ist es auch, wenn man eine Orchestersaison oder sogar ein Konzert plant.

Wann auch immer das Gespräch auf Sie kommt, dauert es nicht lang, bis irgendjemand sagt, der ist doch viel zu jung dafür, zwei solche Orchester zu übernehmen. Was sagen Sie solchen Leuten?

Wenn ich mich vor solchen Meinungen einschüchtern ließe, wäre mein Leben sehr kompliziert. Ich weiß, dass ich sehr gut sein muss, weil von mir sehr viel erwartet wird. Das ist in gewisser Weise die große Last der Verantwortung. Aber solange Kritik konstruktiv ist, ist es mir egal, ob sie gut oder schlecht ist. Wenn ich  aber gewisse Kommentare über mich lese, die nicht einmal einen Grund haben, ärgert mich das schon.

Andere überhäufen Sie mit Superlativen wie „Verstappen der klassischen Musik“. Was empfinden Sie dabei?

Es ist schön, dass die Leute das sagen, aber ich versuche, nicht zu viele Komplimente anzunehmen. Ich weiß nicht allzu viel über den Motorsport, um etwas zu sagen.

Kriege in der Ukraine oder im Nahen Osten überschatten derzeit das Leben im Westen. Wie empfinden Sie diese Zeit?

Wie alle Künstler reise ich viel und sehe verschiedene Kulturen. Ich würde sagen, wir sind alle sehr internationale Wesen. Deshalb berühren uns diese schrecklichen Dinge, die in der Welt passieren, wirklich. Wir weinen mit der Welt, aber dann versuchen wir auch, diese Welt mit unserer Musik und unserer Kunst zu trösten. Für mich ist es auch eine Möglichkeit, bei jedem einzelnen Konzert zu versuchen, die Menschen zu vereinen. Ich meine das nicht auf eine naive Art und Weise, sondern dass Musik uns wirklich die Kraft des Zusammenhaltens begreiflich machen kann, und das braucht die Welt im Moment.

Kommen wir noch einmal auf das Musikalische. Ihr Programm im Konzerthaus umspannt mehrere Epochen, von Mozart bis in die Gegenwart.

Es liegt mir sehr am Herzen zu zeigen, dass das Concertgebouw Orchestra eine wunderbare Verbindung zu so vielen Komponisten hat. Es war immer das Orchester, das viel neue Musik gespielt hat. Wir wissen, dass Mahler dort sehr oft dirigiert hat und dass er vom Amsterdamer Publikum sehr geliebt wurde. In gewisser Weise blicken all diese Stücke sowohl zurück als auch nach vorn. Wenn man an Bartóks Konzert für Orchester denkt, das ein sehr klassisches Stück ist, genauso wie Prokofjews Violinkonzert, das ein rein neoklassisches Werk ist.  Mozarts „Pariser Symphonie“, ist in gewisser Weise der Kern von all dem. Die „Fünfte“ Mahlers  ist seine am meisten schizophrene Sinfonie, denn wir haben die extrem tragischen, furchtbar verheerenden ersten beiden Sätze und dann geht es über in sonnige Passagen. Da ist von einer klassischen Helligkeit, die an ein Renaissance-Gemälde erinnert.

Wie war das für Sie, als Sie zum ersten Mal die Wiener Philharmoniker dirigiert haben? Waren Sie nervöser als bei anderen Orchestern?

Natürlich war ich furchtbar nervös, denn vor dieses ganz besondere Orchester zu treten, das erlebt man nicht jeden Tag. Und das Debüt gibt es nur einmal im Leben. Es war schön. Sie waren sehr freundlich. Ich war sehr berührt von ihrer Art zu musizieren und ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung. Das Einzige, was man wirklich tun kann, ist, alles zu geben. Denn wenn man die „Sechste“ Mahlers vor sich hat, ist das etwas so Wundervolles, aber auch etwas Schwieriges. Man muss komplett vorbereitet sein. Ich war sehr inspiriert und war gespannt, was passieren würde.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

So viel tolle Musik wie möglich.

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 © Marco Borggreve

Konzert und Fest zur Eröffnung der Spielzeit mit Mäkelä und dem Concertgebouw Orchestra am 3. September

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 26/25 erschienen.

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