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Zelltherapien kamen und blieben

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Zelltherapie kann Menschen mit Autoimmunerkrankungen Chancen bieten
©APA, dpa-tmn, Benjamin Nolte
Gen-, Zell- und Gewebetherapien befinden sich bei schwersten Erkrankungen auf dem Vormarsch. 2024 haben in Österreich 150 Patienten eine sogenannte CAR-T-Zelltherapie vor allem gegen Lymphome bekommen. Abseits bösartiger Bluterkrankungen könnte diese Behandlungsform speziell für Menschen mit schwersten Autoimmunerkrankungen große Chancen bieten.

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"Wir haben die Herstellung von CAR-T-Zellen bewilligt bekommen und arbeiten an der Planung für eine Phase-I/II-Studie bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen", sagte vor kurzem Antonia Müller, Expertin für Stamm- und Immunzelltherapie (MedUni Wien/AKH), bei den Praevenire Gesundheitsgesprächen in Alpbach in Tirol.

Die aus den USA stammende CAR-T-Zelltherapie hat sich als Teil der "Advanced Therapy Medicinal Products" (ATMP-Behandlungsformen auf Gen-, Zell- oder Gewebebasis) in den vergangenen Jahren zunächst in der Hämatologie etabliert. Sie wird vor allem bei sonst nicht mehr erfolgreich behandelbaren Lymphom- oder Myelomerkrankungen eingesetzt. Die Therapie ist extrem aufwendig. Für sie werden dem Patienten zunächst körpereigene Abwehrzellen (T-Zellen) entnommen und außerhalb des Körpers so verändert, dass sie effektiver gegen die bösartigen Blutzellen vorgehen können.

Dazu statten Wissenschafter die T-Zellen im Labor mit dem Gen für ein besonderes Rezeptorprotein aus. Dieser "chimäre" Antigenrezeptor (CAR) erkennt als Zielstruktur ein Proteinmolekül, das die bösartigen Zellen charakterisiert. Die CAR-T-Zellen werden anschließend vermehrt und dem Patienten wieder übertragen - wo sie dann bösartig veränderte Blutzellen bekämpfen und damit bei den betroffenen Zellpopulationen einen (gesunden) "Neustart" erzwingen bzw. herbeiführen. In Österreich gründeten spezialisierte Zentren im Jahr 2019 das "Austrian CAR-T Network", die Anwendung der pro Patient mehrere hunderttausend Euro teuren Therapien nach strengsten wissenschaftlichen Kriterien zu regeln und eine flächendeckende Versorgung sicherzustellen.

"Die CAR-T-Zelltherapie ist hier, um zu bleiben", hatte der Wiener Hämatologie-Pionier Ulrich Jäger vor rund fünf Jahren am Beginn dieser Entwicklung prognostiziert. Das ist laut den Statistiken klar der Fall. Im Jahr 2024 wurden in Österreich bereits 150 CAR-T-Zell-Produkte angewendet, mehr als die Hälfte davon bei Patienten mit einem Non-Hodgkin-Lymphom. An der Spitze stand das Wiener AKH/MedUni, aber auch in Graz, Linz, Innsbruck oder St. Pölten gab es solche Anwendungen. Österreich hat nach anfänglich etwas späterem Start zum Beispiel gegenüber der Schweiz aufgeholt. Dort gab es vergangenes Jahr 190 Fälle von CAR-T-Zelltherapien.

Die Etablierung der Behandlungsform findet auch bereits in der Statistik der Stammzelltherapien (Knochenmarktransplantation) ihren Niederschlag: Autologe Stammzelltransplantationen nach Hochdosis-Chemotherapie zur Beseitigung der bösartigen Zellen bei Lymphompatienten sind in Österreich und der Schweiz bereits seltener geworden. Hier übernimmt offenbar die CAR-T-Zelltherapie mit guten Erfolgschancen.

Während das aufwendige Verfahren, bei dem das jeweils individuelle CAR-T-Zell-Therapeutikum in den spezialisierten Labors einiger weniger Pharmakonzerne produziert wird, bei Tumorerkrankungen bisher relativ weniger Erfolg gezeitigt hat, haben Wissenschafter an der Universitätsklinik in Erlangen in Deutschland vor fünf Jahren ein völlig neues Kapitel aufgeschlagen: CAR-T-Zellen bei schwersten Autoimmunerkrankungen, die auf fälschlicherweise gegen das eigene Gewebe reagierenden (autoreaktiven) B-Lymphozyten beruhen.

"Seit 2020 hat das Team des Uniklinikums Erlangen der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) mehr als 45 Menschen mit Autoimmunerkrankungen (z.B. auch systemische Sklerose; Anm.) erfolgreich mit einer neuartigen CAR-T-Zell-Therapie behandelt, davon mehr als 15 mit Systemischem Lupus erythematodes. Die Patientinnen und Patienten, bei denen keine anderen Behandlungen erfolgreich waren, zeigen heute keine Symptome mehr", schrieb die deutsche Universitätsklinik im März dieses Jahres dazu. Von den mittlerweile rund 50 behandelten Kranken benötigten 48 keine weitere Behandlung mehr.

Der wahrscheinliche Grund dafür: Die CAR-T-Zellen beseitigen die krank machenden B-Zellen im Organismus der Betroffenen noch umfassender als Medikamente mit monoklonalen Antikörpern oder sogar Strahlentherapie. Doch die akademische Wissenschaft will den auf diesem Gebiet tätigen Pharmaunternehmen das Feld in Sachen Forschung und teilweise auch in der Anwendung nicht überlassen. Das hat auch einen finanziellen Aspekt. Man berichtet von rund 300.000 Euro Kosten pro Patient, es gibt hier aber vonseiten der Pharmaindustrie spezielle Preismodelle.

Seit einigen Jahren existiert aber auch die technische Möglichkeit, CAR-T-Zell-Therapeutika in spezialisierten Labors mit höchsten Sicherheitsstandards und speziellen technischen Einrichtungen, zum Beispiel an Universitätskliniken etc., herzustellen. "Mit dem Bau des Zentrums für Translationale Medizin und Therapien und den hierin vorgesehenen GMP-Hochreinräumen zur In-House-Produktion regenerativer Zelltherapien kommt auf die Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin eine neue Aufgabe und Rolle zu", erklärte Antonia Müller, sie hatte vorher an der Universitätsklinik Zürich gearbeitet, anlässlich der Übernahme der Leitung der Wiener Universitätsklinik für Blutgruppenserologie und Transfusionsmedizin, vor drei Jahren.

In Zukunft soll damit auch in Wien an CAR-T-Zell-Therapien gegen Autoimmunerkrankungen geforscht und diese dann an Patienten in klinischen Untersuchungen angewendet werden. An der Universitätsklinik Innsbruck wird laut der Wissenschafterin an einem ähnlichen Projekt für Patienten mit Lymphomen, welche das Zentralnervensystem befallen haben, gearbeitet. Exklusive der technischen Einrichtung würden die Kosten für ein CAR-T-Zelltherapie-Produkt bei Eigenherstellung etwa 90.000 Euro betragen.

KAPPELN - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa-tmn/Benjamin Nolte/Benjamin Nolte

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