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Blutzucker überwachen ohne Diabetes, ist das sinnvoll?

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Zucker versorgt uns grundsätzlich mit Energie
©APA, dpa-tmn, Jens Kalaene
Es klingt verlockend: weniger Heißhunger, besserer Schlaf, reinere Haut - und das alles dank stabiler Blutzuckerwerte. In sozialen Netzwerken gibt es immer mehr Nutzerinnen und Nutzer, die dafür werben, Blutzuckerspitzen zu vermeiden, um solche Effekte zu erreichen.

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Zum Teil messen sie ihre Werte - etwa mit Sensoren. Hat das wirklich einen Nutzen, auch wenn man nicht von Diabetes betroffen ist? Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wenn wir Zucker zu uns nehmen - in welcher Form auch immer - wird daraus im Körper Glukose. "Das ist unsere Währung im Energiestoffwechsel", sagt die Diplom-Ökotrophologin, Brigitte Bäuerlein.

Der Glukose- bzw. Blutzuckerspiegel ist dabei ein Indikator dafür, wie viel Zucker im Blut unterwegs ist. Nach dem Essen ist der Spiegel meistens erhöht, weil der Zucker durch die Verdauung über den Dünndarm und die Leber ins Blut gelangt. Das ist prinzipiell nichts Schlechtes. Im Gegenteil: Zucker versorgt uns mit Energie. "Er dockt an den Zellen an, in denen gerade Energie benötigt wird", sagt Brigitte Bäuerlein.

Gut zu wissen: Nicht nur Mahlzeiten erhöhen den Blutzuckerspiegel kurzzeitig. "Die Glukosewerte steigen auch an, wenn Sie in Wien Stadtmitte einen Parkplatz suchen", sagt Brigitte Bäuerlein. Der Körper benötigt in dieser stressigen Situation zusätzliche Energie, die über Glukose zur Verfügung gestellt wird.

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Blutzuckerspiegel zu messen:

Steigt der Zucker im Blut schnell und stark an, ist von einer Glukosespitze die Rede. Dazu kann es kommen, wenn man kurzkettige Kohlenhydrate zu sich genommen hat - etwa durch Weißmehlprodukte, Süßigkeiten oder Fruchtsäfte. Solche Glukosespitzen können ein Auslöser für Heißhunger-Attacken sein.

"Für Menschen ohne Diabetes ist eine Messung eigentlich nicht notwendig", sagt Prof. Bernhard Kulzer. Ein gesunder Körper kann den Blutzuckerspiegel schließlich selbst regulieren. Steigt der Spiegel, schüttet die Bauchspeicheldrüse das Hormon Insulin aus. Geht er nach unten, wird das Hormon Glukagon ausgeschüttet.

Eine Einschränkung macht Kulzer aber: Bei Leistungssportlern könne die Messung eventuell sinnvoll sein. Durch das Überwachen der Blutzuckerwerte können Ausdauersportlerinnen und -sportler Ermüdungserscheinungen infolge eines Glukosemangels vorbeugen. Dieser plötzliche Leistungsabfall ist als "Hungerast" bekannt - und er geht auf einen Abfall des Blutzuckerspiegels zurück. Wer den frühzeitig erkennt, kann rechtzeitig gegensteuern und Energie nachlegen.

Auch wer schon Diabetes in der Familie hat und wissen will, wie er oder sie auf bestimmte Nahrungsmittel reagiert, könnte den Blutzucker messen, findet Brigitte Bäuerlein. "Es reicht, wenn man das ein paar Wochen lang macht."

"Man bekommt Biofeedback", sagt Bernhard Kulzer. Heißt: Man isst etwas und sieht direkt die Auswirkungen auf die Glukosewerte. Oder man bewegt sich und stellt fest, wie sehr das die Kurve wieder nach unten treibt. Das kann motivieren, wenn man zum Beispiel abnehmen will und dafür seine Gewohnheiten umstellt.

Allerdings: "Die Werte sind an sich ein Diagnostikum, sie werden erst dann zum Leben erweckt, wenn man Schlüsse daraus zieht", sagt Bernhard Kulzer. Das heißt, man muss wissen, wie man die Daten interpretiert. "Ohne Einweisung und Schulung macht das wenig Sinn."

Der Experte empfiehlt allenfalls eine vorübergehende Nutzung. "Es ist sinnlos, ständig den Sensor zu tragen, zumal der nicht umsonst ist für gesunde Menschen", sagt Kulzer. Brigitte Bäuerlein warnt zudem davor, dass die ständige Beschäftigung mit dem Thema Essen zwanghaft werden könnte.

Pauschale Aussagen seien mit Vorsicht zu genießen, warnt Brigitte Bäuerlein. "Jeder Mensch reagiert anders auf Zucker in Nahrung, ob gesund oder mit Diabetes." Wie man reagiere, hänge unter anderem von der Zellfitness, also dem Alter ab. Was auch eine Rolle spielt, sind Muskulatur und Bewegung.

Wer abnehmen will, sollte wissen: Entscheidend für eine Gewichtsreduktion ist die Menge der Kalorien, so Kulzer. Wer ein paar Kilogramm loswerden möchte, muss dem Körper also weniger Energie zuführen als er verbraucht.

Immer eine gute Wahl: eine ausgewogene Ernährung, die reichlich Gemüse und Obst enthält, viele Ballaststoffe, gute Öle, stets eine Proteinquelle und nicht zu viele leere Kohlenhydrate. So schafft man gute Voraussetzungen, um Blutzuckerspitzen zu vermeiden und Heißhunger-Attacken vorzubeugen.

Brigitte Bäuerlein rät außerdem dazu, möglichst keinen isolierten, aufgelösten Zucker wie in Softdrinks, Säften oder Smoothies zu sich zu nehmen. Ebenfalls wichtig: die eigenen Süßquellen im Alltag identifizieren und etwa dem Kaffee keinen Zucker zusetzen. So kann man seine Vorlieben auf Dauer umprogrammieren.

Noch ein Tipp der Expertin: zuerst das Gemüse oder einen Vorspeisensalat essen. "Alles, was auf dieses Netz fällt, wird moderater im Blut ankommen, als wenn man Nudeln zuerst isst."

WIEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/APA/dpa-tmn/Jens Kalaene/Jens Kalaene

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