Eine Frau für alle Fälle

Alle hören auf ihr Kommando: Xenia Zauner ist die erste Chefeinsatzplanerin bei der Polizei. Mit News sprach sie über Gleichstellung, Opferschutz und die Demo in Wien.

von Xenia Zauner © Bild: News/Matt Observe
Die Wienerin (*1980) aus einer Arztfamilie trat nach der Matura in den Polizeidienst ein. Seit Dezember 2020 leitet sie als erste Frau die Einsatzabteilung der Wiener Polizei und führt den Dienstgrad Brigadier. Als Vizepräsidentin des Weißen Rings setzt sie sich für den Opferschutz ein. Sie ist mit dem Schauspieler Martin Zauner, bekannt aus den "CopStories", verheiratet. Ihre Steckenpferde: Sporteln und Reisen.

Die Landesleitzentrale ist das Herzstück der Landespolizeidirektion Wien. Hier treffen wir Xenia Zauner, 40, erste Chefeinsatzplanerin bei der Polizei und damit verantwortlich für "Situationen mit besonderem Gefahrenpotenzial". Die gebürtige Wienerin hat sich bei ihrer Bewerbung gegen einige Männer durchgesetzt. Damit bediente sie keinesfalls die Quotenregelung. Vielmehr ist sie in ihren Reihen hoch angesehen und hat das Business von der Pike auf gelernt. Eine ihrer ersten Stationen war das Wachzimmer am Karlsplatz, früher der Treffpunkt der Wiener Drogenszene. Später war sie in der Außenstelle West des Landeskriminalamts im Einsatz, spezialisiert auf Sexualdelikte.

Ihre erste Herausforderung als Chefeinsatzplanerin war die Großdemo in Wien mit 10.000 Teilnehmern. Die vielen Kritiken, dass die Polizei nicht härter durchgegriffen habe, pariert sie mit folgenden Worten: "Ich kann Menschen nicht gewaltsam zurückdrängen, wenn ich ein so inhomogenes Publikum habe. Was würde das für ein Bild abgeben, wenn Kinder oder sonstige vulnerable Gruppen zu Schaden kommen würden?"

Ihr Privatleben ist der Tochter aus einer Arztfamilie heilig. Mediale Auftritte gelten ausschließlich ihrem Job bei der Polizei und ihrem Einsatz als Vizepräsidentin beim Weißen Ring. Nur so viel: Zauner ist mit dem Schauspieler Martin Zauner verheiratet, der ebenfalls Karriere bei der Polizei machte, allerdings als TV-Cop in Rollen bei "Tatort","Soko Kitzbühel" oder "CopStories".

Frau Zauner, Sie sind die erste Chefeinsatzplanerin bei der Polizei. Ein Novum bei der Exekutive in Wien.
Dass wir das Interview führen, ist wohl dem geschuldet, dass ich eine Frau bin. Das ist keine Kritik, nur eine Feststellung. Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf aufmerksam machen, dass Gender-Bias, also die geschlechtsspezifische Voreingenommenheit, nach wie vor in der Gesellschaft eine Rolle spielt. Ich möchte auch betonen, dass innerhalb der Polizei das Geschlecht keine Rolle spielt.

»Versammlungen sind ein heikles Gut. Ich kann Menschen nicht gewaltsam zurückdrängen«

Deshalb ist es ja wichtig, dass es Frontfrauen wie Sie gibt. Sie leiten seit Dezember die Einsatzabteilung der Wiener Polizei und hatten Ihre erste Herausforderung bei der Großdemo in Wien. Die Polizei musste viel Kritik hinnehmen. Was lief schief?
Man muss schon die Kirche im Dorf lassen. Versammlungsrecht ist ein heikles Gut. Auch wenn Demos untersagt werden, können sich Menschen trotzdem versammeln. Das ist so, wie wenn ich am Stadtrand von Wien ein Schild aufstelle: "Kriminalität verboten". Es geht immer um die Verhältnismäßigkeit. Ich kann Menschen nicht gewaltsam zurückdrängen, wenn ich ein so inhomogenes Publikum habe, das sich in Extremisten, Verschwörungstheoretiker und Familien mit Kindern teilt. Was würde das für ein Bild abgeben, wenn Kinder oder sonstige vulnerable Gruppen zu Schaden kommen würden?

Also alles richtig gemacht.
Es ist nicht so, dass wir tatenlos zusahen. Es gab mehr als 1.700 Anzeigen und elf Festnahmen.

Waren Sie vor Ort oder koordinierten Sie alle Einheiten von der Einsatzzentrale aus?
Ich versah meinen Dienst im Einsatzstab, möchte eines aber gleich vorweg klarstellen. Es ist nicht so, dass wir hier in der Zentrale nur Großeinsatz spielen. Das ist eher die Ausnahme. Die Landesleitzentrale ist das Herzstück der Landespolizeidirektion Wien, von wo aus täglich Tausende Einsatzangelegenheiten und Notrufe koordiniert werden.

Sie haben sich bei der Bewerbung als Chefeinsatzplanerin gegen einige männliche Kollegen durchgesetzt. Sehen Sie sich als Quotenfrau?
Nein, definitiv nicht. In den Polizeischulen wie in den dienstführenden Kursen ist oft bereits die Hälfte der Anwärter mittlerweile weiblich. Wo wir Nachholbedarf haben, ist sicherlich in den Leitungsfunktionen ganz oben. Es gäbe viele kompetente Frauen, aber die Angst vor Häme, wenn sie nicht bestehen, hält einige offenbar ab, sich zu bewerben. Ich sage nur: Traut euch!

Wie ergeht es Ihnen in einem von Männern dominierten Job?
Gegenfrage: Würde man einem Mann so eine Frage stellen (lacht)? Die Akzeptanz liegt nicht mehr bei Frau oder Mann, sondern an der Persönlichkeit. Ich selbst habe nie über Gendern nachgedacht. Bei uns zu Hause gab es diese Differenzierung nicht.

Haben Sie einen familiären Background, weil Sie den Beruf der Polizistin gewählt haben?
Nein, meine Eltern sind beide Ärzte. Ich hatte allerdings schon mit zwölf Jahren den Wunsch, Gerichtsmedizinerin zu werden. Erst im Maturajahr habe ich mich dann für den Polizeiberuf interessiert.

Waren dafür auch Filme ausschlaggebend?
Nicht wirklich, Real Crime hat sich damals eher auf "Aktenzeichen XY" beschränkt.

Zufall oder Schicksal, Ihren Ehemann, den Schauspieler Martin Zauner, haben Sie auf einem Filmset zu den Dreharbeiten von "CopStories" kennengelernt.
Das ist richtig. Die Drehbücher sollten möglichst realitätsnah sein. Um das umzusetzen, wurde meine damalige Dienststelle, das Landeskriminalamt Wien, Außenstelle West, ersucht, mit dem Cast ein Einsatztraining zu veranstalten. Diesen Part habe ich übernommen. Das war 2012.

Sie sind auch Vizepräsidentin der Verbrechensopferhilfe Weißer Ring. Anwälte reklamieren, dass der Opferschutz noch ausbaufähig wäre. Wie sehen Sie das?
Mit der Strafprozessordnung 2008 hat sich viel zum Positiven gewendet, es ist aber noch Luft nach oben. Insbesondere betreffend Opfer situativer Gewalt, sprich, wenn zwischen Opfer und Täter kein Nahverhältnis besteht. Während Opfern von häuslicher Gewalt automatisch Unterstützung angeboten wird, müssen Opfer situativer Gewalt proaktiv Kontakt mit den zuständigen Behörden aufnehmen. Hierbei eine gesetzliche Änderung herbeizuführen, ist mir ein Herzenswunsch.

Sie sind eine Frau für alle Fälle. Wie wichtig ist körperliche Fitness im Job?
Wir haben die Möglichkeit, zu trainieren, und es gibt obligatorische Leistungstest. Es ist aber nicht so, dass ich täglich eine Runde um den Ring laufe.

Wie halten Sie sich dann fit und wie relaxen Sie?
Wenn ich nicht im Dienst bin und es wieder zulässig ist, reisen mein Mann Martin und ich sehr gerne und unternehmen ausgedehnte Wanderungen. Am liebsten bin ich an der frischen Luft, vorzugsweise mit meinen Rollerblades.

Dieser Beitrag ist in der aktuellen Ausgabe von News (6/2021) erschienen.