Wirtschaftsfaktor Maturaball

Vom Schulfest zum Business

Was vor gar nicht langer Zeit noch ein einfaches Schulabschlussfest war, ist heute ein professionelles Business. Denn Maturabälle werden immer kostspieliger. Vor allem in der Steiermark

von Wirtschaft - Wirtschaftsfaktor Maturaball
© Bild: Johannes Repelnig/Ballguide

Ballcatraz - acht Jahre gesessen", "HLWoodstock -jahrelang Stoff, jetzt endlich high" oder "BHAKardi Feeling - fünf Jahre bis zum Ru( h) m". Schlechte Wortspiele wie diese eignen sich seit jeher für Maturaballmottos. Fast ein bisschen nostalgisch, wie Relikte aus vergangenen Tagen, erinnern sie an das, was ein Maturaball einmal war: ein Schulabschlussfest. Organisiert von Maturanten und Maturantinnen, denen es vor allem um Spaß geht. Die das euphorische Gefühl von "nie mehr Schule" in ein rauschendes Fest packen wollen. Doch was früher als "Do it yourself"-Projekt galt, ist heute ein durchdesigntes Event mit zunehmender wirtschaftlicher Relevanz.

»"Bei uns waren das erste Gehversuche, so ein Event auf die Beine zu stellen. Ohne Konkurrenz-oder Erfolgsdruck. «

Alexander W., ehemaliger Maturaball-Komitee-Leiter an einer Grazer Privatschule, erinnert sich an seinen Ball vor fast zehn Jahren zurück: "Bei uns waren das erste Gehversuche, so ein Event auf die Beine zu stellen. Ohne Konkurrenz-oder Erfolgsdruck. Und ohne Erwartungshaltung. Jeder hat einfach ein bisschen herumexperimentiert, schließlich waren die finanziellen Mittel beschränkt." Professionell wären lediglich die Tanzschule und die Band gewesen, "der Rest war hausgemacht". Luft nach oben hätte es allemal gegeben. So wäre die Maturaballzeitung von der ersten bis zur letzten Seite verpixelt, das Logo eingescannt und der Hauptpreis der Tombola ein Staubsauger gewesen, erzählt er -nicht ohne sich ein Schmunzeln verkneifen zu müssen. "Gleichzeitig war es aber egal. Es war klar, dass es rein um eine gemeinsame Erinnerung und einen gemeinsamen Abschluss der Schulzeit geht. Es war einfach ein Fest für uns."

Verträge & Verantwortung

Mariella R. besuchte dieselbe Privatschule. Auch sie war im Maturaball-Komitee. Zwischen ihrem und Alexanders Ball liegen nicht nur acht Jahre, sondern auch Welten. Bereits drei Jahre zuvor wurden erste Verträge abgeschlossen. "Es ist schon heftig, welche Verantwortung hier 17-Jährigen übergeben wird", meint die Absolventin. Eine Anwältin setzte zusätzlich einen eigenen Vertrag für die Maturanten und Maturantinnen sowie deren Eltern auf. Dieser umfasste Rechte sowie (finanzielle) Pflichten genauso wie die Wahl des Tanzpartners. So mussten Eltern beispielsweise vorab 400 Euro in die Maturaballkasse einzahlen, Maturierende, die keine Sponsoren finden konnten, 300 Euro. Diverse Schulfeste und eine Pre-Party dienten als zusätzliche Einnahmequelle. Mittlerweile gäbe es bereits "Pre-Pre-Partys" sowie "After-Ball-Partys", erzählt die jetzige BWL-Studentin. "Das hat dann allerdings nur mehr etwas mit Abzocke und nicht mehr mit dem Ball selbst zu tun."

Wohin fließt das ganze Geld?

Als Gewinn blieben den Maturanten und Maturantinnen -je nach erbrachter Arbeitsleistung -gerade einmal 100 Euro. Diese wurden, wie üblich, in die Maturareise investiert. Doch wohin floss das ganze Geld? Viele Aufgaben wurden ausgelagert. Anstatt die Porträts für die Maturaballzeitung selbst anzufertigen, wurde ein Fotograf engagiert. Eine Designerin kümmerte sich um den visuellen Auftritt des Balles nach außen. Schließlich sollte alles, von Eintrittskarten über Facebook-Banner bis hin zur Maturaballzeitung, im gleichen Look erscheinen. Bei der Tanzschule übten die Schüler und Schülerinnen nicht nur die Choreografie für die Polonaise, sondern absolvierten (verpflichtend) einen zusätzlichen Kurs für klassische Tänze -allein die Kosten für die Polonaise-Choreografie belaufen sich auf 700 bis 2.000 Euro. Ein Florist sorgte am Ballabend für die passende Blumendekoration, eine Security-Firma für die nötige Sicherheit, Band und DJs für die Feierlaune. Zu dem obligatorischen Friseurbesuch am Balltag kommen heutzutage auch Stylisten und Make-up-Artists, die allerdings von den Maturanten und Maturantinnen privat bezahlt werden. Ein weiterer (privater) Kostenpunkt: die Ballfotos. Ein Grazer Fotostudio verriet, dass es pro Schüler 60 Euro verlangt.

Wichtiges Zusatzgeschäft

Dass bei Bällen viele Branchen bereits im Vorfeld involviert sind, bestätigt auch die Wirtschaftskammer Steiermark: "Das beginnt bei Kleidermachern und Tanzschulen, geht über die Floristen und Friseure bis hin zu den Gastronomen und Taxibetrieben." Für all diese Branchen bedeuten Maturabälle ein wichtiges Zusatzgeschäft. Extra erfasst werden sie in Statistiken allerdings nicht. Und das, obwohl sie aufgrund ihrer hohen Zahl zunehmend als Wirtschaftsfaktor mit finanzieller Relevanz gesehen werden können. Heuer gibt es allein in der Steiermark über hundert Maturabälle.

»Ein Maturaball ist etwas Schönes, keine Frage, aber in den letzten Jahren ist es eindeutig ausgeartet«

"Ein Maturaball ist etwas Schönes, keine Frage, aber in den letzten Jahren ist es eindeutig ausgeartet", kommentiert Mariella die Entwicklungen. Eine ihrer ehemaligen Klassenkolleginnen sieht das ähnlich: "Es ist schon verrückt. Vor allem, wenn man die Bälle mit jenen im sonst so übertriebenen Amerika vergleicht. Die nehmen eine Turnhalle, hängen ein paar Schleifen auf und das war's." Beide erzählen von einem harten Konkurrenzkampf zwischen den Schulen. Es geht um die Auszeichnung "Ball des Jahres". Vergeben von der "Kleinen Zeitung" und dem dazugehörigen Unternehmen Ballguide. Der Titel "Balltipp der Saison" lässt sich hingegen käuflich erwerben. Rund 1.000 Euro kostet die farbige Hervorhebung im Ballkalender, die jedes Jahr für Grazer Privatschulen "vorreserviert" ist.

»Der Ball ist für die Maturanten und Maturantinnen schon fast wichtiger als die Matura selbst«

Ballguide ist ein Unternehmen, an dem man zwangsläufig nicht vorbeikommt, wenn man sich mit dem Thema Maturaball beschäftigt. Einst Herausgeber des gleichnamigen Ballkalenders und Magazins, hat sich das Unternehmen nun zu einer Full-Service-Agentur für Maturanten und Maturantinnen gewandelt. Man sei damit dem Ruf der Absolventen und Absolventinnen gefolgt, erzählt der Teamleiter Philipp Wallner. In Kooperation mit dem Location-Platzhirsch Grazer Congress werden mittlerweile eigene Coachings und "Ball-Packages" angeboten. Eine Entwicklung, die dem aktuellen Trend folgt, auf den auch andere Dienstleister aufspringen. Wie die Werbe-und Designagentur Maturadruck. Auch sie hat sich als Full-Service-Agentur auf die Zielgruppe der Maturaballveranstalter spezialisiert. Kerngeschäft sind Maturaballzeitungen. Wurden diese früher noch selbst gestaltet und ausgedruckt, werden sie heute professionell von Designern erstellt, auf Hochglanzpapier gedruckt und als Buch mit nicht selten 400 Seiten gebunden. "Unsere Ausrichtung spiegelt die Entwicklung der letzten fünf Jahre wider. Das Maturaballthema in der Steiermark ist gewachsen und wird von den Maturanten auch gelebt. Der Ball ist für sie schon fast wichtiger als die Matura selbst", sagt Maturadruck-Geschäftsführer Bernhard Schneidhofer. Preise wollte er zwar keine verraten, dennoch sei es zumindest genug, um sechs Mitarbeiter fünf Monate zu finanzieren. 120 österreichische Schulen betreut Maturadruck jährlich. Die Kernklientel ist in der Steiermark zu finden.

Steirisches Phänomen

Der professionalisierte Maturaball als steirisches Phänomen, das kann auch Wallner bestätigen: "Die Klientel in der Steiermark ist anders als in anderen Bundesländern. Gerade bei den Stadtbällen wird viel Wert auf Glanz und Glamour gelegt." In Wien beispielsweise gäbe es diese Art der von Maturanten organisierten Bälle gar nicht und in Kärnten würde meist noch in der Schule gefeiert. Einzig vergleichbar sei die oberösterreichische Ballszene, so Wallner.

Während Maturabälle immer aufwendiger und kostspieliger werden, eine Eintrittskarte kostet mittlerweile 20 Euro, geht die Besucherzahl allerdings stetig zurück. "Der Wirtschaftsfaktor Maturaball hat sich im Vergleich zu den letzten Jahren definitiv verändert, das merken auch wir. Man kann vor allem bei Stadtbällen einen Rückgang der finanziellen Rentabilität spüren. Ebenso hat in der Steiermark das gelockerte Jugendschutzgesetz einen Teil dazu beigetragen, dass teilweise ein Besucherrückgang zu vermerken ist", erklärt Wallner. Für die unter 16-Jährigen hätten Schulbälle an Attraktivität verloren. Durch die steigenden Preise sei es jetzt nur noch eine Veranstaltung für Familie und Freunde.

Explodierende Kosten

Und was sagen die Eltern dazu? "Eigentlich ist der Maturaball eine Veranstaltung, die von Eltern gesponsert wird. Wenn man alles mit einrechnet, die Vorauszahlungen, die Schulfeste, wo man den Kuchen kauft, den man zuvor selbst gebacken hat, die Tanzkurse, die Outfits, die Karten, Fotos, Maturaballzeitungen sowie die Konsumation am Ballabend selbst, kommt das schon auf ungefähr 1.000 Euro pro Kind", erzählt eine betroffene Mutter, die anonym bleiben möchte. Die selbstständige Betriebswirtin sieht Maturabälle definitiv auch als Wirtschaftsfaktor. Nutznießer seien Dienstleister wie der Grazer Congress. Um diesen für einen Abend zu mieten, fallen Kosten von durchschnittlich 16.000 Euro an. "Da fragt man sich als Elternteil schon: Warum muss es immer der Congress ein? Warum so groß? Es ist natürlich schön, wenn man es sich leisten kann und am Ballabend selbst dann die Augen glänzen." Dennoch sorgt sie sich um versteckte Armut und spricht von gesellschaftlichem Druck: "Natürlich hat sich bei den Elternsprechtagen niemand gemeldet und gesagt, er kann sich das nicht leisten. Aber wie es im Endeffekt bei den Familien aussieht, das sagt ja keiner."

»Die 'Kleine Zeitung' sollte nicht ausschreiben, wer den besten Ball hat, sondern den sozialsten. Sonst geht die Spirale immer weiter nach oben«

Sie würde es gut finden, Bälle wieder in Schulräumlichkeiten zurückzuholen, da diese so auch sozialer gestaltet werden könnten und den Maturantinnen und Maturanten am Ende mehr Geld bliebe. Abschließend meint sie: "Die 'Kleine Zeitung' sollte nicht ausschreiben, wer den besten Ball hat, sondern den sozialsten. Sonst geht die Spirale immer weiter nach oben."