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Künstler sind schon wieder in Geiselhaft

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Heinz Sichrovsky
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Zur Abwechslung geht es diesmal um das Donauinselfest, das dolmenhaft parteipolitischer Denunziation ausgeliefert wird. Mich wundert das nicht: Andere sind auch nicht besser

Ich bin ja keiner von den Sonderlingen, die vor einem halben Jahr in irgendein Forum eine Banalität gebrabbelt haben und jetzt triumphieren, weil eingetreten ist, was nicht ausbleiben konnte. Aber jetzt wäre in der Tat die Zeit der kategorischen Feststellung gekommen: Ich habe es geschrieben, wieder und wieder. Denunziation erzeugt Gegendenunziation. Für jedes beschlagnahmte schwarze bzw. türkis ummantelte Handy wird man sich bald ein rotes greifen. Im Ressort-internen Bürgerkrieg, der unter Billigung, wenn nicht gar auf Anregung der Justizministerin Zadic tobt, wird es zwar irgendwann einen Sieger geben (wer das sein wird, hängt maßgeblich vom Wahlausgang ab). Bis dahin allerdings werden mehr anonyme Anzeigen, als die Demokratie sie verträgt, zu keinem anderen Ergebnis als zu fortgesetzter Existenzzerstörung führen. Nicht einmal Strache hat etwas Judizierbares angestellt. Nicht Blümel und auch nicht der arme Chorherr, der offenbar schuldlos den linken Quotendelinquenten geben musste.

Das Verfahren ist uralt: Wenn sich Kollegen aus dem Enthüllungssegement in den Beweisnotstand investigiert hatten, schrieben sie einen anonymen Brief, um die Recherchen an die Staatsanwaltschaft auszulagern. Der Vorgang wurde früher allerdings nur selten ernstgenommen, und bis einer zurücktrat, vergingen, wenn überhaupt, oft Jahre. Meist war dafür ein Putsch innerhalb der eigenen Fraktion erforderlich.

Eine Partei kann ihren Nutzen nicht besser unter Beweis stellen als mit Kunst

Um nun endlich zum eigentlichen Gegenstand dieser Kolumne zu gelangen: Ganz übel wird es, wenn sich die Denunzianten der Kunst bedienen. Und so wurde in diesen Tagen bekannt, dass im Gefolge einer - erraten - anonymen Anzeige gegen die Wiener SPÖ ermittelt wird. Dabei geht es einmal nicht darum, den Bürgermeister dafür zu belangen, dass er seine zwei Millionen Schutzbefohlenen nicht im Dunkeln sitzen lassen wollte. Sondern um das von der Wiener SPÖ veranstaltete Donauinselfest. Helmut Zilk hat es gegründet, und die Stadt unterstützt es mit 1,8 Millionen Euro. Wiewohl das präzise Gegenmodell eines dort anzutreffenden Besuchers, würde ich auch die doppelte Zuwendung gutheißen: Mit seinen drei Millionen Besuchern ist das Fest laut Eigendarstellung die größte sozusagen musikalische Freiluftveranstaltung der Welt. Damit ist es nach meiner laienhaften Wahrnehmung nicht bloß gemeinnützig, sondern unentbehrlich: Es bringt Künstler und ihr Publikum zusammen und schafft Auftrittsmöglichkeiten. Solche, die der kunstsinnige und besonnene Bürgermeister Ludwig auch inmitten der existenzbedrohenden Pandemie bereitgestellt hat. Ich glaube ihm sein Engagement aufs Wort. So wie dem großen Kulturpolitiker Erwin Pröll, der im Gefolge niederträchtiger Denunziationen um eine gemeinnützige Bildungsstiftung leider gegangen ist, das seine.

Allerdings kann ich dem politischen Widersacher die Tücke nicht verdenken: Mit vergleichbaren Untergriffen hat nämlich die SPÖ das von der ÖVP ausgerichtete Stadtfest Am Hof und auf dem Judenplatz über Jahrzehnte drangsaliert. Hier war eine alte Rechnung zu begleichen: Die Elite der kulturellen Linken hatte 1976 das Kulturzentrum Arena besetzt, um sich den Abrissplänen des reaktionären, später nicht in Ehren geschiedenen Bürgermeisters Slavik (SP) entgegenzustellen. Anders als später anno Zwentendorf und Hainburg setzte die SPÖ ihre Pläne zwar durch. Aber die Arena-Besetzung hatte, mit keineswegs ortsunüblicher Verzögerung, das Jahr 1968 ins österreichische Minimalformat transferiert. Aus der Arena-Besetzung wuchs das Wiener Stadtfest, das der so schlaue wie freisinnige Vizebürgermeister Busek (ÖVP) für sich zu nutzen verstand. Das genügte: Noch 2019 wurde dem damaligen Stadttürkisen Blümel mancherseits die Gemeinnützigkeit seiner Veranstaltung abgesprochen. Wundert Sie, dass jetzt ein fußmaroder Gaul die Retourkutsche zieht?

Ich meine: Eine Partei kann ihre relative Gemeinnützlichkeit gar nicht nachdrücklicher als im Dienst der Kunst unter Beweis stellen. Und jetzt bitte ich Sie, mich nicht misszuverstehen: Sehen Sie sich einmal die eingetragenen 1.328 "NGOs" allein in Österreich und Deutschland an. Nicht jedem ihrer Proponenten möchte ich nach dem Donauinselfest nachts im Augebiet begegnen.

Was meinen Sie? Schreiben Sie mir bitte:
sichrovsky.heinz@news.at

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