Nuri-Sardinen: Tradition aus der Dose

Anstatt auf Modernisierung setzt Nuri auf Erhaltung und Beständigkeit und hat damit nicht nur bei vielen Österreichern ein Stein im Brett.

von Nuri-Sardinen © Bild: Melina Kutelas/Brandstätter Verlag

Kann Essen aus der Dose Begeisterung wecken? Kann eine Ölsardinenfabrik charmant sein? Und kann man sich heutzutage mit einem Fokus auf Tradition statt auf Modernisierung um jeden Preis am Markt halten? Intuitiv würde man diese Fragen wohl allesamt mit einem klaren Nein beantworten, begleitet von einem bekräftigenden Kopfschütteln. Wäre da nicht die Sache mit den Nuri-Sardinen. Per Hand seit mehr als 100 Jahren auf die gleiche Art befüllt und verpackt in einem nahezu unveränderten Fabriksgebäude in Matosinhos, einem Vorort von Porto, von dort in die halbe Welt verschifft: Die Dosen mit hohem Wiedererkennungsfaktor schwimmen konsequent gegen den Strom der Lebensmittelindustrie. Nicht nur das, sie haben sich vielerorts sogar beständigen Kultstatus erarbeitet. In Curaçao wird etwa die jährliche Anlandung des Nuri-Containers wie ein Volksfest gefeiert, in Los Angeles ist die gelbe Dose seit den 1960er-Jahren fester Bestandteil der Kulinarik der Filipino-Community.

Auch in Österreich haben Nuri-Sardinen eine Ausnahmestellung, was sich etwa darin zeigt, auf welche Art zahlreiche Gastronomen sie einsetzen: Nicht nur das Produkt wird verwendet, sondern dessen Name auf der Karte explizit erwähnt und die Verpackung oft an den Tisch mitgeliefert. Im Liebling im Wiener Volkstheater werden die Sardinen auf Bohnencreme angerichtet, im Hotel Daniel klassisch mit Butterbrot serviert. Auch Eddi Dimant kreierte für sein Mochi Nuri-Gerichte, etwa Brokkolini mit Sardinencreme.

Verbindende Geschäfte

Diese besondere Verbindung mag auch damit zu tun haben, dass die Nuri-Sardinen-Erzeuger jahrzehntelang eine enge, sehr persönliche Geschäftsbeziehung mit einem österreichischen Unternehmen pflegten, das die Manufaktur vor einigen Jahren schließlich sogar vor dem Zusperren rettete. Der Wiener Konrad Glatz hatte auf einer Reise durch Portugal die Ölsardinen entdeckt und importierte sie seit den 1950er-Jahren nach Österreich. Als 2016 (unter anderem wegen des knappen Sardinenbestands vor der Küste Portugals) die Conserveria Pinhais vor dem Aus stand, kaufte sie der Unternehmer-Nachfahre Jakob Glatz kurzerhand und sorgte mit einigen sinnmachenden Adaptionen dafür, dass die Sardinen-Tradition doch noch fortbestehen konnte. Unverändert blieben Faktoren, die den Kult um die Dose unter anderem bedingen: die hohe Fischqualität, die Herstellung in Handarbeit und die alt-ehrwürdige Produktionshalle. Der einzige Schritt, der dort angepasst wurde, war etwa die Einführung eines Lieferbands, um die Fische von den Fülltischen zur Dosenschließmaschine zu transportieren.

Buchtipp: Kreative Rezepte von Koch Andres Stirn mit Texten von Anna Burghardt rund um die Ölsardine: Das große Nuri Sardinen Kochbuch* ist im Brandstätter Verlag erschienen.

Wer die Dosen in Supermarktregalen entdeckt, kann sich kaum vorstellen, wie diese hergestellt werden. NEWS hat sich den Produktionsprozess 2018 vor Ort angesehen, ein unvergesslicher Eindruck: das über ein Jahrhundert alte, patinierte Fabriksgebäude hinter dem zweitgrößten Hafen Portugals mit bunt verfliestem Entree und einer lebhaften Produktionshalle, in der rund 120 Mitarbeiter (vor allem Frauen) emsig und gleichzeitig plaudernd Fische vorbereiten, Dosen befüllen und mit gekonnten Handgriffen Papierhüllen falten. Der Anblick wirkt fast ein wenig aus der Zeit gefallen, die Stimmung ist lebhaft und das Team vertraut, was wohl daran liegt, dass viele hier bereits als Teenager begonnen haben und bis zur Pensionierung bleiben.

Die österreichische Journalistin und Autorin Anna Burghardt, die für das eben erschienene Nuri-Kochbuch* die Texte verfasst hat, schildert ähnliche Eindrücke: "Am faszinierendsten war das Ausmaß an Handarbeit, vom Schneiden der Lorbeerblätter bis zum Köpfen, Ausnehmen und Zuputzen der Fische mit Messerchen und Schere, das Einwickeln der Dosen in Papier und Folie. Und das gerade einmal dosenbreite Puppenfließband mit den Frauen, die jeweils eine einzige Nelke oder ein einziges Pfefferkorn in jede vorbeiratternde Dose legen."

Kult, aber warum?

Es ist dieser Charme, der mitschwingt, wenn man das unveränderte Nuri-Design vor Augen hat. Ein Symbol für Beständigkeit in einer rasanten Zeit. Aber reicht das schon, um den Kultfaktor zu erklären? Jakob Glatz ist sicher, dass das penible Qualitätsverständnis, auf das schon der ursprüngliche, mittlerweile verstorbene Besitzer Senhor António Pinhal so pochte, die Basis des konstanten Erfolgs ist. Hinzu kommt mit Emotionen besetzte Geschichte. "Viele kennen die gelbe Sardinendose seit ihrer Kindheit. Sie war bei den Eltern oder Großeltern auf Lager und gehörte irgendwie zur Kücheneinrichtung. Und Menschen aller Altersgruppen und sozialer Herkunft können sich auf ihren Geschmack einigen, vom Bauarbeiter bis zur Museumsdirektorin." Mit dem Bild von banalem Dosenessen hat die Sardine dank ihrer komplexen Geschmacksdichte sowieso nichts am Hut. Oder, wie Glatz es sagt: "Es wird für mich immer ein kleiner Glücksmoment bleiben, an einem Sonntagabend nach Hause zu kommen, eine Dose Nuri mit einer Scheibe gutem Brot und einem Glas Wein zu genießen."

Pasta Velozes

Pasta mit Nuri-Sardinen
© Melina Kutelas/Brandstätter Verlag

Zutaten für 4 Portionen

300 g junger Brokkoli
ca. 80 g Mandelblätter
300 g altes Weißbrot, in Würfel geschnitten
3 Knoblauchzehen
Olivenöl
1 Dose Nuri-Sardinen in Olivenöl
Salz
500 g kurze Pasta (Trofie, Orecchiette, Castellane ...)
2 Zweige Thymian
Pfeffer
Chili (optional)

Zubereitung

Brokkoli von holzigen Stielansätzen befreien und in mundgerechte, aber nicht zu feine Stücke schneiden.

Mandelblätter in der Pfanne ohne Fett goldbraun rösten und in eine bereitgestellte große Schüssel geben.

Weißbrotwürfel mit 2 angedrückten Knoblauchzehen und 1 guten Schuss Olivenöl in die Pfanne geben und kurz rösten. Ebenfalls in die Schüssel geben.

Sardinen mit den Fingern grob zerteilen und mitsamt dem Öl zu Brot und Mandeln in die Schüssel geben.

Reichlich Salzwasser zum Kochen bringen, Pasta darin kochen. Währenddessen Brokkoli in Olivenöl mit einer angedrückten Knoblauchzehe und Thymian auf hoher Hitze 2 bis 3 Minuten scharf anbraten, mit Salz und Pfeffer würzen. Mit einer kleinen Kelle Pastawasser ablöschen und sofort zu den anderen Zutaten in die Schüssel gießen.

Pasta abseihen und mit dem Brokkoli-Brot-Gemisch vermengen. Einen guten Schuss Olivenöl dazugießen, alles in der Schüssel gut durchschwenken und auf Teller verteilen. Mit Pfeffer würzen, je nach Geschmack auch etwas getrockneten oder frischen roten Chili verwenden.

Tipp

Bekommt man "nur" den handelsüblichen ausgewachsenen Brokkoli, den Stiel gründlich von der äußeren holzigen Schicht befreien und mitverwenden.

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Der Beitrag erschien ursprünglich im News 48/2022.