So gut ist Nintendo Switch wirklich

Was die Hybridkonsole im Alltag richtig macht - und was nicht. Plus: Künftige Hürden

Jetzt schon ein voller Erfolg. Zumindest aus Sicht des japanischen Unterhaltungskonzerns Nintendo kann Switch als solcher bezeichnet werden. Wenige Tage nach der weltweiten Veröffentlichung hat die neue Hybridkonsole den stärksten Start der Firmengeschichte vorzuweisen und ist weitgehend ausverkauft. In Österreich hört man aus dem Handel vielerorts, dass vor Mitte April nicht mit neuen Exemplaren zu rechnen sei. Aber ist an dem Hype was dran?

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Videospiele - So gut ist Nintendo Switch wirklich

Der Clou an der neuen Konsole lässt sich knapp so zusammenfassen: Hinter Nintendo Switch steckt ein riesiger Gameboy mit abnehmbarer Steuerung, der mittels Dockingstation auch direkt an einen Fernseher angeschlossen werden kann. Spiele können im laufenden Betrieb von zuhause unterwegs mitgenommen werden - und umgekehrt. Die zwei abnehmbaren Bedienelemente, auch Joy-Con genannt, ermuntern von Beginn an, nicht alleine vor der Konsole sitzen zu müssen.

© Nintendo Hybridkonsole: Fast egal ob zuhause oder unterwegs

Um eines vorwegzunehmen: Wer unbedingt rechtzeitig eine Switch haben wollte, war bestimmt so smart, sich auch sofort eine holen zu können. Und wer bis dato keine hat und unschlüssig ist, ob er sich eine zulegen soll, hat nichts verpasst. Ungeachtet technischer Kinderkrankheiten ist das Angebot an Spielen bei Markteinführung einer Konsole recht überschaubar und kann mit zunehmender Zeit in der Regel nur eines werden: Nämlich besser.

Generell wirkt Nintendo Switch wie ein "Best of" des japanischen Traditionsunternehmens. Alle Erfahrungen, die aus vorangegangenen Spielkonsolen gewonnen wurden - egal ob stationär oder tragbar - sind in irgendeiner Form in das neue Modell eingeflossen. Wir haben aus dem Konsolen-Alltag heraus zusammengefasst, was Nintendo mit seinem jüngsten Wurf aus unserer Sicht richtig macht - und was nicht. Und wo sich Nintendo Switch erst bewähren muss.

Was an Nintendo Switch gefällt

Switch' es wie du willst!
Einwandfrei funktioniert der Kerngedanke des Systems im Alltag: Der spielerische Wechsel zwischen portablem Modus und Fernsehbetrieb im Dock dauert tatsächlich nur wenige Augenblicke. Nach ein paar Sekunden ist das Gerät einsatzbereit. Diese Flexibilität bleibt auch lange nach dem Konsolenstart anhaltend beeindruckend.

Die Controller sind leicht abnehmbar, um im Fernsehbetrieb gemütlich auf der Couch spielen zu können. Ein Standfuß auf der Rückseite des Geräts sorgt dafür, dass man nicht zwingend einen Fernseher braucht, und den Bildschirm auch unterwegs in einem Tisch-Modus "teilen" kann. In der Praxis entpuppt sich das nicht als stabilste Lösung, aber für eine künftige Runde Mario Kart in der Schulpause mit Freunden sicher ein Hit. Oder wenn der Fernseher zuhause gerade "besetzt" ist.

Tolles Display
Die anfängliche Befürchtung, dass Nintendo den Konsolenpreis zulasten der Displayqualität drücken könnte, hat sich zum Glück nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Der 6,2-Zoll-große Touchscreen zeichnet ein schönes Bild (in bis zu 1.280x720 Pixeln), leuchtet hell genug und reagiert dank kapazitiver Technologie erstmals auch so zügig wie man es bislang seit Jahren von allen Herstellern gewohnt war, nur nicht von Nintendo. Lediglich das gelegentliche Spiegeln fällt im tragbaren Modus unangenehm auf, kann aber mit einer Displayfolie auf ein erträgliches Minimum reduziert werden.

Die Controller-Überraschung
Die sogenannten Joy-Con sind der heimliche Star der Switch: Die neue "HD Rumble"-Funktion verleiht Vibrationen im Controller eine feinere und realistischere Textur. Eine Infrarot-Kamera in einem der beiden Controller erkennt Gesten und Abstände, während eine NFC-Schnittstelle für den Datenaustausch mit Amiibo-Sammelfiguren sorgt. Sogar das "Herumfuchteln" mit beiden Joy-Con wird registriert: Beide Einheiten verfügen über Gyro- und Beschleunigungssensoren.

Alternativ dazu gibt es auch einen "Pro"-Controller, der hinsichtlich Haptik mit der Controllern einer Xbox One oder Playstation 4 vergleichbar ist, aber bis auf die Infrarot-Kamera die gleichen Funktionen der Joy-Con hat.

Endlich erwachsen
Ganz ehrlich: Gerade die letzte Konsole von Nintendo wirkte eher wie ein Kinderlaptop von VTech. Mit Design Haptik der Switch entfernt man sich nun deutlich vom Gefühl, ein klobiges Lernspielzeug für Vorschüler in Händen zu halten. Die minimalistische Ästhetik des Geräts stellt die Inhalte in den Vordergrund wie es sein sollte. Endlich!

Gemeinsamer Spielspaß
Das gab es schon lange nicht mehr beim Kauf einer Spielkonsole: Zwei Controller sind bei der Switch vom Start weg gleich dabei. Mit entsprechendem Spiel kann man also sofort zu zweit losspielen. Zugegeben: Aufgrund ihrer Größe sind die Joy-Con im Einzelbetrieb nicht besonders komfortabel, vor allem für erwachsene Hände. Aber sie erfüllen ihren Zweck und man gewöhnt sich daran. Nintendo beschleunigt dies mit mitgelieferten Blenden, die sich im Controllerbetrieb an die Joy-Con stecken lassen, um das Handling zu verbessern.

Flott und zielstrebig
Im Gegensatz zu den Vorgängern von Nintendo, vor allem der Wii U, fällt die Nintendo Switch durch angenehm flottes Handling auf: Das betrifft das Navigieren in den Menüs, die kurzen Ladezeiten dank Spielmodulen statt Disks, aber auch kurze Downloadzeiten von Updates oder Software im eShop. An diesem Tempo sollte sich die Konkurrenz ein Beispiel nehmen.

Von Beginn an mit Meisterwerk
Mit "Legend of Zelda - Breath of the Wild" serviert Nintendo gleich zum Start der Konsole einen absoluten Kracher. Die Neuauflage der berühmten Abenteuerserie ist quasi Pflicht beim Kauf einer Switch, weil sie einen Meilenstein für das Erkunden und Erforschen offener Spielwelten setzt und dutzende Stunden Spielspaß parat hält. Wenn man auf hohem Niveau jammern möchte: Es ist auch das einzige echte Zugpferd, das die Konsole derzeit zu bieten hat. Und ein Spiel, das zudem auch noch gleichzeitig für die Wii U erschienen ist.

Was an Nintendo Switch nicht gefällt

(Kein) Speicher-Management
Ein kleines Drama ist das Verwalten von Inhalten auf der Konsole. Das gibt es derzeit de facto nämlich nicht. Die Switch verfügt grundsätzlich über 32 GB Speicher, wovon knapp 5 GB allein schon fürs System reserviert sind. Mittels SD-Karte lässt sich dieser Speicherplatz bis zu theoretischen 2 GB erweitern (Auch wenn es SD-Karten in dieser Größe noch nicht gibt). So weit, so gut.

Dummerweise lassen sich Inhalte aber nicht verschieben. Weder vom internen Speicher auf SD-Karte noch umgekehrt. Plant man also die Anschaffung einer SD-Karte, weil man möglichst viele Spiele seiner Bibliothek direkt am Gerät abrufbereit haben möchte, sollte man die SD-Karte sofort einschieben und nicht erst nachher, weil man sonst seine Inhalte willkürlich intern und auf Karte verteilt hat.

Backups für Speicherstände können weder auf alternative Medien noch in eine Cloud abgelegt werden. Geht die Switch unterwegs verloren oder wird sie gestohlen, sind mit ihr alle Spielstände futsch. Das gleiche gilt möglicherweise auch, wenn das Gerät kaputt geht. Hier muss Nintendo dringend ein Update nachliefern.

Plastikbomber-Dock
Wollten Sie Ihre wunderschöne neue Konsole immer schon mal in ein wackeliges Plastik-Dock schieben, das direkt aus der Wühlkiste eines Discounters stammen könnte? Nintendo Switch ermöglicht diese Erfahrung. Am TV-Dock wird leider ersichtlich, wo Nintendo bei den Produktionkosten Kompromisse eingegangen sein dürfte.

Die Konsole rastet nicht fest im Dock ein, sondern wird lediglich auf einen USB-C-Stecker gesetzt. Das Attribut "zweckgemäß" trifft es im besten Fall. Mittlerweile berichten vereinzelte Nutzer sogar, dass das Display der Konsole beim Einschieben zerkratzt werden kann. Wer ein weiteres Dock für den Zweitfernseher zuhause erwägt, wird übrigens überrascht sein: Satte 90 (!) Euro verlangt Nintendo dafür.

Eingeschränkter Handheld
Nintendo Switch ist derzeit zwar die fortgeschrittenste tragbare Spielkonsole am Markt, allerdings nicht ohne kleinere Einschränkungen. Zum einen beträgt die Akkulaufzeit je nach Spiel knappe 3 bis 5 Stunden. Beim Spiel "Legend of Zelda - Breath of the Wild" ist der Akku nach drei Stunden leer.

Das ist gemessen an der Leistung ok, aber hinsichtlich Alltagstauglichkeit grenzwertig. Der Akku kann nicht getauscht, allerdings über USB-C-Kabel mit einer Powerbank unterwegs wieder aufgeladen werden. Vor dem Kauf sollte man sich aber vergewissern, welche Powerbank stark genug ist, die Switch im laufenden Betrieb aufzuladen.

Ebenfalls einschränkend ist der Umstand, dass man keine kabellosen Kopfhörer mit der Switch nutzen kann. Das ist insofern erstaunlich, weil die Switch an sich Bluetooth-Support anbietet. Hier bleibt zu hoffen, dass Nintendo mittels Update noch nachbessert.

Codes für Freunde
Eigentlich schreiben wir das Jahr 2017. Dennoch bleibt Nintendo hartnäckig dabei, die Nutzer im Konsolen-Netzwerk nicht mit ihrem Nicknamen zu identifizieren, sondern mit zwölfstelligen Nummerncodes. Einen direkten Voice-Chat gibt es nicht für Nintendo Switch, dieser ist - wie Online-Gaming im generellen - im Laufe des Jahres geplant und soll auf eine Smartphone-App ausgelagert werden. Wie man es dreht und wendet: Es ist alles andere als zeitgemäß.

Noch kein Streaming
Nintendo wird nicht müde zu betonen, dass Nintendo Switch eine reine Spielkonsole ist. Gut so. Zur Ankündigung wurde die Xbox One seinerzeit belächelt, weil Microsoft genau das nicht machte. Dennoch: Die Switch hätte keineswegs an Attraktivität eingebüßt, wenn Netflix, Amazon und Co schon von Anfang an zur Verfügung gestanden wären.

Immerhin: Besitzer einer Switch müssen sich lediglich gedulden. Nintendo bestätigte erst vor kurzem, dass etwaige Angebote "rechtzeitig" für die Konsole erscheinen werden.

Kein Bundle
Wer eine Nintendo Switch ergattert, bekommt die Konsole - und sonst nichts. Schaltet man das Gerät ein, blökt einem die gähnende Leere eines jungfräulichen Betriebssystems entgegen. Es wäre nicht zuviel verlangt, für den Verkaufspreis von 330 Euro zumindest vorinstallierte Demos beizulegen. Oder idealerweise gleich ein Spiel, das die Fähigkeiten der Konsole hervorragend unter Beweis stellt. Wie zum Beispiel den kurzweiligen Geheim-Tipp "Snipperclips".

Preispolitik
Wer unbedingt eine Nintendo Switch haben will, muss ordentlich in die Tasche greifen. Das Grundgerät kostet allein schon 330 Euro. Damit alleine kann man allerdings nichts anfangen. Ein Spiel im Handel beläuft sich auf mindestens 35 Euro, ein Download mindestens 7 Euro. Will man einen komfortablen Pro-Controller für zuhause zulegen, sind weitere 70 Euro zu berappen.

Trägt man die Switch oft unterwegs herum, ist eine Tasche natürlich sehr brauchbar. Kostenpunkt: mindestens 15 Euro. Die Joy-Con sollen unabhängig vom Hauptgerät in einem separaten Griff geladen werden? 30 Euro, bitte. SD-Karte? In sinnvoller Größenordnung mindestens 30 Euro. Die Liste ließe sich munter fortsetzen. Einzeln betrachtet sind das alles keine Unsummen. Worauf an dieser Stelle hingewiesen werden soll ist lediglich die Tatsache, dass es bei der Anschaffung der Switch vom Start weg bestimmt nicht bei 330 Euro bleiben wird, sondern in der Regel bei deutlich mehr.

Die großen Fragezeichen

Eine Reihe von Diensten und Angeboten für Nintendo Switch bleibt nach wie vor ungeklärt. Heutzutage fast schon ungewohnt bei einer Konsole ist es, nicht von Anfang an einen Online-Service anzubieten. Es gibt für die Switch zwar einen eShop zum Kauf von Software, das Online-Spielen mit und gegen andere lässt aber noch auf sich warten. Ab Herbst soll dieser Dienst erstmals auch kostenpflichtig sein. Kostenpunkt für Europa: Unbekannt.

Die komplette Bibliothek all seiner Lieblingsspiele von Nintendo auf einer Konsole vereint: Zumindest von Fans fast noch sehnsüchtiger erwartet als das Online-Service wird der Start von Virtual Console. Umfang und Zeitfenster sind in diesem Fall unbekannt, erste Infos sind vermutlich zur E3 im Juni zu erwarten.

Letztlich ist es erneut die breitflächige Unterstützung von Drittherstellern, die nach wie vor zu hinterfragen bleibt. Viele namhafte Hersteller sind anfangs freilich aus Neugier an Bord für dieses vielversprechende Konsolenkonzept. Letztlich entscheidet aber die Zahl der verkauften Konsolen, ob sich diese Neugier über den Anfang hinaus halten kann.

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