Totengräber statt Erlöser? Der ORF-Stiftungsrat

Wie schlecht es um die Zukunft des ORF steht, zeigt noch besser als die Fügsamkeit seines Generals Roland Weißmann die Zusammensetzung des Gremiums, das über ihn entscheidet. Im Stiftungsrat sitzen fast durchwegs parteipolitische Erfüllungsgehilfen

von Medien & Menschen - Totengräber statt Erlöser? Der ORF-Stiftungsrat © Bild: Gleissfoto

Bevor Sie diese Kolumne lesen, sollten wir uns auf folgende drei Punkte einigen: 1. Die Umstellung von Rundfunkgebühr auf Haushaltsabgabe mit der Forderung nach einem ORF-Rabatt zu verknüpfen, ist ein politischer Willkürakt. 2. Das Diktat der fehlgeleiteten Medienministerin mit einem einfallslosen Sparpaket zu erfüllen statt durch fantasievolle Strukturreform zu beantworten, ist keine gute Idee. 3. Dass formal nicht Susanne Raab über die 300-Millionen-Abspeckpläne von General Roland Weißmann entscheidet, sondern der ORF-Stiftungsrat, ist der schwächstmögliche Trost.

Dabei wirkt die Theorie des Gremiums respekteinflößend: Die 35 Stiftungsräte sollen "über Kenntnisse des österreichischen und internationalen Medienmarktes verfügen oder sich auf Grund ihrer bisherigen Tätigkeit im Bereich der Wirtschaft, Wissenschaft, Kunst oder Bildung hohes Ansehen erworben haben". So steht es im Gesetz für das Milliarden-Euro-Unternehmen mit mehr als 3.000 Mitarbeitern. Die Mitglieder seines höchsten Überwachungsorgans haben "dieselbe Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit wie Aufsichtsratsmitglieder einer Aktiengesellschaft".

Die Praxis hingegen sieht so aus: 18 Stiftungsräte werden der ÖVP zugerechnet, sechs den Grünen, vier der SPÖ, je einer FPÖ und Neos. Unter den verbleibenden fünf unabhängigen sind neben drei Betriebsrätinnen (Christiana Jankovics, Marianne Schüttner, Gudrun Stindl) noch der vom Burgenland entsandte Komponist, Dirigent und Musikproduzent Christian Kolonovits sowie der ehemalige Baby- und Kinderhotelier Siggi Neuschitzer - ein rühriges Überbleibsel aus der Kärntner BZÖ-und FPK-Ära.

Die häufigste Spezies im Stiftungsrat sind Kommunikationsberater mit spezifischer Vergangenheit. Jürgen Beilein und Gregor Schütze waren Minister-Pressesprecher, Thomas Zach Kabinettsmitarbeiter, Herwig Hösele sprach für steirische Landeshauptleute. Tirols Stefan Kröll sowie Andreas Kratschmar ergänzen auch ohne solches Vorleben die einschlägige türkis-schwarze Armada. Sie wird durch die Kommunikationschefinnen Sophie Matkovits (AUA) und Ruth Strondl (Kunsthistorisches Museum) vervollständigt. Beide haben sich in VP-geführten Ministerien ihre ersten Sporen verdient. Andrea Danmayr, die Kommunikationschefin der Universität für angewandte Kunst, holte sich das Rüstzeug als Pressesprecherin bei den Grünen. Eines ihrer Regierungsmandate hat Hildegard Aichberger. Die Vorständin der oekostrom AG leitete früher die Öffentlichkeitsarbeit der Caritas. Auch Lothar Lockl, der grüne Vorsitzende des Stiftungsrats, und sein roter Gegenpol Heinz Lederer, zwei frühere Kommunikationschefs ihrer Parteien, kommen aus dieser beruflichen Ecke.

Neben diesem Dutzend sind vier Universitätsprofessoren im Stiftungsrat: die Marketingexpertin Katharina Hofer, Politikwissenschaftler Klaus Poier und der Spezialist für Unternehmensbewertung Ewald Aschauer auf türkis-schwarzen Tickets sowie Non-Profit-Fachmann Michael Meyer von grünen Gnaden. Der Tourismus ist auf der einen Seite durch Petra Stolba, die jetzige Kabinettschefin von ÖVP-Querschläger Othmar Karas und frühere Geschäftsführerin der Österreich Werbung, vertreten. Als ihr Konterpart wirkt Norbert Kettner. Der Direktor von Wien Tourismus war einst Pressesprecher bei SPÖ-Stadtrat Sepp Rieder. Ebensolche Gegenpole sind die Rechtsanwälte Michaela Krömer für die Grünen und Niki Haas für die FPÖ. Im Gleichschritt hingegen agieren die beiden roten Betriebsräte Gerhard Berti und Stefan Jung. Dass Helmut Miernicki, heute Geschäftsführer der Breitband Holding und Vertreter Niederösterreichs, ehemals der Büroleiter von Erwin Pröll war, ist keine Überraschung. Das schwarze Vorarlberg setzt unterdessen klischeehaft alemannisch auf den Steuerberater Alfred Geismayr. Salzburg verlässt sich auf Ulrike Domany-Funtan. Die Generalsekretärin von fit4internet lässt als Vizepräsidentin der Julius-Raab-Stiftung Partei erkennen. Bernhard Tschrepitsch, der Chef der Akademikerhilfe, hat sich bei Raiffeisen den Stallgeruch verdient. Franz Medwenitsch war als Geschäftsführer des Verbands der Musikwirtschaft lange Sprecher des ÖVP-Freundeskreises im Stiftungsrat. Diesem schwarzen Zirkel ist auch Herbert Fechter treu, der hier als Agenturinhaber, Eventmanager und Künstleragent sein Netze weiterspinnt. Sigrid Pilz, die Ex-Patientenanwältin und -Gemeinderätin der Wiener Grünen, vervollständigt die Abteilung der Exoten.

Fehlt nur noch Neos-Gesandte Anita Zielina. Die Ex-Journalistin und -Medienmanagerin ("Standard", "Stern","NZZ") ist Direktorin für News Innovation und Leadership an der City University von New York. Dass sie bei der nächsten Stiftungsratssitzung am 23. März überstimmt wird, scheint sicher.