Sag beim Abschied leise: "Servus!"

Österreichs zweitgrößtes Medienunternehmen nach dem ORF ist das Red Bull Media House. Sein ServusTV war Dietrich Mateschitz’ Sammelbecken gegen „Politik, die sich in politischer Correctness ergeht, und eine selbst ernannte sogenannte intellektuelle Elite“

von Medien & Menschen - Sag beim Abschied leise: "Servus!" © Bild: Gleissfoto

Die Nachrufe zu Dietrich Mateschitz vollziehen fast durchwegs seine Dreiteilung in Marketinggenie, Sportinvestor und Mediengründer. Dies ist zugleich eine Abstufung von global, international und national. Die letztgenannte Facette aber verrät am meisten über den glühenden Österreicher. Das weltweit agierende Red Bull Media House steht auch symbolisch in Salzburg statt in Wien, London oder New York. Denn den Heimatbegriff des Gründers umschreibt am besten das Kunstwort „glokal“.

Die Grundlage für seinen Image-Spagat zwischen außerirdischem Extremsport und bodenständiger Volkskultur schufen Medien. Als Auftrittsfläche der athletischen Markenbotschafter pflasterten sie den Weg vom hippen Energydrink für eine junge Publikumsnische zum massentauglichsten Zuckersaftl seit der Erfindung von Coca-Cola. Für Mateschitz’ sentimentalen Heimatbezug fanden sie weniger Platz. Das ließ ihn selbst ins Fernsehgeschäft einsteigen. Während in den USA Social Media entstanden und von Red Bull alsbald perfekt kommerziell genutzt wurden, kaufte sein Chef den regionalen Fernsehsender Salzburg TV – eine Gründung von Ferdinand Wegscheider.

Zwei Jahre später, 2009, wurde daraus Servus. Die Zweitmarke war geboren. Der Sender erhielt vorerst mehr Respekt als Publikum. Naturdokumentationen formten ein Qualitätsimage. Der Megatrend Heimat fand eine solche. Je urbaner der Mainstream des Privatfernsehens war, desto lauter spielte es hier das Loblied des ländlichen Raums. „Servus in Stadt und Land“, ein im Sog der deutschen „Landlust“ geschaffenes Magazin, vervollständigte das nationale Medien-Steckenpferd der globalen Marketing-Maschine. Es wirkt wie die Faust aufs Aug’ des roten Bullen. Die Liebhaberei eines Milliardärs.

Erst 2016 wurde klar, wie ernst es der Macher mit seinem Heimatmedium meint. Am Welttag der Pressefreiheit kündigte er an, es einzustellen – weil es trotz Investitionen eines jährlich nahezu dreistelligen Millionenbetrags „keine wirklich positive Entwicklung erwarten“ ließ. Der wahre Grund war nicht das immense Minus, sondern die Idee zur Gründung eines Betriebsrats. Nach Gesprächen mit der AK machte Mateschitz weiter und den als „Ressortleiter für Information und Aktuelles“ zurückgekehrten Wegscheider zum Intendanten. Der hatte sich im Flüchtlingsjahr 2015 für Höheres empfohlen. Unter seiner Gesamtführung konnte ServusTV den Marktanteil mehr als verdoppeln und ist heute mit vier Prozent der stärkste Privatsender. Und der umstrittenste. Für das eine ist vor allem der Rechtekauf von Formel 1 bis Fußball verantwortlich, für das andere der pointiert rechte Info-Kurs.

Dafür sorgte vor allem Wegscheider. Medieneigner Mateschitz hat sich selten selbst der Medien-Nahaufnahme ausgesetzt. 2017 übte er in der „Kleinen Zeitung“ aber harte Kritik an der „Politik, die sich in politischer Correctness ergeht, und einer selbst ernannten sogenannten intellektuellen Elite, bei der man bei bestem Willen weder einen wesentlichen wirtschaftspolitischen noch einen kulturpolitischen Beitrag für unser Land erkennen kann“, und ließ umgehend Taten folgen: Die flugs gegründete und rasch anerkannte Rechercheplattform Addendum sperrte er jedoch drei Jahre später wieder zu.

Der Herr hat’s gegeben. Der Herr hat’s genommen. Das Red Bull Media House ist nach dem ORF das umsatzmäßig größte Medienunternehmen des Landes. Durch den Tod von Dietrich Mateschitz entstehen dort Existenzängste und wächst die Verunsicherung der gesamten Branche. Dabei geht es nicht nur um wirtschaftliche Fragen, sondern auch um inhaltliche Aspekte. Die „Servus Nachrichten“ sind die publikumsreichste TV-Tagesinformation nach „Zeit im Bild“ und „ZiB 2“, „Talk im Hangar-7“ und „Links. Rechts. Mitte“ die meistgesehenen politischen Talkformate nach „Im Zentrum“.

In den Würdigungen des Red-Bull-Chefs muss also die pietätlose Frage Platz finden, ob Mateschitz' allfällige Sichtweise-Vorgaben für das Informationsangebot des Medienhauses nun hinfällig sind bzw. wer die Rolle des Kurssetzers übernimmt. Denn mit ServusTV hat er ein Heimatfernsehen geschaffen, das für manche Positionen innerhalb des demokratischen Spektrums die wichtigste Auftrittsfläche ist.