Wie klingt Ihr Wein, Herr Polz?

Erich Polz junior hat das Dirigentenpult gegen den Weinberg in der Südsteiermark eingetauscht. Seine Dirigentenkarriere lässt er ruhen, um das Weingut Polz in vierter Generation zu übernehmen. Über die Suche nach "dem Wesentlichen", Inspiration und den Klang des Weines.

von Interview - Wie klingt Ihr Wein, Herr Polz? © Bild: Ricardo Herrgott/News

Wenn Erich Polz junior spricht, wählt er seine Worte ganz bewusst. Seine Hände dirigieren das Gesagte, seine Gedanken. Es muss stimmig sein, was er sagt - es muss Sinn haben.
"Was ist das Wesentliche? Was macht es aus?" Diese Frage stellt sich der Steirer in allen Bereichen. So war es in seinem Beruf als Dirigent, so ist es in seiner jetzigen Tätigkeit in den Weinbergen.
Seit 2020 hat Polz die Leitung des gleichnamigen Weinguts inne. Ein Familienbetrieb mit Geschichte, ein Weingut in Straß, in der Südsteiermark, mit den legendären Polz-Lagen wie Grassnitzberg, Hochgrassnitzberg und Obegg.

Von Dirigentenpult in den Weinberg

Nach der Matura in Graz studierte Erich Polz junior Weinbau, Önologie und Weinwirtschaft an der Universität für Bodenkultur in Wien, dazu auch Wirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, Studienaufenthalte auf renommierten Weingütern in Burgund in Frankreich komplementierten die Ausbildung. "Der Studienplan für das Dirigierstudium lag währenddessen jahrelang auf meinem Nachtkastl. Irgendwann bin ich dann aufgestanden und habe gesagt, ich muss das jetzt machen."

© Julia Wesely Dirigent Polz beim Neujahrskonzert Kammerorchester Modus 21 in Bad Gleichenberg 2017

Polz folgte der Musik. 2013 schloss er das Dirigierstudium am Konservatorium in Wien ab, war Assistent und Chordirektor im Team der Tiroler Festspiele Erl von Gustav Kuhn, leitete das Neujahrskonzert 2017 des Sinfonieorchesters St. Gallen und dirigierte beim steirischen Kulturfestival styriarte. "Alle meine Entscheidungen sind intuitiv, aber ganzheitlich gefällt worden", erklärt der heute 36-Jährige. So sei es ihm auch mit dem Entschluss gegangen, das Dirigitenpult gegen den Weinberg zu tauschen. Auch wenn beide Metiers für Polz gar nicht so weit voneinander entfernt liegen.

»Ich hab den Weinberg und eine Vorstellung davon, wie es sein soll«

"Für mich ist es in der Konsequenz das Gleiche - es gibt Voraussetzungen, die sind gegeben - den Weinberg, das Wetter, die Reben. Bei der Musik sind es die Partitur und die Musiker. Dann hat man eine gewisse Idee, die man immer adaptieren muss. So wie ich das Dirigieren verstehe oder auch das Führen eines Unternehmens, heißt das - ich gebe ein Angebot, sage, so stelle ich mir das vor, und dann kommt ein Feedback, von den Musikern oder von den Mitarbeitern. Meine Aktion hat demnach etwas bewirkt und nun liegt es erneut an mir, ob ich vielleicht ein wenig modifizieren muss, damit ich das Beste aus der Situation erhalte. Und genauso ist es beim Wein. Ich hab den Weinberg und eine Vorstellung davon, wie es sein soll. Ich muss aber auf das Wetter reagieren, auf Mitarbeiter; es ist ein ständiger Prozess. In meiner Vorstellung ist in beiden Fällen dann das Produkt gut, wenn ich so reduziert bin, dass es aus sich selbst heraus die Kraft entwickeln kann um zu wirken. Dann habe ich in beiden Fällen etwas gemacht, von dem ich überzeugt bin, dass sich die Menschen davor nicht verschließen können. Eine Wahrhaftigkeit, eine Echtheit."

© Ricardo Herrgott/News Früher war es Weingut Erich&Walter Polz, jetzt ist es nur mehr Polz. Die Vornamen sind aus dem Firmenwortlaut verschwunden. "Wir sind Geburtshelfer dieser Weine, ich möchte mich hinter das Unternehmen stellen - denn der Betrieb ist größer als ich, größer als der Einzelne", so Erich Polz junior

News: Woher nehmen Sie die Inspiration?
Erich Polz Junior:
(denkt lange nach und schmunzelt) Vielleicht aus dem inneren Bedürfnis heraus, mehr Echtes im Leben haben zu wollen. Wir erleben eine Renaissance von Handwerk, eine intensive und philosophische Auseinandersetzung mit seinem Grundprodukt, das einen immanenten Wert hat. Ich möchte einfach mehr Echtes im Leben haben - echte Beziehungen, echte Gespräche und mehr echtes Essen. Und genauso ist es beim Wein.

Ihr Vater und Ihr Onkel haben das Weingut lange Zeit geleitet. Erhalten Sie noch Feedback von ihrer Seite?
Feedback ist immer wichtig, besonders von der Familie. Mein Vater hat natürlich viel Expertise und lässt es nicht aus, sich zu äußern; aber immer häufiger eher mit einem Schmunzeln.

»Wein ist eine ins Glas gegossene Schöpfung«

Wie gehen Sie mit dem Erbe um? Ist es eine Last, eine Verantwortung?
Ich lass es nicht zur Last werden. Ich habe genug Ideen und Energie, um es zu meinem eigenen Fleisch und Blut zu machen. Natürlich ist es eine Verantwortung - auch den 50 Mitarbeitern gegenüber. Aber es macht auch Freude und wenn es Freude macht, dann ist es keine Last.

Was ist Wein für Sie?
Es ist eine der schönsten Ausformungen von Natur. In der Kombination mit dem menschlichen Zutun. Wein wird nicht von selbst. Wenn der Mensch und die Natur so zusammenwirken, dass sich gegenseitig keiner im Weg steht, dann ist Wein eine ins Glas gegossene Schöpfung. Das klingt sehr pathetisch …

Wie hört sich ein Polz-Wein an?
(denkt nach) Sagen wir so, ich habe eine Idee davon, wie es sein soll …

Und zwar …?
Also Bach ist mir zu größenwahnsinnig. Ich liebe Bach, aber das ist zu groß. Sich mit Bach zu vergleichen wäre eine Anmaßung. Zudem fehlt mir bei Bach - und das ist mir wichtig - der Spaßfaktor. Beethoven ist genial, aber das ist mir zu ernst. Wenn ich was aussuchen müsste, wäre es etwas Großartiges von Mozart - der Figaro vielleicht.

Was ist Ihr Antrieb?
Es ist mein Antrieb, den Sachen auf den Grund zu gehen. Ich muss mich fragen, was ist es und was ist es durch mich? Ich bin der Filter, durch den das durchgeht. Und weil ich mich nicht anders entscheide, wie ich mich entscheide, wird das eine persönliche Prägung haben.

Im Weinkeller ist ihr jüngerer Bruder Christoph der Verantwortliche. Wie darf man sich die Zusammenarbeit vorstellen?
Wir arbeiten in engster Abstimmung. Ich habe meine Meinung, er hat seine Meinung; aber im Notfall sagt er auch: "Erich, du musst sagen, wie du es haben willst. Die Richtung musst du vorgeben."
Ich habe jetzt die Verantwortung für den Betrieb übernommen. Und ich verstehe mich als ein Leader in diesem Team. Ich muss schauen, dass das Umfeld, die Bedingungen so sind, dass alle ihr Bestes leisten können. Dass sie glücklich sind, Sinn und Motivation sehen und sie das Werkzeug zur Verfügung gestellt bekommen, das sie brauchen.
Hier gibt es auch Parallelen zum Dirigieren - das ist toll. Jeder einzelne im Orchester kann das, was er macht, hundert Mal besser als ich. Ich kann nicht die Geige spielen, ich kann aber die Voraussetzungen schaffen, dass diese Gruppe weiß, wo es hingeht, und ihnen dabei den Freiraum lassen, ihr Eigenes in die Welt setzen zu können. Das muss orchestriert sein; ich bin nur ein Teil des Rädchens.

Sind sie ein disziplinierter Mensch?
Schwierig … (denkt nach) Die Frage müsste ich mit "Nein" beantworten.

Warum?
Ich lebe sehr im Moment. Treffe immer wieder Entscheidungen aus dem Genuss heraus, die ein intelligent konsequenter Mensch nicht treffen würde. Herzensentscheidungen, Impulsentscheidungen, die mit einer Konsequenz rational nicht begründet sind. In der Treue meinem eigenen Gefühl gegenüber bin ich aber sehr konsequent.

»Im Endeffekt waren es vier Jahre Therapie«

Woher kommt das Vertrauen, auf Ihr Bauchgefühl zu hören?
Das ist eine wirklich spannende Frage. Ich glaube, da hat mir das Dirigierstudium wirklich enorm geholfen.

Weil?
Im Endeffekt waren es vier Jahre Therapie. Jahre, in denen man sich selbst kennenlernen muss um zu sagen, wer bin ich, was ist für mich. Dazu kommt die Auseinandersetzung und das Wissen, dass alles zusammenhängt.

Wen möchten Sie mit Ihrem Wein erreichen? Wer ist die Zielgruppe? Gibt es so etwas überhaupt?
Ich bin ein sehr demokratischer Mensch. Und mir ist es wichtig, dass der Wein nicht zum Elitismus wird. Ich bin dagegen zu sagen, wer ist unsere Zielgruppe, wohin müssen wir expandieren. Denn dann musst du quasi alles danach richten. Dann gehst du dieser Strategie nach.
Der umgekehrte Weg ist zu sagen: Okay, was bin ich? Ins Wirken kommen und als Weingut das ausstrahlen, was wir sind. Dann erzeugst du eine Resonanz, sprichst die Menschen an, die dafür empfänglich sind. Und wenn jemand nicht drauf anspricht, dann bin ich deswegen nicht beleidigt. Ein Orchester, das mich beim Vordirigieren nicht auswählt, mit denen möchte ich schließlich auch nicht zusammenarbeiten.

Was war das für ein Gefühl, als sie 2020 "Ihren" eigenen Wein in den Händen hielten?
Glück und Freude. Und das geht nicht alleine. Es war schön zu sehen, dass wir diesen Herbst, in diesem neuen Setting, so gut über die Bühne gebracht haben. Dass wir was im Keller haben, was wirklich, wirklich Freude macht. Alle miteinander haben so gut funktioniert. Das wird richtig spannend, die nächsten 30 Jahre …

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