Die Heidi Horten Collection: Heidi Hortens Privatmuseum

Inmitten depressiver, unsicherer Zeiten eröffnet hinter der Staatsoper das eleganteste Privatmuseum des Landes. Im Auftrag der Mäzenin Heidi Horten präsentiert Direktorin Agnes Husslein nach und nach die singuläre Sammlung der Milliardärin. Man beginnt mit feinstem Unterspielen des Besten.

von Heidi Horten Collection © Bild: IMAGO images/Viennareport

Der Zugang von der Burggartenseite ist nur durch zwei schlanke rote Wimpel markiert, die Exklusivität hinter der historischen Fassade muss sich der Besucher selbst erschließen. Drei helle, in eleganter Umarmung himmelwärts strebende Etagen werden hier mit minimalistischer Perfektion bespielt. 1.500 Quadratmeter netto - reine Ausstellungsfläche ohne Nebenräume also - für 50 Exponate, wenn man die kleinen Fotografien einrechnet: Suchte man ein Modell noblen Unterspielens, hier, an einer der teuersten Wiener Adressen zwischen Staatsoper und Albertina, wäre es zu begutachten. "Dafür können die Meisterwerke atmen", gibt Agnes Husslein, Direktorin der in diesen Tagen eröffnenden Heidi-Horten-Collection, zu bedenken. "Man muss auch das Museum fühlen und spüren. Es wird ja nie mehr in der gesamten unverstellten Pracht zu begutachten sein." In der Tat wird das von der österreichischen Architektengruppe "Next Enterprise" in ein früheres Nebengebäude der Albertina komponierte Areal künftig im Halbjahresrhythmus neu bespielt.

© (C)2022 Ricardo Herrgott/News

Die Errichtung des Privatmuseums

Zweieinhalb Jahre nur hat die Errichtung gedauert, nachdem die heute 81-jährige Alleinerbin des 1987 verstorbenen Kaufhaus-Magnaten Helmut Horten das Gebäude um angeblich 30 Millionen für ihr Privatmuseum erworben hatte. Kein Cent öffentlichen Geldes wird hier in Anspruch genommen. Und "für immer" soll hier die 700 Exponate umfassende, im Schloss am Wörthersee hauptansässige Sammlung nach und nach ausgestellt werden.

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Heidi Horten, die Sammlerin

Die Wiener Bürgertochter Heidi Jelinek, damals bei "Ideal Standard Registrierkassen" beschäftigt, war 19, als sie den um 30 Jahre älteren Horten an einer Hotelbar in Velden am Wörthersee kennenlernte. Nach der Heirat zog er sich aus seiner Kaufhausgruppe zurück und wählte das Leben eines kultivierten Privatiers. Nach seinem Tod begann seine Frau zu sammeln, und zu beider Nutzen vertraute sie dabei den beratenden Fähigkeiten der damaligen "Sotheby's"-Direktorin Husslein.

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Diskret das Beste

Was man nun seit dieser Woche bis Anfang Oktober unter dem sachlichen Titel "Open" zeigt, offenbart sein Weltformat erst dem aufmerksamen zweiten Blick: Je eine grüne, gelbe und weiße Fläche, von Lucio Fontana mit dem Messer in die dritte Dimension geschlitzt; ein Passstück von Franz West, heute ein Stück ikonischer österreichischer Kunstgeschichte; ein realer Schmetterlingsschwarm, von Damien Hirst mit Farbe auf eine türkise Fläche geklebt, ein Todestableau von verstörend vitaler Leuchtkraft; eine Schrottskulptur von Robert Rauschenberg; eine rare Gemeinschaftsarbeit von Warhol und Basquiat; zwei Skulpturen von Erwin Wurm: Das Beste der internationalen Märkte wird hier mit Zukäufen junger Künstler verschnitten. Lichtinstallationen weisen ins neue Jahrtausend, und viel Obacht wird dem Verhältnis des Menschen zum Tier geschenkt. Wovon zwei charmante Hasenskulpturen von Barry Flanagan schon im grünen Vorgärtchen zeugen.

Drei Milliarden Vermögen

Und nichts ist so gekommen, wie es denjenigen, die das Ganze von Anfang an mit Missgunst verfolgt haben, so gepasst hätte: dass die Milliardärin Heidi Horten mit dem Tieflader alles hätte auffahren lassen, wovon die Betreiber staatlicher Museen mangelns Ankaufsbudgets schlecht träumen. Munch, Klee, Bacon, Picasso, Rothko, Klimt, Haring, Chagalls "Les Amoureux" nicht zu vergessen, das im Zauber der Gegenwart des anderen versunkene Paar, das Heidi Horten ihr liebstes Bild nannte: Vor vier Jahren überließ sie ihrer Vertrauten Agnes Husslein, damals im Vorstand des Leopold-Museums, 170 Werke dieser Giganten für eine Ausstellung, die von rekordhaltenden 360.000 Menschen besucht wurde. Vorwiegend Inländer waren das, sagt Agnes Husslein. Der Name der Mäzenin und die singuläre Qualität des Gezeigten hätten die Besucherströme auf den Weg befördert. Damals reifte der sich rasend schnell konkretisierende Gedanke, ein eigenes Museum zu errichten. Dort soll die Sammlung nach und nach ihre betörende Vielfalt offenlegen.

"Das Leben ist ein Geschenk", dankt Heidi Horten, seit 2015 mit dem Grafen Karl Anton Goess verheiratet, im News-Gespräch den Freundschaftszuwendungen des Schicksals. Die materialisieren sich heute in drei Milliarden Barvermögen, womit die drittreichste Österreicherin den 717. Platz der weltweiten "Forbes"-Liste einnimmt.

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Schicksalswege

Das Schicksal hat auch Agnes Husslein, 68, auf abenteuerliche Wege befördert. Die Enkelin des Malers Herbert Boeckl, Tochter des Grafen Carl Heinrich Arco, gründete das Museum der Moderne in Salzburg und leitete dann zwischen 2007 und 2016 mit durchschlagendem Erfolg die Österreichische Galerie im Belvedere. Bis sie der medial gut unterfütterten Intrige eines heute versunkenen Grünen Kleinpolitikers erlag. Hussleins Vertrag wurde im Gefolge dürftig fundierter "Compliance"-Vorwürfe nicht verlängert, und die Leopold-Stiftung versicherte sich freudig der international angesehenen Kraft.

Jetzt ist sie zum zweiten Mal Gründungsdirektorin, und das ihr zur Verfügung stehende Ausstellungsareal ist so groß wie das Untere Belvedere und die zugehörige Orangerie mitsammen. Ob sie da, ein Stück hoch im freien Raum ohne Zugriff der politischen Inferioritäten, ein Gefühl des Triumphs verspürt?"Eine gewisse Freude habe ich schon", räumt sie ein. Genugtuung auch, "ein wenig. Aber ich habe sie einer tollen Frau zu verdanken. Ohne Heidi Horten ist gar nichts, und daher richtet sich mein Dank in erster Linie an sie."

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Schauplatz des Gesprächs ist ein minimalistisch eingerichtetes Arbeitszimmer in der obersten Etage des Museums. Genau vis à vis hält die noch abwesende Heidi Horten ihr Büro, dessen Adjustierung weniger dem Design als antiker Gediegenheit verpflichtet ist. Die alten Ärgernisse? Ausgeräumt, verdrängt, sagt Agnes Husslein, zumal sechs qualifizierte Mitarbeiter, vom Kurator über die Pressesprecherin bis zum "facility management", vom Belvedere ins neue Museum gewechselt sind.

»Heidi Horten hat das seriös aufarbeiten lassen, es war ihr wichtig, hier Klarheit zu schaffen«

Schatten der Geschichte?

Als die entsprechenden Absichten der Milliardärin vor zwei Jahren bekannt wurden, artikulierte sich unverzüglich Widerspruch: Hat Helmut Horten sein Vermögen nicht anno 1936 durch Arisierung erworben? Die Witwe hat die Beantwortung der Fragen dem namhaften Historiker Peter Hoeres anvertraut, sein von der Stiftung zugänglich gemachtes Resümee ist ambivalent: Horten sei Nutznießer, aber kein Betreiber der Arisierung gewesen. "Heidi Horten hat das seriös aufarbeiten lassen, es war ihr wichtig, hier Klarheit zu schaffen", sagt Agnes Husslein. "Ich finde es traurig, dass man nicht etwa sagt:,Was für eine tolle, großzügige Frau, die ein Haus baut und für die Nachwelt eine großartige Sammlung öffnet!' Man müsste auf dem Boden liegend applaudieren, aber statt dessen thematisiert man etwas, das Jahrzehnte vor ihrer Hochzeit datiert und mittlerweile wissenschaftlich ausgeräumt ist."

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Jetzt ein Museum zu eröffnen, während die Konkurrenz ruinöse Publikumseinbrüche beklagt: Ist das nicht tollkühn? Und droht der einst von Touristenmassen bevölkerten Landschaft nicht die Dürre?"Es bedarf einer Energie, die Leute wieder in die Kulturinstitutionen zurückzuholen. Es braucht interessante Projekte, sonst gewöhnen sich die Leute dauerhaft daran, dass es auch ohne Kultur geht", verweist Agnes Husslein auf eigene interdisziplinäre Pläne im akustisch bestausgestatteten Haus. "Ein Großteil der Budgets kommt aus den Einnahmen, und wer nicht kreativ wird, dem wird das Publikum fehlen. Mein ehemaliger Mitarbeiter Peter Aufreiter hat im Technischen Museum volles Haus und findet genügend Sponsoren, weil er Ener gie und Ideen hat. Wer beides nicht hat, wird sich schwertun."

»Es fehlt insgesamt die Vision. Wo traut sich in den großen Museen jemand etwas? «

Ein kurzes Zögern nur, dann folgt die harsche Erläuterung. Sie betrifft Kollegen ebenso wie die Kulturpolitik der Stadt und des Bundes, deren Treffsicherheit bei Nachbesetzungen im Spitzenmanagement ausbaufähig erscheine. "Ich bin enttäuscht über die Entscheidungen, die da getroffen werden, in den Fokussierungen, wohin Geld fließt. Und es fehlt insgesamt die Vision. Wo traut sich in den großen Museen jemand etwas? Wer inspiriert die Menschen mit Ideen, wiederzukommen? Man geht auf ausgelatschten Pfaden weiter." Die Direktorin hat sich in Rage geredet. Wurde nicht am alten Dienstort, dem Belvedere, Klimts identitätsstiftender "Kuss" virtuell zerstückelt und, ein irrationaler Geschäftsvorgang, à 1.850 Euro in dubioser Kryptowährung veräußert? "Wenn man eine Idee hat, so ist es die, den ,Kuss' zu zerschnipseln und in NFTs zu verwandeln. Das sind die neuen Wege der Herrschaften, die etwas zu sagen haben."

Bestgelaunte Konklusio: "Es erweist sich immer mehr als Katastrophe, dass Politiker ohne Wenn und Aber Führungspersonal berufen können, ohne irgendwelche Rücksicht auf die Umstände einer Stadt, auf die Bedürfnisse des Publikums zu nehmen. Mein Mann und ich sind begeisterte Theatergeher. Aber wir haben nach 30 Jahren unser Abonnement am Akademietheater zurückgegeben", empfängt auch Martin Kusej Backpfeifen von der halben Mit-Kärntnerin.

Ein Haus erzählt

Unten in der Halle betätigt der junge Österreicher Constantin Luser für den Fotografen dröhnend seine 6,22 Meter hohe Installation "Vibrosauria", ein Urvieh aus 24 Blechblasinstrumenten, das sich bis in den ersten Stock wuchtet. Das alte "Stöckl" erzittert unter den Vibrationen, als fließe wieder Leben in das geschichtsstarre Mauerwerk. Hier hielten die Albertina-Betreiber, die zu Sachsen-Teschen, erst einen Pferdestall und dann eine der ersten Garagen der Stadt. Hier erwarben vor einer Ewigkeit Besucher der Bundestheater ihre Karten im Vorverkauf, ehe Staatsoperndirektor Ioan Holender in der Kassenruine ein äußerst selektiv frequentiertes Opernmuseum etablierte. Hier wollten Mäzene dem Holender-Nachfolger Dominique Meyer die Kinderoper finanzieren, berichtet der damalige Bundestheater-Vorstand Georg Springer. Ein nützliches Offert, doch der Aufsichtsrat wollte die attraktive Immobilie lieber für allfälligen Verkauf in Evidenz halten. Der wurde nach dem Finanzskandal um das Burgtheater in der Tat nötig, und so gelangte das "Stöckl" in Investorenhand. Bis Heidi Horten den Platz für gesegnet empfand und zulangte.

Im Herbst übrigens, lässt Agnes Husslein wissen, wird es nach dem minimalistischen Beginn bunt und spektakulär: Da wird der Gründerin unter dem Titel "Look" eine Art Personalie zugedacht, mit den persönlichen Lieblingsbildern und inszenierten Einblicken in ihre exquisite Couture.