Ghosting: Der grausame Weg, eine Freundschaft ohne Aussprache zu beenden

Sechs alarmierende Anzeichen dafür, dass ein Freund Sie loswerden möchte

Wer bislang dachte, Ghosting sei ein Phänomen, das nur Liebesbeziehungen oder launige Tinder-Affären beträfe, liegt falsch. Ghosting ist so alt wie die Menschheit selbst und kommt darum auch unter Freunden vor. Dabei wird die Freundschaft - ohne Aussprache - einfach beendet, was meist ein quälender Prozess ist, denn wer auf Facebook nicht (mehr) beim engen Freund mitlesen darf, bei Whatsapp nur noch blaue Häkchen sieht, aber vergebens auf Rückmeldung wartet, hegt mit der Zeit den - oft berechtigten - Verdacht: Ich bin nicht mehr erwünscht!

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Ghosting: Der grausame Weg, eine Freundschaft ohne Aussprache zu beenden

Die Wiener Psychologin und Psychotherapeutin Mag. Johanna Böhm-Schöller erklärt im Gespräch mit News.at das Dilemma von Ghosting unter Freunden: "Gerade in langjährigen Beziehungen kann Ghosting für die betroffene Person sehr schmerzhaft sein. Wer nach ein, zwei Tinder-Dates geghostet wird, kann das in der Regel gut verarbeiten und bald wieder neu durchstarten. Wenn allerdings eine Freundschaft, basierend auf tiefer Verbundenheit und gemeinsamen Erinnerungen, durch Ghosting beendet wird, hinterlässt das mitunter tiefe seelische Wunden."

Soweit, so deprimierend. Um nicht erst dann zu merken, was Sache ist, wenn in Ihrem Umfeld schon alle mit den Augen rollen ob der Naivität, mit der Sie an einer bereits verlorenen Freundschaft festhalten, finden Sie hier die größten Alarmzeichen dafür, dass Sie von ihren Freunden geghostet werden:

1. Keine gemeinsamen Werte mehr

Egal ob es die Kindererziehung betrifft, das politische Tagesgeschehen oder den Umgang mit Geld - Sie und Ihr früherer Seelenverwandter kommen sich andauernd über Kreuz. Entweder enden gemeinsame Treffen in einem handfesten Krach oder es tritt verbissenes Schweigen ein. So oder so, die Stimmung ist am Tiefpunkt. Kommt das öfter vor, können Sie sich ruhig mal fragen: Wie lange wird das noch gut gehen?

2. Ihrer beider Lebenswelten sind nicht mehr dieselben

Früher teilten Sie von der Unterwäsche bis zum Schummelzettel alles miteinander, jede Reise planten und erlebten Sie gemeinsam. Heute ist der eine verheiratet, hat Kinder und bewohnt ein nettes Reihenhaus am Stadtrand, während der andere sein Single-Leben liebt, emsig an seiner Karriere arbeitet und bei gemeinsamen Treffen in seiner schicken Innenstadt-Wohnung von den wahnsinnig wichtigen Business-Trips nach Genf, Stockholm und New York schwärmt. Kurzum: Sie treffen einander nur noch, weil Sie eine Vergangenheit miteinander teilen. Gegenwärtig schaut es bezüglich Berührungspunkten eher mau aus. Möglicherweise fragt sich Ihr Gegenüber bereits: Wäre ich mit diesem Menschen befreundet, wenn wir uns heute kennenlernen würden?

Freundinnen sitzen schweigend nebeneinander
© Shutterstock.com

3. Die Treffen werden unverbindlicher und öfter abgesagt

Sie schenken Ihrer Freundin zum Geburtstag einen Gutschein für ein gemeinsames Wochenende im Grünen. Doch besagter Gutschein wartet noch immer auf seine Einlösung. Sie verabreden sich für einen gemütlichen Tag miteinander – so wie früher. Letztlich wird daraus auf Wunsch der Freundin jedoch nur ein schneller Kaffee-Treff in der Mittagspause. Zudem ist die Kontaktaufnahme einseitig. Nur Sie melden sich, nur Sie bringen Vorschläge für gemeinsame Aktivitäten ein, nur Sie erkundigen sich nach dem Leben des anderen. Sprich nur Sie zeigen Interesse daran, die Freundschaft weiterhin am Laufen zu halten. Sollte es Ihnen so ergehen, werden Sie mit großer Wahrscheinlichkeit bereits geghostet.

4. In sozialen Netzwerken sind Sie nur einer mehr in der Freundesliste

Sie schreiben Nachrichten auf Whatsapp, diese werden zwar gelesen, auf sie reagiert wird aber erst spät und kurz angebunden oder gleich gar nicht. Anrufe oder SMS bleiben zunehmend ohne Reaktion. Auf Ihrer Facebookseite tut sich plötzlich nichts mehr. Es kommt der Verdacht auf, dass Sie für die meisten der Einträge Ihres Freundes blockiert sind. Obacht also, wenn der Online- bzw. Telefon-Kontakt fühlbar abnimmt. Dieser kann letztlich zur Gänze abbrechen: das Ergebnis des vollzogenen Ghostings.

5. Ihr Freund scheut die Aussprache

Ghosting ist der bequeme Weg, eine Freundschaft zu beenden. Wer den Kontakt langsam auslaufen lässt, muss nichts erklären. Haben Sie einen Freund, der Unstimmigkeiten gerne im Nirwana versickern lässt und offenen Aussprachen stets mehr oder weniger elegant ausweicht, sollten Sie sich bewusst sein: Es kann sein, dass er auch Sie auf eventuelle Ungereimtheiten zwischen Ihnen beiden nicht anspricht und sich stattdessen lieber mittels Ghosting aus der Affäre zieht.

6. Nicht jeder Rückzug bedeutet Ghosting

Ghosting ist vor allem darum ein tückischer Weg, einem guten Freund eine Abfuhr zu erteilen, weil sie nicht eindeutig als solche zu erkennen ist und den Abservierten mit vielen Fragezeichen zurücklässt. Böhm-Schöller warnt: "Nicht immer bedeutet der Rückzug eines Freundes automatisch, dass er zum Ghoster geworden ist. Betrachten Sie seine Lebensumstände: Hat der Freund sich neu verliebt, einen neuen Job angefangen, geheiratet oder ein Kind bekommen? In sich stark verändernden Lebensphasen ziehen sich Menschen oft zurück. Ihr Lebensmittelpunkt ändert sich und ein neuer Alltag nimmt sie vorübergehend voll und ganz in Anspruch. Es bleibt schlichtweg keine Zeit und Energie mehr übrig, sich intensiv der Freundschaftspflege zu widmen." In solchen Lebensphasen gilt es für gute Freunde abzuwarten und die Ruhe zu bewahren.

Alarmierend ist es jedoch, wenn wichtige Erlebnisse wie eine Hochzeit oder die Taufe eines neuen Familienmitgliedes ohne Sie stattfinden. Die Ausrede hierfür kann wie folgt lauten: "Weißt Du, wir feiern nur im engsten Kreis." Hier teilt Ihr Freund Ihnen immerhin deutlich mit, dass Sie nicht (mehr) zu ebendiesem Kreis gehören. Auch hier ist von Ghosting die Rede: Kommunikation findet statt, doch dient sie einzig dazu, den Abstand zwischen Ihnen und dem Ghoster zu vergrößern, ohne erklärend ins Detail gehen zu müssen.