Burnout-Prävention: Das können Firmen tun

Wie Unternehmen für weniger Stress am Arbeitsplatz sorgen können

Viele Menschen stehen vor dem Burnout oder sind gefährdet und die anhaltende Pandemie erhöht für viele den Druck weiter. Was können auch Arbeitgeber:innen hier tun, um die Arbeitskräfte zu entlasten und ein stressreduziertes Arbeitsumfeld zu schaffen? Doris Palz, Geschäftsführerin von "Great Place to Work Österreich" gibt Auskunft.

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Team © Bild: iStockphoto

Viele ArbeitnehmerInnen fühlen sich gestresst, in Zeiten wie diesen noch einmal mehr. Wie können Unternehmen ihre Mitarbeiter:innen hier unterstützen und eventuellen Burnouts vorsorgen?
Wenn es in Unternehmen eine Kultur des Miteinander gibt, dann hat man eine offene Kommunikationskultur und das ist die Grundlage allen Ent-stressens. Wenn ich also als Mitarbeiter:in weiß, dass ich mit meiner Führungskraft über belastende Situationen sprechen kann und mir auch selber – und da sind wir in der Eigenverantwortung – überlege, wie es denn gehen könnte, was ich eigentlich von meinem Arbeitgeber brauche. Also Klarheiten auf beiden Seiten zu schaffen ist wichtig.

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Gerade auch Eltern sind derzeit oft doppelt belastet. Wie können Firmen hier unterstützen? Und auch eine Balance finden, denn die Arbeit muss ja trotzdem gemacht werden...
Flexibilität ist, dort, wo es möglich ist, ein großes Thema. Gerade wenn man an Home Office und Home Schooling denkt, kennen wir Unternehmen, die sagen: Wir schauen, dass wir einen Lastenausgleich herbeiführen und bei denen die sich auch um Home Schooling kümmern müssen, auch einmal die Zeit reduzieren. Das kann entweder bei reduziertem Einkommen stattfinden oder auch bei gleich bleibendem Einkommen mit der Annahme: Wir werden den Ausgleich schon einmal in die andere Richtung auch schaffen.

»Wenn es in der Kultur nicht verankert ist, dass man sich gegenseitig vertraut und offen sein kann, dann ist es schwierig, überhaupt über Bedürfnisse zu reden«

Vertrauen spielt also eine große Rolle?
Es kommt auf die Kultur im Unternehmen an. Wenn es in der Kultur nicht verankert ist, dass man sich gegenseitig vertraut und offen sein kann, dann ist es schwierig, überhaupt über Bedürfnisse zu reden und dann ist es schwierig eine klare Kommunikation zu haben. Und zwar auch von der Unternehmensseite, etwa um zu sagen: Wir arbeiten an einem Projekt, das hat eine Deadline, wir brauchen also den Fortschritt. Das bedeutet dann, im Team ganz offen zu sprechen und zu klären: Wie schaffen wir das? Wer kann was dazu leisten? Wen überfordert es? Also es geht darum, ganz viel Kommunikation und Flexibilität hineinzubringen in dieser neuen Zeit, in der wir angekommen sind.

»Die Aufgabe von Führungskräften hat sich hin zu empathischen ZuhörerInnen gewandelt.«

Wie kann man diese offene Kommunikation schaffen? Wie schaffe ich als Chef:in ein Klima, in dem Mitarbeiter:innen zu mir kommen, um eine Lösung zu finden, bevor es zu spät ist?
Mehr als vor Corona hat sich die Aufgabe von Führungskräften hin zu empathischen ZuhörerInnen gewandelt. Also sie sind gefragt, zu beobachten und zuzuhören. Immer wieder anzuklopfen und neben der allgemeinen Floskel „Wie geht’s dir?“ wirklich in ein Gespräch einzutreten und Fragen zu stellen, die mit dem jeweiligen Arbeitsbereich zu tun haben. Zu fragen, wie etwa der Fortschritt ist, ob eine Unterstützung gewünscht ist und auch durchaus, ob es Elemente gibt, die stressen. Und gleichzeitig die Sicherheit zu geben, dass man da ist und dass man sieht. Klar ist das auch für Führungskräfte schwierig, wenn sie remote führen müssen. Man sieht ja nur einen Ausschnitt der Mitarbeiterin und das in einem sehr begrenzten Zeitraum. Um da ein Gefühl zu entwickeln, muss man die Mitarbeiter:innen schon ein bisschen kennen, um etwa in der Sprache, in der Gestik oder den Reaktionen zu erkennen, dass es Sinn macht, anzudocken und in ein weiterführendes Gespräch zu gehen.

Und noch etwas ist ganz wichtig: Die Mitarbeiter:innen wissen ja oft sehr gut, wie es gehen kann. Und wenn von ihrer Seite Vorschläge kommen, ist die Frage: Wie wird damit umgegangen? Werden sie ernst genommen? Wird versucht, sie umzusetzen? Das bringt Sicherheit. Und das brauchen die Menschen jetzt: Orientierung und Sicherheit. Wahrgenommen zu werden, dazuzugehören und gesehen zu werden.

Und dann geht es natürlich um den Teamgeist, dass sich etwa die Leute ohne Kinder zuhause nicht zurückziehen und sagen: "Das ist mein Arbeitsbereich und das erledige ich und damit ist es gut und dann mache ich mir einen schönen Tag." Sondern dass die vielmehr in ihrer Solidarität sagen: "Wir sind belastbarer als ihr, wir greifen ein Stückchen mehr zu."

Viele haben das vielleicht jetzt über zwei Jahre lang gemacht, ein Stück mehr zugepackt. Aber niemand weiß, wann diese Krise vorbei sein wird, wie kann man diesen Spagat hinbekommen?
Die gleiche Antwort: Darüber reden. Die können dann natürlich genauso sagen, dass sie an die Grenzen dessen kommen, was für sie noch gut ist.

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Wenn man als Chef:in nun den Verdacht auf Burnout bei einem/einer Mitarbeiter:in hegt, sollte man das aktiv ansprechen? Wie geht man hier am besten vor?
Eigentlich sollten solche Gespräche ja nicht erst zu dem Zeitpunkt stattfinden, sondern schon vorher. Wenn wir aber dann erkennen, dass jemand schon in einer Burnout-Spirale drinnen ist, dann fallt es mir vermutlich als Chef:in schon relativ schwer, hier eine Intervention zu tätigen, die noch greifen kann. Alles was ich tun kann, ist, zu schauen, wo kann ich entlasten und offensiv Coachings anbieten. Externe Hilfe anbieten, um hier schnellstmöglich einen externen Halt zu bieten, damit der Boden unter den Füßen wieder ein stabilerer wird.

Es gibt in vielen Unternehmen Betriebsärzte/Betriebsärztinnen, gibt es eigentlich auch viele Betriebspsycholog:innen? Und wäre das sinnvoll?
Nein, viele gibt es nicht, aber was Unternehmen mehr und mehr machen, sind Distance Programme zu installieren. Das ist für die Mitarbeiter:innen noch einmal ein Stück mehr an Angebot weil es nicht nur auf psychologische Unterstützung abgestellt ist, sondern alles Mögliche, was belastend sein kann. Außerdem ist das wirklich eine externe anonyme Einrichtung, wo mit Sicherheit kein Reporting an den Arbeitgeber erfolgt.

Also ist es besser, das extern auszulagern?
Ja, wir haben das etwa bei Unternehmen gesehen, die betriebliche Sozialarbeit angeboten haben, dass die wieder davon abgegangen sind und hin zu sogenannten „Employee Assistance Programmen“. Damit haben sie dann ganz gute Ergebnisse erzielt, weil diese wirklich eine Entlastung für die Mitarbeiter:innen darstellen.

Können sich Unternehmen für dieses Engagement irgendwo Unterstützung suchen, gibt es hier spezielle Programme? Sowohl finanziell als auch, was die Implementierung betrifft?
Gertrude Steinkellner-Reisinger von der WKO beantwortet diese Frage:
Bei unten stehenden Stellen können sich Unternehmen informieren, besonders hinweisen möchte ich auf "Wir machen Gesundheit - WKO.at" mit österreichweiten Initiativen.

» Eine Belastung wie vor einem Burnout sollte man nach der Rückkehr nicht erwarten. «

Ist ein/e Mitarbeiter:in von Burnout betroffen gewesen und kehrt nun wieder zurück. Was gilt es aus Arbeitgeber:innen-Sicht hier beim Wiedereinstieg zu beachten?
Ich glaube, dass nach Burnout die Verletzlichkeit nach wie vor eine hohe und die Gefahr, dass man wieder hineinschlittert nicht zu unterschätzen ist. Eine Belastung wie vorher sollte man also nicht erwarten. Wichtig ist, Rücksicht zu nehmen und auch in die Zeit davor schauen, welche Muster dieser Mensch hat.

Es gibt ja genug, die vortäuschen, dass alles gut ist, aber daneben bröckelt es schon. Das sehe ich als Führungskraft darin, dass leichte Fehler passieren, dass Termine nicht eingehalten werden, etc. Da sind Führungskräfte sehr gefordert, aber auch die Teams, denn wenn jemand aus dem Burnout zurückkommt, kann es sein, dass diese Person sich selbst nicht mehr als vollwertiges Teammitglied sieht.

Und auch hier ist wieder ein offener Umgang damit wichtig, also zu benennen, was hier passiert ist, nämlich Burnout. Aber auf eine sehr dezente Art und Weise, ohne denjenigen auf ein Podest zu stellen, sondern wirklich zu besprechen, wie man als Team damit umgeht, was man tun kann und wie man es schafft, dass der Weg zurück für diese Person ein angenehmer, guter und fröhlicher ist. Weil je mehr Fröhlichkeit in einem Team ist, desto lockerer kann man über alles reden.