Doris Felber: "Wunder gibt es immer wieder"

Die Bäckerei-Chefin Doris Felber sprach vom Topfengolatschennageln und wurde arg verspottet. Heute liebt ganz Österreich die Frau, denn sie weiß, wie man sich gegen das Schicksal stemmt

von Bäckerei-Chefin - Doris Felber: "Wunder gibt es immer wieder"
© Bild: Copyright 2020 Matt Observe - all rights reserved.

Sie ist die Art Frau, die zum Abschied spontan den Arm hebt und winkt. Mit flottem Schritt geht Doris Felber über den Parkplatz zurück zur Zentrale der Großbäckerei, die sie in den vergangenen bald drei Jahrzehnten mit aufgebaut hat. Die Bäckerei Felber beschäftigt 440 Mitarbeiter, zählt 50 Filialen und machte zuletzt 25 Millionen Euro Umsatz. Ihre 57 Jahre sieht man der zierlichen, lässig-schick gekleideten Frau in grauen Jeans und rosa Jacke nicht an. Ebenso wenig die Last auf ihren Schultern. Nur kurz ist Verzweiflung in ihrem Blick, als sie beim Besuch einer Filiale die halbleeren Brotregale zur Kenntnis nimmt. Der Umsatz ist um 80 Prozent eingebrochen. Katastrophal. Doch Doris Felber hat schon ganz andere Katastrophen überstanden.

»Man muss alles probieren. Bis zum Schluss. Wenn es doch nicht geht, hast du eine neue Idee«

Anpacken ist ihr Motto. Wenn sie eine Chance sieht, ergreift sie diese. Zuletzt war es die Öffnung der Baumärkte, die als Erste nach den flächendeckenden Schließungen aufsperren durften und auch Felber-Filialen beherbergen. Ein Werber schlug ihr vor, ein Video aufzunehmen, um den Heimwerkern auch Lust auf den Brotkauf zu machen. "Ich muss das Video unbedingt selbst machen, haben sie gesagt", erzählt Felber. Sie hätte auch einer der "vielen feschen Mitarbeiterinnen, die wir haben" gerne im Video gesehen. Das Ergebnis sorgte für Aufruhr im Internet. "Streichen Sie ein Österreichbrot", sagt Felber in dem Kurzfilm. Und auch: "Nageln Sie sich in der Pause eine Topfengolatsche." Sie wollte gar nichts Zweideutiges sagen, erzählt die Unternehmerin. Doch irgendwann beim dreistündigen Videodreh, den die Kinder besorgten, dachte sie, egal, die Heimwerker werden wohl verstehen, worum es geht.

Vom Shitstorm in die Zukunft

Der Shitstorm war groß. "Die Felber blamiert sich selber" war noch ein freundlicher Kommentar. "Das haben sie mir einen ganzen Tag verheimlicht. Niemand traute sich, der Chefin zu sagen, was sich da online zusammenbraute. Die Tochter wagte es schließlich. "Das hat mich schon tief getroffen. Was haben die Leute denn für eine Meinung von uns Unternehmern, wo wir doch Tag und Nacht arbeiten?", fragt sie sich ungläubig beim News-Gespräch in der Bäckereizentrale im 22. Wiener Bezirk. Hier hat sie mit ihrem dritten Mann, Franz Felber, auf die grüne Wiese gebaut. Eine wichtige Unterschrift für das Bauvorhaben holte sie am Tag der Geburt ihrer Tochter Stephanie, heute 20 Jahre alt. Es war eine Frühgeburt. Nicht einfach. Die Söhne Florian, heute 34, und Sebastian, heute 33, die sie in die Ehe mitgebracht hatte, waren noch klein. Dann kam noch Franz Josef, heute 18. "Sie sind hier aufgewachsen. Ich war oft unten und weiß noch, wie sich das Trappeln angehört hat auf den Stufen. Da wusste ich, jetzt kommen die Kinder, jetzt brauchen sie mich auch."

Wie sich Themen in der virtuellen Welt verselbstständigen, ist nun wirklich nicht ihr Ding. "Mein Handy ist mein Minicomputer, den ich zum Arbeiten brauche. Mit Likes und Followern habe ich doch nichts am Hut. Die kommen ja nicht in die Filialen und kaufen Brot", sagt sie. Die Stimmung nach dem Shitstorm drehte sich, nachdem Doris Felber auf Rat einer Mitarbeiterin ein zweites Video drehte, in dem sie auf die bösen Postings einging. "Jetzt hat sie mich, die Felber!", war darauf die großteils positive Meinung der Online- Community. Der Zuspruch macht ihr Mut, sagt Doris Felber. "Es hilft, den Fokus auch auf etwas anders zu richten. Man wird ja verrückt, wenn man jetzt die ganze Zeit nur auf die Zahlen schaut. Ich kümmere mich jetzt um den Blick nach vorne."

»Du brauchst eine positive Einstellung zu dir selbst und zum Leben«

Schicksalsschläge überwinden

Ihren positiven Blick aufs Leben hatte die Unternehmerin, die einst als jüngste Frau mit dem Titel Kommerzialrat geehrt wurde, schon immer. Sie erinnert sich an den Deutschlehrer, der sie nach einem "Fetzen" vor der ganzen Klasse erniedrigte und meinte, nur eine Wunder könne sie retten. "Wunder gibt es immer wieder, habe ich gesagt und auf die nächste Schularbeit einen Einser geschrieben." Als Landwirtstochter ist sie in Groß-Enzersdorf aufgewachsen und machte eine kaufmännische Ausbildung. Zwölf Jahre lang arbeitete sie in der Bäckerei Müller &Gartner bei ihrer Tante und war Mitbegründerin von "Resch & Frisch". Mit 30 Jahren lernte die geschiedene zweifache Mutter beim Radfahren in Willi Dungls Gesundheitshotel den Bäckereiunternehmer Franz Felber kennen.

© Copyright 2020 Matt Observe - all rights reserved. Doris und Franz Felber in der Firmenzentrale ihrer Großbäckerei

"Er war frisch getrennt. Als wir nach einem Jahr zusammengekommen sind und er geschieden war, waren natürlich Schulden da. Wir haben gewusst, wir müssen Gas geben", erinnert sie sich. "Gut haben wir das gemacht", stellt sie fest, als Franz Felber zufällig zum Gespräch stößt und gerne für ein gemeinsames Foto posiert. Er lacht dabei: "Wie gut, dass die Tochter mir gestern noch die Haare geschnitten hat." Die beiden blicken noch in dieselbe Richtung, das merkt man.

Dabei ließen sie sich auch helfen. Der 70-jährige Franz Felber ging in Pension und studierte jahrelang Philosophie. Nun arbeitet er schon länger wieder mit, bäckt sonntags selbst Brot und kümmert sich um die Qualität der Ware. Damit die Übergabe der Firma an Mehrheitseigentümerin Doris die Liebe nicht trübte, besorgte Frau Felber ein Imago-Coaching. Felber: "Natürlich ist das nicht einfach für einen Mann, sein Lebenswerk an die 14 Jahre jüngere Frau zu übergeben." Sie weiß Dinge anzupacken, wenn Probleme drohen.

Dass Schicksalsschläge in guten Lebenslehren münden, sieht die Unternehmerin vorsichtig. Ihr Sohn Florian war 21 Jahre alt, als er verunglückte, heute sitzt er im Rollstuhl und ist als Herausgeber des Inklusions-Magazins "Valid" erfolgreich. "Ich habe damals gedacht, meine Welt bricht zusammen", sagt sie. Natürlich denke man nach Schicksalsschlägen übers Leben nach, aber ob man sich deshalb zum Positiven verändert, lässt sie dahingestellt.

Drei Jahre nach dem Unfall des Sohnes hatte sie ein Aneurysma und wurde von Ärzten als ewiger Pflegefall diagnostiziert. Sie kämpfte sich monatelang zurück und ist heute sicher, damals ein schweres Burnout gehabt zu haben. Auf einer Reise nach Indien schöpfte sie Kraft. Die erlernten Praktiken von Ayurveda und chinesischer Medizin praktiziert sie bis heute. "Du brauchst eine positive Einstellung zu dir selbst und zum Leben. Vielleicht habe ich die, weil ich Zwilling im Sternzeichen bin", resümiert sie.

Sich selbst loben lernen

Sie haben gelernt, sich selbst auf die Schulter zu klopfen, wenn etwas gelingt. "Sonst kannst du lange warten, bis dich wer lobt", sagt sie. Wenn sie sich belohnen wollte, setzte sie sich in der Zeit vor Corona ins Auto. "Dann bin ich in die Stadt gefahren und habe mir im 'Schwarzen Kameel' einen Aperolspritzer gekauft." Sie nennt es "sich Zeit stehlen".

Die Zeit vor der Krise ist freilich weit weg und Doris Felber Realistin. "Es wird nichts wieder, wie es vorher war. Ich konzentriere mich jetzt darauf, neue Wege zu finden", sagt sie. Sie hofft, dass die Kunden künftig bewusst ihre Einkäufe in Österreich erledigen und Nahversorger wie Fleischer, Blumenhändler und - ja -Bäcker wieder schätzen.

So macht sie weiter, denn Ärger fühlt sie nur, wenn jemand sagt: Das geht nicht. "Dann sage ich: Man muss alles probieren. Bis zum Schluss. Wenn es doch nicht geht, hast du am Ende eine neue Idee. Die kommt aber nur, wenn man vorher alles probiert hat."

Dieser Artikel erschien ursprünglich in der News Ausgabe Nr. 17/20

Kommentare