AMAs Schwein

Tierschützer deckten in den vergangenen Wochen Missstände in zwei Schweine-Mastbetrieben auf. Es handelte sich um AMA-zertifizierte Höfe. Seither herrscht Unsicherheit bei der Käuferschaft. Was ist drin, wenn AMA draufsteht? News besuchte einen Landwirt, dessen Schweinefleisch mit dem Gütesiegel gekennzeichnet ist. Seine Tiere stehen auf Vollspaltenböden und bleiben im Stall. Muss das wirklich sein?

von AMAs Schwein © Bild: Ricardo Herrgott/News

Die ausgezeichnete Schweineindustrie verbirgt sich hinter einer unscheinbaren Holztür. Landwirt Christian H. öffnet sie und steht in einem gefliesten Vorraum mit Dusche und Waschbecken. Der 30-Jährige trägt einen grünen Overall und ein passendes Basecap, auf denen jeweils der Name eines Futterherstellers prangt. An seine Gäste verteilt er Einteiler aus Plastik und Schuhüberzieher, zum Schutz der Tiere vor Keimen, wie er erklärt. Dann geleitet er seine Entourage in den Stall. Ein langer Flur mit grauen Wänden, vielen Metalltüren und kleinen Fenstern liegt vor Christian H.. An der Decke hängen Leuchtstoffröhren und ein Netzwerk von Schläuchen, die in unterschiedliche Räume führen. Die Lüftungsanlage dröhnt, es ist warm und stickig. Christian H. öffnet eine Metalltür. Diese Kammer zeigen der Eigentümer und die zwei Vertreter der Agrarmarkt Austria Marketing, bekannt als AMA, an diesem Juli-Vormittag gerne her. Denn Letztere haben seit Monaten ein Imageproblem. Jetzt wollen sie ihre Transparenz beweisen, indem sie News Einblick in einen Schweinestall gewähren, aus dem das Fleisch stammt, das mit dem AMA-Gütesiegel ausgezeichnet ist.

Anfang April veröffentlichte der Verein gegen Tierfabriken (VGT) Videomaterial aus einem Schweinemastbetrieb in Kärnten, der Fleisch mit dem rot-weiß-roten Gütesiegel verkauft hatte. Das Video, das den Tierschützern zugespielt wurde, zeigte Schweine mit abgebissenen Schwänzen und entzündeten Augen. Nur zwei Monate später, im Juni, wurde der nächste Skandal publik. Wieder veröffentlichte der VGT ein Video aus einem Schweinemastbetrieb, dieses Mal aus dem niederösterreichischen Korneuburg. Wieder zeigten die Aufnahmen verletzte und sogar tote Tiere, wieder handelte es sich um einen AMA-zertifizierten Betrieb.

Das Imageproblem der AMA

Danach versuchten die Verantwortlichen, den Schaden zu begrenzen. Die AMA distanzierte sich von den Zuständen, sie sperrte sofort die Betriebe für ihr Gütesiegel und kündigte finanzielle Sanktionen an. "Wenn in den nächsten Wochen nochmal so ein Video vom VGT veröffentlicht
wird, können wir alle zusammenpacken", sagt eine Pressesprecherin der AMA. Nach dem Fall in Korneuburg habe sie an die 200 E-Mails allein in zwei Tagen erhalten. Viele wollten daraufhin wissen: Ist das AMA-Gütesiegel überhaupt etwas wert?

Die Familie H. hält seit 47 Jahren Schweine in der Nähe von Sankt Pölten, Niederösterreich. Als Christian H. den Betrieb im Jahr 2017 von seinem Vater übernahm, sei ihm die Entscheidung, die Schweinehaltung auszubauen, nicht schwergefallen. Während sein Vater nur Ferkel züchtete, plante Christian H. größer. Er träumte von einem geschlossenen Betrieb: also der Möglichkeit, dass die Schweine in seinem Stall geboren, aufgezogen und gemästet werden, bis der Schlachter sie holt. Doch dafür brauchte Christian H. einen neuen Stall, weil der alte Betrieb für ein ganzes Schweineleben nicht ausgelegt war.

© Ricardo Herrgott SCHWEINEHALTER. Christian H. verkauft im Jahr etwa 1.500 Mastschweine an den Schlachter. Bis es so weit ist, kostet ihn ein Tier mindestens 210 Euro. Sein Abnehmer zahlt ihm im Durchschnitt 240 Euro. Das ist eine knappe Rechnung für den Bauern

Der Landwirt wägte ab, ob er einen herkömmlichen Stall bauen sollte oder einen, der den Tieren mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben bieten könnte. Er träumte sogar von einem Auslauf für seine Schweine und weiche Flächen mit Stroh. "So eine Produktion hat höhere Kosten und deshalb brauchte ich einen Abnehmer, der sich bereit erklärte, das zu bezahlen, sonst wäre mein Betrieb nicht mehr wirtschaftlich", sagt Christian H.. Er verhandelte mit mehreren Handelsketten, doch keine, sagt er, habe ihm feste Zusagen machen können. Christian H. war enttäuscht. Er entschied sich, einen Mittelweg zu gehen. Er baute einen Stall, der über den gesetzlichen Standards lag, was den Platz der Tiere betraf, verzichtete allerdings auf einen Auslauf. Das entsprach den Richtlinien der AMA. Die besagen im Wesentlichen, dass das Schwein in Österreich geboren, gemästet, geschlachtet und zerlegt wird. Und dass das Tier mindestens 10 Prozent mehr Platz im Stall hat als gesetzlich vorgeschrieben - das sind 0,07 Quadratmeter mehr Fläche. Seit 2019 wird im Betrieb von Christian H. nach den Kriterien des AMA-Gütesiegels produziert.

Im November 1993 stellte der damalige Landwirtschaftsminister Franz Fischler (ÖVP) das neue Zeichen für Lebensmittel vor. Die Aufgaben der AMA wurden gesetzlich festgeschrieben: Das Sichern der Qualität von Lebensmitteln, das Fördern des Verkaufs von heimischen Produkten und das Vermitteln von verbraucherrelevanten Informationen. Im Zuge des österreichischen EU-Beitritts entwickelte sich daraus 1995 die Marketingabteilung der AMA, die bis heute für das Gütesiegel verantwortlich ist. "Die Idee war, österreichische Produkte besser zu vermarkten als Produkte aus dem Ausland", sagt Sebastian Theissing-Matei, Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace Österreich. "Es bestand die Sorge, dass heimische Produkte aus dem Markt gedrängt würden, weil es woanders günstiger sei." Das AMA-Gütesiegel sei also entwickelt worden, um heimische Produkte für die Konsumenten sichtbar zu machen.

Die Wahrheit hinter der Werbung

Die Käufer scheinen ein falsches Empfinden dafür zu haben, wofür das AMA-Gütesiegel steht: VIER PFOTEN und der Konsumentenschutz der AK OÖ veröffentlichten im vergangenen Jahr eine Umfrage unter 1.000 Verbrauchern. 92 Prozent der Befragten gaben an, es zu kennen. 48 Prozent waren überzeugt, dass Schweine im AMA-Gütesiegel Programm Auslauf im Freien und allgemein ausreichend Platz hätten. 40 Prozent meinten, dass AMA-Schweine auf Stroh liegen, und 39 Prozent glaubten, dass Vollspaltenböden verboten seien.

»Die Idee war, österreichische Produkte besser zu vermarkten als Produkte aus dem Ausland«

Sebastian Theissing-Matei, Greenpeace Österreich, über die AMA

Die Wahrheit schaut anders aus. Hinter einer der vielen Metalltüren in Christian H.s moderner Industriehalle mästet der Landwirt vier Wochen alte Ferkel. Eine Muttersau ist nicht dabei. Die Schweine stehen im Halbdunklen in vier Gehegen, die im Fachjargon Buchten genannt werden. Durch drei kleine Fenster fällt ein wenig Tageslicht. Als Christian H. den Lichtschalter betätigt und in seinen weißen Gummistiefeln den Raum betritt, drängen sich die Ferkel in eine Ecke. Ihre Hufe klackern über eine Betonfläche, die Rillen hat: ein sogenannter Vollspaltenboden. Darunter werden die Fäkalien gesammelt, die Christian H. als Dünger für seine Felder einsetzt. Eine Lüftungsanlage sorgt dafür, dass es nicht stinkt. Weiche Liegeflächen aus Stroh gibt es hier nicht. Den Alltag seiner Schweine beschreibt der Landwirt als monoton. Dreimal am Tag bekommen die Tiere etwas zu fressen. Dafür schießt eine Suppe aus einer Futtermischung und Wasser durch die Rohre in die Tröge. Alles völlig automatisch und hochtechnisiert. Die Leitungen sind mit Silos verbunden, die in einer anderen Kammer stehen. Die Aufgabe des Landwirt besteht darin, am Computer die richtige Futtermischung anzugeben, den Rest machen die Maschinen. Er kontrolliere zudem zweimal am Tag jedes Stallabteil und überprüfe dabei die Lufttemperatur und Luftqualität bei den Tieren. "Die meiste Zeit schlafen die Schweine", sagt Christian H.. Er bietet ihnen in jeder Bucht zwei Beschäftigungsmaterialien an. Das eine ist ein Stück Holz an einer Metallkette, das andere ein gelber Gummistern an einer Metallkette.

Etwa 45 Ferkel leben in einer Bucht. Ihre Schwänze hatte Christian H. mit einer heißen Zange abgeklemmt, nachdem ein Schwein ein anderes gebissen hatte. Dafür habe er ihnen Schmerzmittel verabreicht. Jedes Tier hat bei Christian H. 0,85 Quadratmeter Platz. Das ist weniger Fläche, als man es von einer herkömmlichen Telefonzelle kennt. Trotzdem liegt es über dem gesetzlichen Niveau, das in Österreich 0,7 Quadratmetern für ein Schwein vorsieht.

Der Kostendruck des Bauern

Am Ende des grauen Flurs lagert der Rohstoff, der Christian H. derzeit am meisten Sorge bereitet. Der Schweinehalter zeigt auf die riesigen runden Speicher, in denen sich Getreide, Mais und Soja für die Tiere befinden. "Die Futterkosten sind der größte Kostenblock mit 120 Euro pro Mastschwein. Tendenz stark steigend", sagt Christian H.. Dazu kämen Kosten für die Aufzucht der Ferkel, die rechne jeder Landwirt extra, sie längen bei etwa 90 Euro pro Tier. Das bedeutet, bis Christian H. ein Schwein verkaufen kann, muss er etwa 210 Euro einkalkulieren. Da seien Fixkosten, zum Beispiel für die Energie, noch nicht miteingerechnet. Der Schlachtbetrieb zahle ihm 240 Euro pro Tier. "Man erkennt schnell, dass das eine knappe Rechnung ist", sagt H.. Deshalb sei für seinen Betrieb das Gütezeichen überlebenswichtig.

Zum einen, weil die AMA-Werbung dafür sorge, dass die Verbraucher das Schweinefleisch auch aus H.s Betrieb kaufen und auf der anderen Seite, weil der Landwirt dafür einen Zuschuss bekommt. 6,7 Cent für ein Kilo Schweinefleisch erhält er von seinem Abnehmer, also einem Schlachtbetrieb. Christian H. sagt, er brauche aktuell jeden Cent.

© Ricardo Herrgott SCHWEINESTALL. Zweimal am Tag überprüft Christian H. jedes Stallabteil. Er kontrolliert die Luftqualtität und stellt am Computer die richtige Futtermischung zusammen

Einen Kostenpunkt hat Christian H. nicht angesprochen. Nämlich den Beitrag für die AMA-Werbung. Jeder Landwirt, jeder Verarbeitungsbetrieb in Österreich ist gesetzlich verpflichtet, für das Marketing der AMA Geld zu bezahlen. Die AMA finanziert sich über diese Beiträge und erhält zusätzlich Fördermittel aus der EU. Im Jahr 2020 bezahlten die österreichischen Bauern 18.953.000 Euro an die AMA. Auch dann, wenn ihr produziertes Fleisch kein Gütesiegel trägt, so wie bei Norbert Hackl. Der 49-Jährige ist Bio-Bauer und Fleischverarbeiter, und auf seinen Produkten klebt nicht das AMA-Gütesiegel, sondern das grün-weiße EU-Bio-Logo.

Norbert Hackl steht mit kurzer Hose, Poloshirt und Trekkingschuhen mitten auf einem Acker in Burgau in der östlichen Steiermark. Vor 20 Jahren hat er hier begonnen, mit der konventionellen Schweinehaltung zu brechen. Damals wurde er Vater, seine Frau kaufte nur noch Bio-Lebensmittel, um Brei für die Kleinkinder zu kochen, und das Ehepaar fragte sich, warum man eigentlich nicht selbst als Bio-Bauern tätig werde. Norbert Hackl informierte sich, kaufte mehr Land und die ersten Schweine aus Deutschland, die widerstandsfähig genug waren, um im Freien zu leben. Ihr Fleisch verkaufte er zunächst auf seinem Bauernhof. Mittlerweile mästet er im Jahr 800 Tiere und bietet ihnen dafür eine Fläche von 300.000 Quadratmetern Ackerland, das sind mehr als 42 Fußballfelder. Er schlachtet selbst, betreibt ein Geschäft mitten im Ort, verkauft seine Produkte über eine eigene Online-Seite. Neuerdings hat auch ein Online-Supermarkt sein Fleisch im Sortiment.

Niemand muss Fleisch essen

So etwas wie einen Stall findet man bei Norbert Hackl nicht. In den weitläufigen Gehegen, die am Rande eines Waldes liegen, stehen Holzverschläge, unter denen Ferkel dösen. Eine Mutter-Sau suhlt sich nebenan in einer Matsch-Pfütze. Norbert Hackl wirft den Schweinen Äpfel hin, um sie für ein Foto herauszulocken. "Wir machen das, um aufzuzeigen, wie Schweinehaltung funktionieren kann, wenn man den Preis verlangt, den Fleisch halt braucht. Wer sagt denn, dass wir billiges Fleisch brauchen? Wer sagt denn, dass wir überhaupt Fleisch brauchen?", fragt Norbert Hackl. Er plädiert dafür, Fleisch als Luxus anzuerkennen und weniger davon zu essen.

Ein langes Leben hat seinen Preis

Das Fleisch seiner Schweine kostet dreimal so viel wie das Fleisch, das mit dem AMA-Gütesiegel gekennzeichnet ist. Warum? Bei Norbert Hackl lebt ein Schwein fast ein Jahr und damit fast doppelt so lang wie in einem konventionellen Schweinebetrieb. Weil sich das Tier auf dem Acker viel mehr bewege, brauche es länger, um zuzunehmen und das allgemeingültige Schlachtgewicht von 120 Kilo zu erreichen. Ein langes Schweineleben hat seinen Preis. Norbert Hackl sagt, dass ein Großteil seiner Arbeit im Marketing stecke. Um die Klientel von seiner Arbeit zu überzeugen, legte er einen Wanderweg rund um seine Weiden an. Dort montierte er Schilder mit QR-Codes, die Interessierte mit ihren Handys scannen können, um so einen Audio-Guide zu öffnen. Auf dem erzählt Norbert Hackl alles über die Entstehung seines Bio-Hofes und welche Bedürfnisse Schweine haben.

© Ricardo Herrgott BIO-BAUER. Bei Norbert Hackl gibt es keinen Stall, sondern nur Holzverschläge. Seine 800 Schweine leben auf 300.000 Quadratmetern Ackerland. Um die Weiden herum hat Hackl Wanderwege angelegt, um Interessierten Einblick in das Leben seiner Schweine zu gewähren

Ohne Werbung scheint es auch auf einem Bio-Hof nicht zu gehen. Norbert Hackl meint, dass er in Wahrheit das mache, was die Aufgabe der AMA sei: die Menschen über Tierhaltung und Preise aufzuklären und sie davon zu überzeugen, weniger Fleisch zu kaufen. Aber das, meint Norbert Hackl, sei der Grund, warum es der AMA in Wahrheit nicht um Tierwohl gehe, auch wenn sie das die Käufer glauben lasse. "Für mich ist die AMA ein Parallelobjekt, das versucht, die konventionelle Landwirtschaft konsumentenfreundlich darzustellen, unter Berücksichtigung der Bedürfnisse der Politik, nicht der Tiere."

Das Problem, warum die AMA die Zustände in den Mastbetrieben zu tolerieren scheint, könnte daran liegen, dass sie den Kunden nicht vermitteln darf, weniger Fleisch zu kaufen. Denn die AMA wurde ja gegründet, um das österreichische Fleisch an den Mann bzw. die Frau zu bringen. Das Schwein beißt sich an dieser Stelle selbst in den Schwanz.

Schuld sind die anderen

Dass es zwischen der konventionellen Haltung und Bio eine Marktlücke gab, hat die AMA vor Jahren erkannt. Während der Handel versuchte, diesen Gap mit eigenen Tierwohl-Logos zu füllen, etwa dem JA!Natürlich-Schweinchen, entwickelte die AMA Zwischenstufen und warb mit einer Art Haltungs-Pyramide. Auf der untersten Ebene steht das AMA-Gütesiegel, darüber zwei sogenannte Tierwohl-Stufen und ganz oben befindet sich das AMA-Bio-Zeichen. Je nach Tierwohlstufe erhält ein Schwein bis zu 1,4 Quadratmeter Platz. Ein Vollspaltenboden ist bei diesen Stufen verboten, allerdings darf ein Bereich aus Spalten bestehen. Teilweise wird den Tieren Auslauf gewährt, teilweise dürfen Kastrationen nur unter Vollnarkose vorgenommen werden, teilweise dürfen die Schwänze nicht mit einer heißen Zange abgeklemmt werden, alles je nach Stufe.

»Die AMA könnte helfen, wie sie es bei den Legebatterien getan hat«

Martin Balluch, Tierrechtsaktivist beim VGT

In Österreich werden pro Jahr fünf Millionen Schweine geschlachtet. Davon kommen 2,1 Millionen aus der AMA-Gütesiegelproduktion, 100.000 aus den AMA-Tierwohl-Programmen und 150.000 sind Bio-Schweine. Die AMA betont, dass sie den Anteil der Schweine mit besseren Haltungsbedingungen bis 2030 gerne erhöhen würde. Auf eine Million. Das gehe aber nur, wenn der Handel und schlussendlich der Konsument mitziehe.

Das klingt, als wäre die Verbraucherschaft schuld, dass die meisten Mastbetriebe aus systematischen Stallbauten bestehen und auf Effizienzsteigerung getrimmt sind. Die Arbeiterkammer sieht die Politik in der Verantwortung. "Wir verlangen schon seit Jahren ein Gütezeichengesetz, das hier klare gesetzliche und damit verbindliche und für alle gleiche Vorgaben macht und einige wenige, aber verlässliche Zeichen ermöglicht", sagt Petra Lehner, die in der Arbeiterkammer Wien für den gesundheitlichen Verbraucherschutz zuständig ist. Sie meint, dass die Verbraucher keine echten Wahlmöglichkeiten hätten, um entscheiden zu können. Aber der politische Wille zur Umsetzung dafür fehle. "EU rechtlich ginge das problemlos und den Zusatzaufwand zur Absicherung besonderer Qualitäten kann man aus den EU Agrarfördermitteln subventionieren", sagt Petra Lehner. Aktuell profitiere davon fast ausschließlich die AMA.

© Ricardo Herrgott WERTVOLLER TIERBESTAND. Bei Norbert Hackl lebt ein Schwein fast doppelt so lang wie in einem konventionellen Schweinebetrieb. Das hat seinen Preis. Das Fleisch dieser Tiere kostet dreimal so viel wie das Fleisch, das mit dem AMA-Gütesiegel gekennzeichnet ist

Auf dem Weg zu einer Lösung

Auch Tierschutzorganisationen wie Greenpeace Österreich, Vier Pfoten und der VGT fordern seit Langem eine transparente Kennzeichnung der Haltungsform auf Fleisch. Ob die nun gesetzlich vorgeschrieben ist oder vom Handel selbst definiert, sei im ersten Schritt egal, solange die Kennzeichnung gut gemacht sei, sagt Sebastian Theissing-Matei, der Landwirtschaftsexperte bei Greenpeace. Bisher sei das AMA-System jedenfalls nicht transparent genug.

Er schlägt eine vom Siegel unabhängige Bewertung vor, die wie eine Art Ampelsystem funktioniert, im Rahmen von dunkelgrün bis dunkelrot. Die Skala müsse auf dem Produkt abgedruckt sein und das Zutreffende solle angezeichnet werden. Damit könnten die Verbraucher auf den ersten Blick erkennen, unter welchen Bedingungen ein Tier gelebt hat. Dass es in jedem Fall diese Zwischenschritte bei den Haltungsbedingungen geben muss, sagt auch der Tierschützer. Weder Bauern noch Konsumenten könnten so schnell auf Bio umstellen. Doch mit genau diesen Zwischenschritten habe die AMA in Wahrheit ein Problem, sagt Sebastian Theissing-Matei. "Die AMA hat den Zwiespalt, dass sie ein Interesse hat, ihr Gütesiegel-Fleisch als möglichst gut darzustellen. Wenn die AMA ein transparentes System entwickeln würde, dann müsste sie ihr Schweinefleisch dunkelrot kennzeichnen."

Der Tierrechtsaktivist Martin Balluch vom VGT sieht die AMA in der Verantwortung. "Die AMA könnte helfen, wie sie es bei den Legebatterien getan hat", sagt er. Damals sei die AMA frühzeitig aus der Käfighaltung der Hennen ausgestiegen, sodass viele Betriebe viel früher umgestellt hätten, als es gesetzlich vorgeschrieben war. Das könne die AMA jetzt auch mit dem Verbot des Vollspaltenbodens erreichen.

In so einem Fall würde Landwirt Christian H. die Wände seiner Ställe einreißen. Er könnte seinen Schweinen Auslauf und Liegeflächen auf Stroh anbieten. Das hat er bereits bei dem Bau seines neuen Stalls miteingeplant. Er wartet nur darauf, es umsetzen zu können.

Dieser Betrag ist ursprünglich im News-Magazin Nr. 31+32/2022 erschienen.