All-in-Vertrag: Was nicht erlaubt ist

Immer häufiger legen Arbeitgeber in Österreich ihren potentiellen Mitarbeitern einen All-in-Vertrag vor. Damit sind schließlich alle Überstunden und Aufwandsentschädigungen abgedeckt. Oder? Was "All in" tatsächlich bedeutet und an welche gesetzlichen Regelungen sich dieser spezielle Arbeitsvertrag halten muss.

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Arbeitsvertrag © Bild: iStockphoto.com/Gajus

1. Muss sich der All-in-Vertrag am Kollektivvertrag orientieren?

Mehr und mehr österreichische Unternehmen setzen auf einen All-in-Vertrag, also auf ein Pauschalgehalt. Damit sollen alle über die gesetzliche und kollektivvertragliche Normalarbeitszeit hinausgehenden Arbeitsleistungen abgegolten werden. Stellt sich die Frage, was rechtlich gesehen alles erlaubt ist? "Der kollektivvertragliche Mindestlohn muss immer eingehalten werden", sagt Irene Holzbauer, Abteilungsleiterin für Arbeitsrecht der Arbeiterkammer (AK) Wien. Durch einen All-in-Vertrag darf der Kollektivvertrag nicht unterschritten werden.

Doch nicht jeder arbeitet um den Mindestlohn. Daher hat sich die AK dafür stark gemacht, dass mittlerweile (seit 1.1.2016) bei allen neu abgeschlossenen All-in-Verträgen die Höhe des Grundgehalts angeführt werden muss. Wird der Grundbetrag im Vertrag nicht angegeben, sondern lediglich der Gesamtbezug, haben Arbeitnehmer:innen Anspruch auf das Grundgehalt des jeweiligen Kollektivvertrags inklusive der branchen- und ortsüblichen Überzahlung.

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2. In welchem Ausmaß sind Überstunden erlaubt?

"Ein Pauschalgehalt heißt nicht, dass die Arbeitszeiten ins Uferlose gehen dürfen", sagt die Arbeitsrechtsexpertin. Prinzipiell dürfe man durch die im All-in-Vertrag enthaltene Überstundenpauschale nicht schlechter gestellt werden. Die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes müssen Arbeitgeber in jedem Fall einhalten.

Gesetzlich erlaubt sind eine tägliche Arbeitszeit von maximal 12 Stunden, die wöchentliche darf 60 Stunden nicht überschreiten. Aber auch die Überstunden haben Grenzen: Die wöchentliche Arbeitszeit darf im Durchschnitt von 17 Wochen 48 Stunden nicht überschreiten. Diese Grenzen dürfen nur in Ausnahmefällen überschritten werden, beispielsweise im Bereitschaftsdienst oder bei einer speziellen Genehmigung durch das Arbeitsinspektorat.


Im dritten Quartal 2020 leisteten laut AK rund 610.000 Beschäftigte trotz Corona-Krise Woche für Woche Überstunden bzw. Mehrarbeit. Ab einer Arbeitszeit von 10 Stunden am Taghaben Arbeitnehmer- und innen übrigens das Recht, angeordnete Überstunden ohne Angabe von Gründen einseitig abzulehnen, wie der oberösterreichische AK-Präsident Johann Kalliauer in einer Aussendung mitteilte.

3. Was, wenn mehr Überstunden geleistet werden als durch den Vertrag abgedeckt sind?

Am Jahresende ist das Unternehmen gesetzlich dazu verpflichtet, eine Deckungsrechnung durchzuführen und etwaige Differenzen auszuzahlen: Überstunden, die über die vereinbarte Pauschale hinausgehen, müssen extra abgegolten werden. Wenn beispielsweise 120 Überstunden pro Jahr vom All-in-Vertrag abgedeckt sind, Herr Mustermann aber 200 Stunden gearbeitet hat, müssen 80 Stunden nachverrechnet werden.

Laut AK-Expertin ist eine Überstundenpauschale, bei der die Anzahl der Überstunden, die durch diese abgedeckt sind, ausdrücklich angeführt sind, empfehlenswerter als ein All-in-Vertrag, da hier beiden Vertragspartner klar ist, was vereinbart und abgedeckt ist.

In der Praxis werden ebenfalls All-in-Vereinbarungen abgeschlossen, die Aufwandsentschädigungen wie Kilometergeld oder Taggelder, Zulagen und Zuschläge abdecken sollen. Von solchen Verträgen rät die Expertin ab, da bei diesen die Deckungsrechnungen sehr komplex sind.

4. Welche Missstände kommen am häufigsten vor?

All-in-Verträge sind grundsätzlich zulässig, allerdings in den oft umfangreichen Arbeitsverträgen versteckt und fallen vielen ArbeitnehmerInnen bei Vertragsabschluss nicht gleich auf, wie die Arbeitsrechtsexpertin kritisiert. Auch sind sie für Laien schwer zu durchschauen und den Betroffenen ist oft unklar, wie viele Überstunden von der Vereinbarung umfasst sind. Häufigere Missstände in der Praxis sind:

Holzbauer empfiehlt daher Arbeitnehmern unbedingt von Beginn an, eigene Arbeitszeitaufzeichnungen (hier geht's zur Arbeitszeitaufzeichnung-App der AK) zu führen, selbst dann wenn der Arbeitgeber Aufzeichnungen führt.

5. Wie erkennt der Arbeitnehmer, ob das Grundgehalt stimmt?

Woher weiß ein Arbeitnehmer nun, ob die von ihm geleisteten Überstunden vom All-in-Vertrag abgedeckt sind? Das sei aufgrund der komplexen rechtlichen Situation alleine schwer auszurechnen, erklärt die AK-Expertin. Abhilfe kann eine kostenlose Überprüfung durch die Arbeiterkammer schaffen. Oder der All-in-Rechner der Gewerkschaft GPA-djp, der eine gute Orientierung geben kann.

Den Schritt, nicht abgedeckte Überstunden einzufordern, wagen laut Holzbauer aber nur wenige Arbeitnehmer:innen. Einerseits herrsche bei vielen Unwissenheit über die rechtliche Situation und andererseits wird befürchtet, bei Geltendmachung der Ansprüche den Arbeitsplatz zu verlieren. Wer unbezahlte Überstunden ausgezahlt bekommen will, sollte außerdem die Verfallsfristen beachten: Oft müssen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb von 3 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden.

6. Worauf muss ein Arbeitnehmer bei einem All-in-Vertrag achten?

Folgende Tipps gibt die Expertin Arbeitnehmer:innen mit auf den Weg:

  • Generell sollte man sich die Verträge - vor der Unterschrift - genau durchlesen.
  • Arbeitnehmer sollten sich trauen, zu verhandeln. Sollten Aufwandsersätze vom All-in-Vertrag erfasst sein, kann mit dem Argument der komplizierten Verrechnung eine getrennte Abrechnung ausverhandelt werden.
  • Arbeitszeitaufzeichnungen sollten in jedem Fall durchgeführt werden.
  • Nicht nur der Mindestlohn, sondern auch eine branchenübliche Überzahlung sollte im All-in-Vertrag inkludiert sein.