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Trumer: Kleine Brauerei, große Antworten

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Seppi Sigl und Josef Sigl VII.

©Bild: Matt Observe

In der Trumer Privatbrauerei im Salzburger Seenland wird seit acht Generationen Haltung vererbt – und die Kunst, Bier zu brauen. Das eine gäbe es ohne das andere nicht. Ein Bierglas fürs Museum prägt die Familiengeschichte, wie die Tatsache, dass Josef Sigl VII. die Brauerei nicht mehr betreten hat, seit Sohn Seppi Sigl Chef ist. Zum Jubiläum macht er eine Ausnahme

Die Trumer Privatbrauerei schmiegt sich neben der Pfarrkirche unaufdringlich ins pittoreske Ortsbild von Obertrum. Unkundige könnten den Eingang fast übersehen. Im Hofladen im Innenhof gustieren Besucher zwischen Bier-Spezialitäten und formschönen Gläsern, während Einheimische ihre Packerl aufgeben. Die örtliche Post hat im Braue­rei­shop ihren Platz, seit sie vor Jahren von der Schließung bedroht war. Abends wird der Innenhof im Sommer beim wöchentlichen Freiluftkino zum geselligen Treffpunkt.

Der Neubau für eine Verladestraße und Lagerflächen stört das Auge nicht. Moderne Holzarchitektur und ein Hopfengarten inmitten heimischer Wiesenblumen machen’s möglich. Dank einer neuen Fass-Abfülllinie konnte zudem der Einschichtbetrieb für die Mitarbeitenden beibehalten werden, obwohl die Braukapazität gesteigert wurde. Die Finanzierung erfolgte durch „Braufunding“, ein Crowdfunding mit Rendite in Geld oder Warengutscheinen für Bier. Wer hier Bier braut, versteht sich als Teil eines gesellschaftlichen Mosaiks.

Anders-Denken hat einen Vornamen

250 Jahre sind vergangen seit Josef Sigl I. die Brauerei bei einer Versteigerung erworben hat. Seitdem haben acht Generationen der Familie Sigl den Betrieb geprägt. Es ist der Bruch mit Gewohnheiten, der die Geschichte des Unterneh­mens in dieser Zeit stets vorangetrieben hat. Er ist zur Tradition geworden, wie die Weitergabe des Vornamens Josef an den Erstgeborenen.

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Die Generationen acht und neun: Seppi Sigl mit Ehefrau Carolin und den Söhnen Josef (IX.) und Otto

 © Patrese

Auch Josef Sigl VIII., der die Trumer Privatbrauerei 2013 übernommen hat, folgte dem Familienbrauch als sein ältester Sohn geboren wurde. Er selbst pflegt den Stilbruch: Er ist als Seppi Sigl bekannt. Es war sein Vater Josef Sigl VII., der den wagemutigen Innovationsgeist der Familie vor über 40 Jahren in ein Motto goss. „Alles anders als alle anderen“ ist bis heute der Leitspruch des unternehmerischen Handelns der Privatbrauerei.

Aus Obertrum ins MoMA

Ein Platz im New Yorker Museum of Modern Art zeugt davon. „Es war ein völliger Bruch mit der gewohnten Bierkultur, aber ich wollte etwas Neues und es hat funktioniert“, erzählt Josef Sigl VII. davon, wie Trumer es 1997 in die Kunstszene des Big Apple geschafft hat. Der wuchtigen Beschaffenheit der traditionellen Bierhumpen wollte er etwas entgegensetzen, das neben dem Gaumen auch das Auge erfreut. Ein besonderes, hohes, schmales, mundgeblasenes Bierglas wurde erzeugt. Die „Schlanke Stange“ wurde prompt als weltweit schönstes Bierglas prämiert und im MoMA ausgestellt.

Die spritzige Vision von Bier

Das Wagnis über zehn Jahre zuvor war ein monumental größeres. Entgegen allen Markttrends setzte Sigl VII. Mitte der 80er-Jahre auf Pils als Produktnische. Der heute 80-Jährige erzählt in der lichtdurchfluteten Gärlounge, die durch eine Glasscheibe den Blick auf die offenen Gärfässer lenkt, mit fast kindlicher Freude vom Erfolg der wagemutigen Entscheidung.

80 Prozent Zukunft, 20 Prozent Vergangenheit war immer mein Grundsatz. Das liegt seit Josef I. in unseren Genen. Wir wollen die Welt weiterentwickeln

Josef Sigl VII.

Anfänglichem Widerstand und Rufen nach dem gewohnten Bierkrug und traditionellem Märzen trotzte er mit einem Versprechen: „Ich hab’ etwas Besseres für euch!“. Bier, „spritzig, hell und leicht

bekömmlich“ beschreibt er seine Vision von damals. 20 Jahre gab er sich, um es im Markt zu verankern. Heute ist Trumer Pils ein internationales Aushängeschild, das beim World Beer Cup und European Beer Star Goldmedaillen errang. Seit 2004 wird es von einem Lizenznehmer in Berkeley, Kalifornien, auch für den US-Markt gebraut und in Hollywood nachgefragt. „Ein tolles Vorbild“, bringt Seppi Sigl auf den Punkt, was er beim Aufwachsen – auch bei Jobs auf Gastromessen – beobachten durfte.

„Schnitt. Und ich war weg“

Es ist das erste Mal seit über zehn Jahren, dass die beiden Sigls sich zum Gespräch gemeinsam in der Privatbrauerei einfinden. Seit der Übergabe des Betriebs 2013 hat Josef Sigl VII. keinen Fuß mehr ins Unternehmen gesetzt. „Heute ist das erste Mal“, schwört Vater Sigl. „Schnitt. Und ich war weg“, beschreibt er den Moment, als Seppi Sigl Chef und Eigentümer wurde.

Der Vater hatte selbst im Rahmen der Übergabe über Jahre hinweg schwierige Auseinandersetzungen mit der Familie erlebt. „Zwischendurch habe ich hingeschmissen und war fünf Jahre Verkaufsleiter bei Melitta Filtertüten Kaffee. Damals habe ich mir gesagt: Das wiederhole ich sicher nicht! Ich habe einen tollen Nachfolger. Der soll machen, wie er will. Keine Auflagen, keine Vorschriften.“

Eine Aufgabe fern von nackten Zahlen

Eine wichtige Lockerheit habe diese Art der Übergabe mit sich gebracht, sagt Seppi Sigl, der die Privatbrauerei seit über zwölf Jahren in die Zukunft führt. „So frei agieren zu können, mit einem erfahrenen Managementteam an der Hand, ist absoluter Luxus“, so der 43-Jährige. Zehn Jahre lang war er nach der Tourismusschule Kleßheim als urbaner Weltenbummler zum IBWL-Studium und Arbeiten in Kopenhagen, Hamburg, Berlin und Wien unterwegs. Für seinen Eintritt ins Unternehmen war auch die Erkenntnis wichtig, dass Unternehmertum mehr ist als nur nackte Zahlen.

„Es gibt viele weitere Aspekte des Unternehmertums, die damit zu tun haben, Zukunft zu gestalten. Die haben mich gereizt“, lässt er den familiären Sinn für gesellschaftliches Denken spüren. Seppi Sigl ließ das Unternehmen als erste Brauerei gemeinwohlbilanzieren*, er investierte in Photovoltaik, setzt auf Kreislaufsysteme und 100 Prozent Mehrwegflaschen und lancierte das erste alkoholfreie Pils „Trumer Freispiel“.

Vom Bier zum pflanzenbasierten Drink

Von der Zukunft hat Seppi Sigl ein klares Bild. „Ich weiß genau, wo ich in 20 Jahren mit dem Unternehmen im Markt stehen will. Ich sehe es als kreislaufdenkendes, pflanzenbasiertes Lebensmittelunternehmen“, sagt er. „Ein stimmiges System, das Bier, Milchalternativen und vielleicht auch andere Getreideprodukte verbindet.“

Den ersten Schritt tat er kurz vor dem 250-Jahr- Jubiläum mit der Entwicklung der pflanzlichen Milch- alternative „Sigl Bio Hafer & Gerste“. Die Idee sei, in einer veränderten Gesellschaft nicht nur auf ein Pferd zu setzen, so Sigl.

Ich bin nicht das Problem, sondern Teil einer Lösung

Seppi Sigl

Technisch sei der Schritt klein: Brauer lösen seit Jahrhunderten Stärke und Eiweiß aus Getreide. „Wenn man Hafer oder Gerste einmaischt und keine Hefe beimengt, dann hat man Gerstenmilch. Der Prozess ist der gleiche. Als Brauer sind wir seit Jahrhunderten pflanzenbasierte Lebensmittelproduzenten“, löst Seppi Sigl jede Verwunderung über den Weg vom Bier zur Milchalternative auf. „Ich bin überzeugt, dass die Zukunft pflanzlich sein muss, aus gesundheitlichen Gründen, aus Umweltgründen, aber vor allem, weil es sinnvoll ist.“

Irritationen mancher Landwirte begegnet Sigl mit dem Angebot zum Dialog. „Ich bin nicht das Problem, sondern Teil einer Lösung. Globale Konzerne dominieren mit importierter Ware unseren Markt. Nun geht es darum mit der österreichischen Landwirtschaft heimische Lösungen zu entwickeln.“ Auch als Mitinitiator der Initiative „Unabhängige Privatbrauereien Österreichs“ – mit dem Claim „100 % konzernfrei“ – positioniert sich Sigl gegen die Marktmacht internationaler Großkonzerne.

Der Glücksfaktor von Wirtshäusern

Sein Blick auf Unternehmertum geht weit übers Bierbrauen hinaus. „Brauereien waren immer schon Teil einer gesellschaftlichen Verantwortung. Das ist Teil unserer DNA“, sagt Seppi Sigl. Er spricht auch von Wirtshäusern als unverzichtbare soziale Bindeglieder, die es zu schützen gelte. Sigl: „Zwei Stunden Karten spielen im Wirtshaus machen glücklich. Nach zwei Stunden auf Social Media bist du frustriert. Wirtshäuser haben eine wichtige Funktion, weil es Räume sind, wo sich Menschen treffen und ins Gespräch kommen, die sie sonst nicht getroffen hätten.“

Hier sei die Politik gefordert, diese analogen Räume zum Wohl aller zu stärken, sagt er. Selbst hat er sich diesbezüglich bereits engagiert. Ein leer stehendes Holzhaus in Obertrum wurde von Trumer zur „Pension auf Zeit“ umgestaltet, als Rückzugsort inmitten eines Apfelbaumgartens mit zwei großen Meetingräumen. – „Auf Zeit“, weil er das Projekt als Versuch sieht und dies offen kommuniziert.

Lebensqualität als Erfolgsziel

Es sind Entscheidungen wie diese, die aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht nicht sofort aufs Unternehmen einzahlen. „Aber die Gesamtidee, wie sich ein Unternehmen vernetzt und in der Gesellschaft positioniert, ist langfristig gesehen auch eine betriebswirtschaftliche Investition“, so Sigl.

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Tradition seit Jahrhunderten: Der Eingang zur Privatbrauerei am Dorfplatz neben der Pfarrkirche.

 © Bild: Matt Observe

Man könne auch die Gemeinwohlbilanzierung des Unternehmens kontroversiell diskutieren, weiß er. Dennoch ist er überzeugt, dass langfristig eine andere Bewertung von Unternehmen notwendig ist. „Eine Bewertung, in die das ökologische und soziale Verhalten eines Unternehmens einfließt, das dafür vielleicht steuerliche Vorteile erhält. Die Gemeinwohlbilanzierung ist ein Versuch, dem Thema zu begegnen.“

Unternehmensgröße oder -prestige sind in der Welt von Trumer nicht die Messlatten für Erfolg. „Mein einziges Ziel ist, ein gesundes Unternehmen an die nächste Generation zu übergeben“, sagt Seppi Sigl. Neben stabilen Zahlen bedeutet dies auch eine gesunde Umwelt und Gesellschaft. „Es geht um die Lebensqualität in einer funktionierenden Gesellschaft.“

Trumer in Zahlen

Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 37/2025 erschienen.

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