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Stocker und Meinl-Reisinger betonten, den aktuellen Vorschlag nicht zu kennen. Sie verwiesen auf den aufrechten Parlamentsbeschluss gegen Mercosur. Er wäre froh, wenn eine Zustimmung im Parlament gelänge, so der Kanzler.
Das österreichische Parlament hatte sich im Jahr 2021 gegen Mercosur ausgesprochen. An diesen Beschluss habe sich die Regierung zu halten, betonten sowohl Stocker und Meinl-Reisinger als auch Vizekanzler und SPÖ-Chef Andreas Babler am Rande der Regierungsklausur am Mittwoch. Sie würde es aber begrüßen, wenn ein Parlamentsbeschluss für das Abkommen möglich wäre, so die NEOS-Vorsitzende. Ihre Partei sei "immer sehr klar pro Freihandel" gewesen und habe sich am Parlamentsbeschluss auch nicht beteiligt. Die Bedenken müsse man allerdings ernst nehmen.
Grundsätzlich sprach sich auch ÖVP-Chef Stocker "in Zeiten wie diesen" für Freihandel aus. Er betonte allerdings, dass es nicht nur in Österreich Bedenken im Bereich Landwirtschaft und Umwelt gibt. Auch Länder wie Frankreich, Italien und Polen hatten sich in der Vergangenheit kritisch geäußert. Wenn der finale Vorschlag komme, werde man ihn prüfen und sehen, ob eine andere Mehrheit im Parlament zustande kommt, sagte Stocker. Dem Vernehmen nach sei im Vorschlag "viel berücksichtigt" worden.
In der Volkspartei - der Bauernbund war stets gegen, der Wirtschaftsbund stets dafür - zeichnete sich am Nachmittag ein vorsichtiges Ja zum Abkommen ab. Das ging aus einer gemeinsamen schriftlichen Stellungnahme von Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer und Agrarminister Norbert Totschnig (beide ÖVP) gegenüber der APA hervor. "Besonders vor dem Hintergrund sich aktuell massiv verändernder internationaler Handelsbeziehungen teilen wir ein gemeinsames Verständnis über die große Bedeutung des internationalen Handels und fairer Handelsabkommen für den Wirtschaftsstandort Österreich. Auch unsere Landwirtschaft profitiert von der Exportwirtschaft", ließen die beiden wissen.
Und weiter wurden Totschnig vom Bauernbund und der Wirtschaftsminister zitiert: "Als exportorientiertes Land sind offene Märkte und klare Regeln essenziell für unseren wirtschaftlichen Erfolg und unsere Wettbewerbsfähigkeit. Gerade im Kontext des Mercosur-Abkommens sind die berechtigten Sorgen der bäuerlichen Familienbetriebe sehr ernst zu nehmen - sie sichern regionale Versorgung, Arbeitsplätze im ländlichen Raum und sind ein Rückgrat unseres Landes. Für die Landwirtschaft sind daher entsprechende Schutzmechanismen, ein engmaschiges Monitoring und ein Krisenfonds für mögliche negative Auswirkungen zentral. Die aktuelle österreichische Position zu Mercosur ist bekannt, aber natürlich werden wir den Vorschlag der EU-Kommission gemeinsam mit Expertinnen und Experten sorgfältig prüfen und bewerten."
Betont kritisch äußerten zuvor einmal mehr die vom ÖVP-Bauernbund dominierte Landwirtschaftskammer (LKÖ) und der ÖVP-Bauernbund selbst. Das Abkommen laufe "unseren Bestrebungen zur Absicherung unserer bäuerlichen Familienlandwirtschaft, für die Versorgungssicherheit und für Klima- und Umweltschutz komplett entgegen", betonte LKÖ-Präsident Josef Moosbrugger. ÖVP-Nationalratsabgeordneter und Bauernbundpräsident Georg Strasser hielt den Pakt für "unfair und unausgewogen", am bestehenden, ablehnenden Parlamentsbeschluss dürfe daher nicht gerüttelt werden.
Nicht für oder gegen das Freihandelsabkommen aussprechen wollte sich SPÖ-Chef und Vizekanzler Andreas Babler. Es gehe um die Bedingungen und Kriterien, unter denen Freihandel stattfindet, sagte er - etwa Arbeitnehmerschutz, ökologische Fragen, Luftstandards und die Zukunft der kleinbäuerlichen Struktur in Österreich. Man müsse warten, bis der Vorschlag da ist.
"Das bietet eine wunderbare Chance, unsere Wettbewerbsfähigkeit zu stärken", sagte EU-Ratspräsident Antonio Costa in Wien bei einer weiteren Pressekonferenz mit Kanzler Stocker. Das gelte besonders für Österreich und seinen deutlichen Handelsüberschuss mit Mercosur. Das Abkommen sei wichtig für neue Produkte und Dienstleistungen. "Wir brauchen dieses neue Mercosur-Abkommen. Ich denke, das sind auch gute Nachrichten für Österreich, weil es wird auch Ihre Experte in diesen sehr wichtigen Markt antreiben."
Die EU-Kommission hat am Mittwoch das finale Abstimmungsverfahren eingeleitet, dazu sollen den Mitgliedstaaten die Rechtstexte für die Vereinbarungen mit den Mercosur-Ländern Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay vorgelegt werden. In Österreich hatten sich in der Vergangenheit im Parlament einzig die NEOS offen für das Abkommen gezeigt, in der ÖVP war der Bauernflügel ablehnend, der Wirtschaftsflügel wohlwollend. Die SPÖ zeigte sich kritisch, die FPÖ und die Grünen sind dagegen.
An der Position der Grünen hat sich indes nichts geändert. Es gehe nicht um die Frage, ob man Handel treibe, sondern "wie und auf wessen Kosten", sagte Bundessprecherin Leonore Gewessler bei einem Pressestatement. Der ablehnende Beschluss des Nationalrats sei "völlig angemessen". Würde man der klein strukturierten Landwirtschaft in Österreich mit dem Abkommen den "Ast absägen, auf dem sie sitzt", sei "nichts gewonnen, aber viel verloren". Auch Umweltschutz-NGO blieben bei ihrem Nein.
Fürsprecher findet das Abkommen bekanntermaßen in den Reihen der Industrie. Auch angesichts der aktuellen Rezession in Österreich seien Handelsabkommen ein wichtiger Konjunkturimpuls für die heimische Wirtschaft, es liege jetzt an den Mitgliedstaaten, "das Fenster für Wachstum, Arbeitsplätze und Export zu öffnen", so der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer.