In der „Top Speakers Lounge“ der Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein diskutierten Energieexpert:innen über Chancen und Risiken der Energiewende. Im Fokus: Versorgungssicherheit, Trumps Handelskrieg – und die Reform der Netztarife.
Die Herausforderungen der Energiewende standen im Mittelpunkt einer hochkarätig besetzten Diskussionsrunde, zu der die Handelskammer Schweiz-Österreich-Liechtenstein (HKSÖL) ins Wiener Headquarter von PwC Österreich lud. Unter dem Titel „Top Speakers Lounge“ debattierten Vertreter:innen aus Wirtschaft und Politik über den Transformationsprozess hin zu einem klimaneutralen Energiesystem – und machten deutlich: Die Reise ist eine Gratwanderung zwischen Versorgungssicherheit, Marktlogik und politischer Realität.
Trumps Zölle als Preistreiber?
Michael Sponring, Energy-Experte bei PwC Österreich, machte zu Beginn deutlich, dass geopolitische Entwicklungen wie der von Donald Trump initiierte Handelskrieg mit China auch den europäischen Energiemarkt treffen könnten. „Wenn auf Photovoltaik-Module 125 Prozent Zoll erhoben werden, verteuert das potenziell die gesamte Solarwirtschaft – oder es führt zu Dumpingpreisen bei Überkapazitäten. Beide Szenarien schaffen Unsicherheit.“ Auch bei fossilen Energieträgern wie US-Flüssiggas könnte sich die Preisstruktur massiv verändern – mit unmittelbaren Folgen für den Strompreis in Europa.
15 Milliarden Euro für Energieimporte aus instabilen Regionen
Barbara Schmidt, Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, betonte die Notwendigkeit eines resilienten Energiesystems in Europa: „Allein Österreich zahlt jährlich rund 15 Milliarden Euro an instabile Länder für Energieimporte. Diese Mittel wären in erneuerbare Infrastruktur, Netze und Speicher besser investiert – sowohl aus ökologischer als auch aus sicherheitspolitischer Sicht.“
Zapreva: Fehler werden passieren
Susanna Zapreva, Vorständin der Verbund AG, plädierte für einen realistischen Umgang mit der Transformation: „Die Energiewende ist eine Operation am offenen Herzen. Fehler werden passieren, doch das ist Teil des Prozesses.“ Europa dürfe international nicht den Anschluss verlieren – Regionen wie China oder Nordafrika zeigten deutlich höhere Dynamik. Dafür brauche es stabile Rahmenbedingungen, langfristige Planungssicherheit und gesellschaftlichen Rückhalt.
Netztarife: Mehr Leistung, mehr zahlen
Einigkeit herrschte bei der Notwendigkeit, das Tarifsystem für Stromnetze zu reformieren. Urs Meister, Geschäftsführer der Schweizer ElCom, forderte eine stärkere Leistungsorientierung bei der Netzbepreisung – auch für Privathaushalte. Aktuell würden Fördermodelle für Photovoltaik teils Fehlanreize setzen. Hausbesitzer mit großen PV-Anlagen profitierten von Einspeisevergütungen, ohne gleichzeitig die Netzkosten mitzutragen.
Sponring bestätigte: „Der Sinn einer privaten Solaranlage ist die Eigenversorgung, nicht die Monetarisierung durch Rücklieferung. Netzgebühren müssen fair verteilt werden, damit das System langfristig finanzierbar bleibt.“
Schmidt: „Solidarsystem gerät unter Druck“
Barbara Schmidt unterstrich: „Die Finanzierung über ein Solidarsystem funktioniert nur, wenn viele mitzahlen. Sinkt der Stromabsatz durch Eigenversorgung und Wirtschaftskrise, steigen die Kosten für alle anderen. Hier braucht es dringend Gegenmaßnahmen.“
Fazit: Wandel mit offenem Visier
Der Konsens des Abends: Die Energiewende ist machbar, aber komplex. Sie erfordert Investitionen, Reformen und gesellschaftliche Akzeptanz – bei gleichzeitiger Offenheit für neue Marktmechanismen. Und wie Petra Stuiber vom Standard, die durch die Diskussion führte, resümierte: „Nur wer Fehler zulässt, kann wirklich Neues schaffen.“ Ein Satz, der in einer Zeit tiefgreifender Transformation mehr denn je Gewicht hat.
Fotos von der Veranstaltung finden Sie HIER.