Die künstliche Intelligenz (KI) ist längst auch in der Bauwirtschaft angekommen. Für Architektinnen und Architekten bedeutet das eine Neudefinition ihres Berufs
Die Geschwindigkeit ist verblüffend. Erst vor wenigen Sekunden hat Adriana Böck, Architektin und KI-Spezialistin im Wiener Architekturbüro querkraft, einen dreizeiligen Befehl in ihren Computer eingegeben und schon poppen auf ihrem Bildschirm Dutzende Varianten eines Bibliotheksbaus an der Universität Oxford auf – inklusive der korrekten Umgebung. „Die KI ist ein Instrument der Beschleunigung. Für etwas, wo wir früher zehn Mitarbeiter benötigt haben, brauchen wir nur mehr einen. Und statt fünf Varianten können wir 100 machen“, sagt Böck.
KI in der Architektur nimmt Fahrt auf und kommt inzwischen in allen Bereichen von der Kreation bis zur Bauaufsicht zum Einsatz. Jakob Dunkl, Architekt und Miteigentümer von querkraft: „Die KI ist für uns heute wie ein Mitarbeiter. Allerdings einer, der ein bisserl autistisch ist, manchmal unglaubliche Höhenflüge hinlegt, aber oft auch völlig danebenliegt. Bei der Bildgenerierung ist die KI heute unverzichtbar geworden, ebenso bei Basisarbeiten, etwa der Grundrissoptimierung. Mit KI geht das heute ganz schnell.“ Josef-Matthias Printschler, Geschäftsführer der Architekturstiftung Österreich, ergänzt: „Bei der Bauplanung und beim Entwurf ist die KI längst flächendeckend im Einsatz. Dank KI wird in Zukunft kosteneffizienter und pünktlicher gebaut werden.“
Die KI ist für uns heute wie ein Mitarbeiter. Allerdings einer, der ein bisserl autistisch ist, manchmal unglaubliche Höhenflüge hinlegt, aber oft auch völlig danebenliegt.
KI für Entwurf und Planung
Für das ureigenste Betätigungsfeld von Architekten, den Entwurf und die Planung, werden inzwischen zahlreiche KI-Werkzeuge angeboten, die CAD-Anwendungen unterstützen. KI-Bildgeneratoren nutzen etwa neuronale Netze und maschinelles Lernen, um große Mengen an Bilddaten zu analysieren, Muster und Zusammenhänge zu erkennen und daraus Neues zu generieren. Matias del Campo, Gastprofessor für KI-Anwendungen in der Architektur an der TU Wien: „Man kann die KI zum Beispiel nach allen verfügbaren Kapitellen von Säulen suchen lassen. Sobald das Ergebnis vorliegt, kombiniert die KI daraus neue Designvorschläge. Das kann für Architekten sehr inspirierend sein, weil es auch unerwartete Ergebnisse gibt.“
Wirklich spannend, so del Campo, wird es, wenn die KI halluziniert, also an sich sinnlose, aber überraschende Ergebnisse liefert. Del Campo: „Man muss nur offen dafür sein. Das können etwa Computertechniker nicht, bei ihnen ist alles auf höchstmögliche Perfektion getrimmt. Die können sich hier nicht überwinden.“ Architekten tun sich hier sichtlich leichter. „Kreativität entsteht vor allem im nicht perfekten Raum, in dem auch Unsinn erlaubt ist“, sagt Dunkl. Angst, dass die KI einmal seinen Job übernehmen könnte, hat er nicht. „Der KI fehlt die emotionale Intelligenz. Sie ist trotz ihres unendlichen Wissens weit weg vom Menschen.“
Neues Berufsbild
Das Berufsbild des Architekten, so Dunkl, wird sich durch die KI grundlegend verändern. Architektinnen und Architekten werden wieder lernen müssen, die richtigen Fragen zu stellen. „Wir werden uns vom rein technischen Beruf verstärkt in Richtung ganzheitliches Denken entwickeln, da wir dank KI in Zukunft viel mehr Zeit haben werden, uns Dingen wie Ethik oder Nachhaltigkeit zu widmen.“ Viele zeitaufwendige, aber wenig kreative Arbeitsschritte wird die KI übernehmen. „Architekten werden künftig viel mehr miteinander und mit anderen Berufsgruppen über Lösungen nachdenken. Die Maschine übernimmt Teile der Umsetzung und zeitintensive Arbeiten wie Kostenschätzungen oder die Berücksichtigung von Bauordnungen in den Entwürfen.“
Problemzone Urheberrecht
Kompliziert wird es beim Thema Urheberrecht. Zwar wurde in der Architektur schon immer voneinander kopiert, doch die Möglichkeit der Verarbeitung riesiger Datenmengen, aus denen unendlich viele neue Kombinationen aus vorhandenen Vorlagen automatisch generiert werden können, eröffnet hier völlig neue Dimensionen. Josef-Matthias Printschler, Geschäftsführer der Architekturstiftung Österreich, die jährlich den österreichischen Architekturpreis vergibt: „Prinzipiell ist es auch ohne KI möglich, alles einmal Gebaute zu kopieren. Was schwer kopierbar ist, ist die Atmosphäre eines Raums. Architekten werden aber hinnehmen müssen, dass dank KI in Zukunft intensiver kopiert werden wird.“
KI-Experte del Campo sieht hier durchaus auch positive Aspekte: „Jeder Schöpfungsakt wird durch Dinge ausgelöst, die man vorher schon einmal gesehen oder erlebt hat. Künstler und Architekten setzen schon seit ewigen Zeiten auf Inspiration von außen.“ Sein Kollege Norbert Trolf, Dekan des Fachbereichs Landscape an der TU Wien, ergänzt: „Es gibt ja so gut wie kein Urheberrecht in der Architektur. Da reichen oft ein paar winzige Änderungen, und schon ist die Kopie rechtlich in Ordnung.“
Kein Architekturpreis für Maschinen
Dass er einmal einen Architekturpreis an eine Maschine übergeben wird müssen, glaubt Josef-Matthias Printschler nicht: „Es gibt ja auch keine Architekturpreise für CAD-Anwendungen. Die KI ist ein Werkzeug für Architekten, an die wir die Preise übergeben. Der Mensch hat das Bedürfnis nach dem Echten. Das findet er nur in von Menschen geschaffenen Dingen.“ Architekt Jakob Dunkl warnt vor einem zentralen Risiko beim intensiven Einsatz von KI in der Architektur. Er befürchtet, dass Nutzer bequem werden und statt eigener Überlegungen schnelle Antworten von Tools wie ChatGPT abrufen. Würde sich dieser Trend durchsetzen, entstünde weder Neues noch Überraschendes – dabei sei es gerade die Überraschung, von der Architektur lebe.
Architekten müssen lernen, die richtigen Fragen zu stellen

Adriana Böck
© querkraft
Jakob Dunkl
© querkraftJakob Dunkl und Adriana Böck von querkraft Architekten über KI im Alltag eines Architekturbüros
Interview
Welchen Einfluss hat die KI in der heutigen Architektur?
Dunkl: Die KI ist auch in der Architektur nicht mehr aufzuhalten. Hoffentlich holen wir das Beste aus dieser neuen Technologie raus. Die KI strebt jedenfalls unaufhaltsam in die Kreativität und wird in unserer Branche viel durchrütteln. Querkraft Architekten waren in Sachen KI nie ein First Mover. Wir gehen spielerisch damit um. Das hat sich aber weiterentwickelt. Für mich ist die KI heute ein wichtiger Mitarbeiter, der ein bisserl autistisch ist, manchmal unglaubliche Höhenflüge hinlegt, oft auch voll danebenliegt. Bei der Bildgenerierung ist die KI heute unverzichtbar geworden, ebenso bei Basisarbeiten, etwa der Grundrissoptimierung. Mit KI geht das heute ganz schnell.
Haben Sie Angst, dass die KI Ihre Entwürfe klaut?
Dunkl: Das Copyright ist in der Architektur seit deren Anfängen ein Problem. Jeder Architekt will seine Arbeiten veröffentlichen, jeder Architekt lernt von anderen Architekten und lässt sich auch von Bauwerken anderer inspirieren. Früher musste man in eine Bibliothek gehen, heute sammelt die KI unendlich viele Vorlagen und Ideen in affenartiger Geschwindigkeit, liefert mir eine Vorauswahl und kann sie auch gleich zu neuen Bildern kombinieren.
Böck: Die KI ist ein Datensammelprogramm, das nichts neu erfindet. KI kann aber bestehende Dinge sehr schnell neu kombinieren. Damit kann sie Architektinnen und Architekten bei der Arbeit unterstützen. Unser Beruf ist komplex: Wir halten viele verschiedene Fäden gleichzeitig in der Hand. KI hilft uns dabei, Prozesse effizienter zu gestalten. Aktuell kommt sie punktuell zum Einsatz – zum Beispiel bei Optimierungsprozessen oder als visuelle Inspirationsquelle. Das große Ganze zusammenzuführen, bleibt bislang unsere Aufgabe. Aber wer weiß, wie lange noch?
Wird die KI das Berufsbild der Architektin/des Architekten stark verändern?
Dunkl: Die Architekten werden wieder lernen müssen, die richtigen Fragen zu stellen. Wir werden uns vom rein technischen Beruf verstärkt in Richtung ganzheitliches Denken entwickeln, da wir dank der KI in Zukunft viel mehr Zeit haben werden, uns Dingen wie Ethik oder Nachhaltigkeit zu widmen, als heute. Viele zeitaufwendige, aber wenig kreative Arbeitsschritte wird die KI übernehmen, und der Mensch wird hier nur mehr als Kontrollorgan fungieren. Architekten werden künftig viel mehr miteinander und mit anderen Berufsgruppen diskutieren und gemeinsam über Lösungen nachdenken. Die Maschine übernimmt dann Teile der Umsetzung und wichtige, aber sehr zeitintensive Arbeiten wie Kostenschätzungen oder die Berücksichtigung von Bauordnungen in den Entwürfen.
Böck: Die KI ist ein Instrument der Beschleunigung. Für etwas, wofür wir bisher vielleicht zehn Mitarbeiter gebraucht haben, brauchen wir in Zukunft nur mehr einen. Oder statt fünf Varianten können wir 100 machen. Wir können schneller Lösungen finden, schneller Visualisierungen generieren, menschliche Fehler bei z. B. Kostenplanungen schneller erkennen. Dafür macht die KI andere Fehler, die für uns als Mensch manchmal absurd sind.
Wird die KI einmal der bessere Architekt sein als der Mensch?
Dunkl: In der digitalen Welt basiert alles auf höchstmöglicher Perfektion. Kreativität entsteht aber vor allem im nicht perfekten Raum, in dem auch Unsinn erlaubt ist. Der KI fehlt die emotionale Intelligenz, sie ist trotz all ihres Wissens ganz weit weg vom Menschen. Die größte Gefahr liegt sicherlich darin, dass Nutzer faul werden und, anstatt selbst nachzudenken, kurz mal ChatGPT befragen. Wenn das alle machen, entsteht aber nichts Neues, nichts Überraschendes. Die Architektur lebt aber genau von Überraschungen
Dieser Beitrag ist ursprünglich in der News-Printausgabe Nr. 38/2025 erschienen.