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Brenner-"Gipfel": Tunnelverbindung mit "BBT-Durchschlag"

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Meloni und Stocker waren bei der Feier Ehrengäste
©APA, EXPA, JOHANN GRODER
Mit dem Durchschlag des Erkundungsstollens des Brennerbasistunnel (BBT) ist am Donnerstag erstmals eine unterirdische Tunnelverbindung zwischen Italien und Österreich geschaffen worden. Dieser Schritt wurde mit hochkarätiger Politprominenz in der Grenzgemeinde Brenner gefeiert: Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni und Österreichs Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) betonten im Rahmen der Feierlichkeiten die historische Bedeutung für Österreich, Italien und Europa.

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Kurz vor 15.00 Uhr war es so weit: Über eine Liveschaltung in den Erkundungsstollen beobachteten die rund 1.000 Festgäste in einem Zelt den unter Tage stattfindenden Durchschlag. Den Startschuss dafür gaben Meloni, Stocker, die Verkehrsminister Matteo Salvini und Peter Hanke (SPÖ) sowie EU-Verkehrskommissar Apostolos Tzitzikostas gemeinsam, indem sie gleichzeitig den "roten Knopf" drückten. Tunnelarbeiter marschierten anschließend gemeinsam über die unterirdische Grenze. Die Festgäste - darunter die ehemaligen Südtiroler und Tiroler Landeshauptleute und "Tunnelpioniere" Luis Durnwalder (SVP), Herwig Van Staa, Alois Partl und Wendelin Weingartner (beide ÖVP) - quittierten den Moment mit reichlich Applaus.

Die Freude über das Ereignis wurde jedoch bereits zuvor von den politischen Vertretern zum Ausdruck gebracht. Meloni - die rund eine Stunde nach dem geplanten Veranstaltungsbeginn unter enormem Medieninteresse empfangen wurde - bezeichnete den Durchschlag als "wichtigen Schritt". Sie betonte, dass die beiden Länder jedoch bereits vorher "Partner in Europa" und - allein aufgrund der gemeinsamen Geschichte - vereint waren. Nach Inbetriebnahme des BBT im Jahr 2032 würden jedenfalls Wirtschaft, Wettbewerb und Umwelt "profitieren". "Das hat natürlich die Folge, dass eine wichtige Straßenverbindung - die Brennerautobahn - entlastet wird", meinte sie zu der stark frequentierten Verkehrsroute. Der Brenner stelle derzeit einen "Flaschenhals" dar.

"Der Tunnel alleine wird die Transitprobleme nicht lösen", hielt Kanzler Stocker wiederum fest. Die Autobahn habe ihre "Kapazitätsgrenze seit langem" erreicht, die Belastungen für Mensch und Umwelt seien enorm, nahm er konkreter auf die seit Jahrzehnten bestehende Transitbelastung Bezug, die aufgrund der Tiroler Anti-Transitmaßnahmen immer wieder für gehörige Spannungen zwischen Österreich und Italien sorgt und sogar in einer Klage Italiens mündete. Der freie Warenverkehr sei Österreich wichtig, "wir wollen aber auf die Menschen nicht vergessen". Gleichzeitig wisse er, "wie wichtig der Transit für unsere europäischen Nachbarn ist" und plädierte für "nachbarschaftliche Lösungen" sowohl auf der Autobahn als auch im Bahnverkehr.

"Heute triumphiert Europa", sagte der stets scharf gegen Tirol auftretende Salvini. Mit dem Drücken des roten Knopfes zeige man den "Willen, dass wir aneinanderrücken". Wo die Bevölkerung schneller zueinanderkomme, entstehe auch der "Frieden". Kritisch äußerte er sich dagegen zur EU-Umweltpolitik. Mit dem BBT werde der "Green Deal der Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit" gelebt - "es geht nicht um Verbote, Steuern und Beschränkungen". "Der einzig wahre Green Deal ist der Abbau von Grenzen", resümierte "Transit-Hardliner" Salvini.

Österreichs Verkehrsminister Hanke betonte, dass mit dem "Jahrhundertprojekt" BBT der Warentransport verändert werde. Immerhin könnten damit pro Jahr eine Million Lkw auf die Schiene gebracht werden. Zudem rückten Österreich und Italien näher aneinander, der "Espresso" oder "Campari" sei damit schneller erreichbar, schmunzelte er.

Auch die Landeshauptleute von Tirol und Südtirol kamen zu Beginn der Veranstaltung zu Wort. Südtirols Landeschef Arno Kompatscher (SVP) mahnte, dass es wohl "bestimmte Verordnungen" geben müsse, damit der Korridor bestmöglich genützt werden könne. Zudem betonte er die historische Dimension. Durch den BBT würden die einst geeinten Länder Südtirol und Tirol einander wieder näher. "Die Grenze, die uns getrennt hat, wird überwunden", hielt er fest. Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) versprach sich vom BBT, der "Teil eines europäischen Friedensprojektes" sei, eine "Entlastung für die Menschen - nördlich und südlich des Brenners".

Der Erkundungsstollen des BBT verläuft auf einer Länge von 57 Kilometern parallel zu den Hauptröhren auf tieferer Lage. Mit fünf bis sechs Metern Durchmesser ist er deutlich kleiner als diese. Über Querschläge sind beide Hauptröhren alle 333 Meter miteinander verbunden. Die Durchschlagsstelle liegt unter rund 1.420 Metern Gebirgsgestein und befindet sich fast unter der Geigenspitze und rund zwei Kilometer Luftlinie vom Brenner nach Südosten. Nach Fertigstellung des BBT fungiert der Erkundungsstollen als Entwässerungsstollen sowie als Flucht- und Rettungsroute im Brand- oder Notfall.

Der seit 2007 im Bau befindliche Brennerbasistunnel (BBT) ist ein reiner Zugtunnel mit einer Gesamtlänge von 64 Kilometern, der zwischen der Tiroler Landeshauptstadt Innsbruck und dem Südtiroler Franzensfeste in Italien - hier auf 55 Kilometern - verläuft. Er gilt als Kernelement der neuen Bahnverbindung von München nach Verona. Nach der im Jahr 2031 geplanten Fertigstellung und im Jahr darauf stattfindenden Inbetriebnahme wird der für Güter- und Personenzüge vorgesehene Tunnel die "längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt" sein. Güterzüge sollen mit bis zu 160 km/h und Personenzüge mit bis zu 250 km/h durch den Tunnel fahren können. Die Strecke soll somit in 25 statt 80 Minuten bewältigt werden können. Als Gesamtprojektkosten wurden 10,5 Mrd. Euro veranschlagt. 204 der insgesamt 230 Tunnelkilometer des Brennerbasistunnels und damit 90 Prozent der Gesamtstrecke waren zuletzt bereits herausgebrochen. Im Laufe des kommenden Jahres sollte voraussichtlich bereits der gesamte BBT-Vortrieb beendet sein.

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