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"Es geht also darum, dass der Ozean weiter multilateral durch alle Staaten und nicht nur durch Alleingänge verwaltet wird", sagte Vadrot gegenüber der APA: Denn das sei die große Gefahr, wenn man auf die USA schaue - die der Konferenz fernbleiben. Gleichzeitig erhofft sich die Wissenschafterin der Universität Wien, dass im Abschlussdokument mit Blick auf die verschiedenen Herausforderungen, darunter der Tiefseebergbau, die Verschmutzung der Weltmeere durch Plastik oder auch der Verlust biologischer Vielfalt, "ein klares Bekenntnis festgehalten wird, dass sich die Staaten tatsächlich auf sehr progressive Ziele einigen können". Nicht zuletzt könne man hier auch ein Zeichen setzen, wie sich die EU als Vorreiter im internationalen Meeresschutz positioniert.
Im Rahmen ihres vom Europäischen Forschungsrat (ERC) geförderten "Consolidator Grants" befasst sich Vadrot derzeit mit der Frage, wie der von der Europäischen Kommission bereits als Prototyp präsentierte und durchaus kritisch diskutierte "Digitale Zwilling der Ozeane" (Digital Twin of the Ocean - kurz DTO) künftig multilateralen Verhandlungen nutzen und zu einer gerechten Entscheidungsfindung beitragen kann.
"Wie kann man ein solches Instrument in der Zukunft in internationalen Verhandlungen verwenden? Diese Frage stellt sich gerade vor dem Hintergrund, dass der DTO entwickelt wurde, um politische Entscheidungsfindung im Bereich der Ozeane zu erleichtern", so Vadrot. Der DTO - eine große Simulation der Weltmeere - repräsentiert ein "technisches Artefakt", hinter dem verschiedenste Beziehungen stehen, etwa zwischen verschiedenen Technologien, Datenbanken, Infrastrukturen, Fördergebern und politischen Akteuren und Interessen. Wie gerecht kann dieser also sein?
"In den 1990er Jahren wurden die großen Konventionen, etwa in Bezug auf Klima oder Biodiversität, verabschiedet. Bei der Umweltdiplomatie stehen wir derzeit an einem Punkt, an dem die Ziele immer konkreter werden", meint Vadrot. So würden auch Informationen immer wichtiger, etwa jene, die belegen, inwiefern Staaten die verbindlichen Ziele einhalten. "Aber wir wissen eigentlich zu wenig darüber, wie die Daten genutzt werden und wer welche Daten nutzt. Ein DTO nutzt Künstliche Intelligenz und liefert das Versprechen, Zielkonflikte einfach zu lösen. Damit stellt sich die Frage, welche Abhängigkeitsverhältnisse es hier gibt und welchen Effekt ein DTO in Zukunft überhaupt haben kann", so Vadrot, die am Donnerstag in Nizza am Rande der UNO-Konferenz eine Diskussionsveranstaltung abhalten wird.
In Bezug auf die Ozeane wird etwa angestrebt, 30 Prozent der Meeres- und Küstengebiete bis 2030 unter Schutz zu stellen. Das zur Umsetzung dieses Ziels in internationalen Gewässern nötige Hochseeschutzabkommen soll bis zum Ende der UNO-Ozeankonferenz von mindestens 60 Staaten ratifiziert werden und damit in Kraft treten können. Hier gehe es aber auch darum, zu entscheiden, "wo Schutzgebiete überhaupt eingerichtet werden können, wo dies sinnvoll ist und was der Schutz konkret bedeutet", unterstreicht die Forscherin die Bedeutung begleitender Forschung.
"Wissenschaftliche Erkenntnisse und die dazugehörigen Daten werden aber heutzutage auch sehr schnell polarisiert und in Frage gestellt." Das zeigen auch Beispiele aus dem Tiefseebau, so Vadrot. Studien hätten etwa belegt, dass am Meeresgrund befindliche Manganknollen selbst CO2 binden und damit ein zusätzliches wissenschaftliches Argument liefern, warum man ein Moratorium zum Schutz der Tiefsee unterstützen sollte. "Innerhalb kürzester Zeit haben Lobbygruppen eine Gegenstudie publiziert", so die Forscherin.
Der Kontext, in dem ein Digitaler Zwilling, wie er von der Europäischen Kommission angestrebt wird, operieren soll, sei eben hoch politisch und komplex. Mit ihrer Forschung will Vadrot dazu beitragen, mehr Klarheit zu schaffen, was ein solches Tool kann. Angesichts der geopolitischen Lage wolle man etwa auch die DTOs der USA, Europas und Chinas vergleichend einordnen, nachdem hier durchaus unterschiedliche Interessen eine Rolle spielten.
Der europäische DTO basiere zudem auch stark auf marinen Daten aus den USA, aber hier würden entsprechende Monitoring-Programme gerade unter der Administration von Präsident Donald Trump zurückgefahren und eingestellt. "Hier stellt sich natürlich auch die Frage, wie der europäische DTO angesichts dieser geopolitischen Situation fertiggestellt werden kann", so die Forscherin. Denn der Anspruch sei natürlich, den gesamten Ozean abzubilden - und nicht nur Teile davon.
Weder Deutschland noch Österreich haben bisher das Hochseeabkommen ratifiziert. Natürlich sei ein Ratifizierungsprozess immer kompliziert und habe Auswirkungen auf Gesetze, das Budget oder auch ministerielle Arbeit, so Vadrot. Gleichzeitig sei in Österreich, ein Binnenstaat, der Ozean auch nicht so direkt im öffentlichen Bewusstsein verankert.
Als Gegenargument, warum auch Österreich Ozeanschutz wichtig sein müsste, nennt die Forscherin neben der Tatsache, dass die Ozeane zu einer "intakten Natur am Land" beitragen, auch die gemeinsame Verantwortung aller Staaten für jene großen Bereiche der Ozeane, die international verwaltet werden. "Zudem führt man in Österreich durchaus auch Meeresforschung durch und nutzt bestimmte Ressourcen im Ozean", so Vadrot. So sei etwa auch im Hochseeabkommen der Zugang zu marinen Ressourcen, z.B. zur Erbinformation bestimmter Arten, geregelt, die durchaus für die Forschung und Entwicklung im Pharma- oder Kosmetikbereich - auch in Österreich - eine Rolle spielen.
This photograph shows part of "I Love Nice", a structure installed at the Quay Raba Capeu, representing the theme of the sea to mark the third United Nations Ocean Conference (UNOC), in Nice, southern France on June 2, 2025. The third United Nations Ocean Conference (UNOC), co-hosted by France and Costa Rica, will take place from June 9 to June 13, 2025 in Nice, with some events taking place at the Mediterranean University Centre (Photo by Frederic DIDES / AFP)