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Amoklauf in Graz - Motto der Exekutive: "Wir warten nicht"

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Weil "Geschwindigkeit Menschenleben retten kann"
©APA, HELMUT FOHRINGER
"Wir warten nicht" lautet das Motto der österreichischen Exekutive, spätestens seit 2010 ein neues Schulungsmodell für Amoklagen eingeführt worden ist. "Jeder Polizist in Grundausbildung oder Streifenbereich hat das zu trainieren", sagte Bundespolizeidirektor Michael Takacs am Mittwoch, einen Tag nach dem Amoklauf an einer Grazer Schule mit elf Toten, im Rahmen eines Medientermins in Wien. Ziel ist sofortiges Einschreiten, weil "Geschwindigkeit Menschenleben retten kann".

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Das "polizeiliche Einschreiten bei Amoklagen" wurde in Graz in die Praxis umgesetzt, wie der Ablauf des Einsatzes aufzeigt. Es gelte im Fall einer solchen lebensbedrohlichen Einsatzlage (LebEL): Auch wenn die Einsatzkräfte nur zu zweit oder zu dritt sein sollten, müsse sofort eingeschritten werden. Beim Training werden auch mögliche Betroffene solcher Gefahrenlagen, also etwa Schulen, mit eingebunden, so Takacs. Das Ziel dahinter ist ein rasches "Binden" des Täters, wie dies "bereits bei der Terrorlage in Wien 2020" erfolgt ist, damit dessen Aufmerksamkeit auf die Einsatzkräfte gerichtet wird.

Da bei Amok- und Terrorlagen Täter mit hoher Gewaltbereitschaft agieren, sei das primäre Ziel, eine "rasche Handlungsunfähigkeit" des Aggressors herbeizuführen, erläuterte Peter Scheibner, Leiter der Abteilung "Polizeiliche Sondereinsätze". Das polizeiliche Interventionsmodell sei dreistufig aufgebaut, wobei die erste Intervention von Kräften aus dem Regeldienst durchgeführt werde. Die nächste Welle werde bereits von Spezialkräften (Schnelle Interventionsgruppe (SIG), österreichweit seit 2020 nach dem Vorbild der WEGA in Wien tätig, Anmerkung) durchgeführt, die ebenfalls im Streifendienst tätig sind. Das dritte Level sei dann der Einsatz der EKO Cobra, die auch gestern sehr rasch vor Ort gewesen sei.

Am Einsatzort bedürfe es eines reibungslosen Zusammenwirkens, das auch immer wieder trainiert werde. Die Organisationen müssten in der Realität wie ein "Zahnrad" funktionieren, nannte Takacs das Ziel. Ob SIG oder Cobra, in beiden Einheiten gebe es auch speziell im Sanitätsbereich ausgebildete Personen. Zudem erfolge bereits in der Grundausbildung eine gewisse Erste-Hilfe-Ausbildung. Das Ziel wäre laut dem Bundespolizeidirektor, dass jeder Polizist mit einem Not-Package ausgestattet ist, sodass diese Einsatzkräfte Erstversorgungen etwa im Fall von Schussverletzungen durchführen können, bis die Rettungskräfte übernehmen können.

Meist befänden sich die Verletzten in der "heißen Zone", wo nur die Exekutive tätig sein könne, so Takacs unter Verweis auf das sogenannte Drei-Zonen-Modell, das von der EKO Cobra mit den Blaulichtorganisationen entwickelt wurde. Die "heiße Zone" ist dabei jene, wo ein Täter unmittelbar einwirkt, sodass hier nur Spezialkräfte der Polizei agieren dürfen.

"Es war eine bewusste Entscheidung, in den 2000er-Jahren die Terrorbekämpfung regional aufzustellen", hielt EKO-Cobra-Kommandant Bernhard Treibenreif fest. "Die Cobra ist Teil der Polizei", unterstrich Treibenreif. Gestern waren laut ihm über 300 Polizeibeamte im Einsatz, 60 Mann der Cobra-Spezialeinheiten von den drei Standorten (Wiener Neustadt, Graz, Krumpendorf) sowie fünf Hubschrauber für eine mögliche spätere Fahndung bzw. für Rettungseinsätze.

Die psychische Belastung für die Beamten sei in Graz extrem gewesen. Die Polizei habe inzwischen ein System von "Peers" aufgebaut für die psychische Nachbetreuung. "Die Schilderungen" waren sehr belastend, so Treibenreif - und vor Jahrzehnten seien derartige Belastungen "weggeschwiegen" worden, was sich zum Glück geändert habe.

Seit dem Aufbau der Schnellen Interventionsgruppe (SIG) sei das System noch enger verflochten. Sonderlagen würden jährlich geübt. 2009, nach dem Amoklauf im deutschen Winnenden in Baden-Württemberg, entschloss man sich zum neuen, raschen Vorgehen, erinnerte Treibenreif. Vorher wäre die Praxis eher das Zuwarten auf Sonderkräfte gewesen. 2017 und 2018 wurde zudem ein "Terror- und Amoklagen-Handbuch" erstellt. Dieses soll auch der Bevölkerung Verhaltensregeln bei Amok und Terror näherbringen. "Flüchten, Verstecken, Verteidigen sowie Notruf" sind die vier Kernpunkte.

(S E R V I C E - BMI zu Sicherheit in öffentlichen Gebäuden unter: https://go.apa.at/gnAG7P2q)

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