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"Die brusterhaltende Entfernung des Tumors mit freien Margen (Entfernung im gesunden Bereich; Anm.) ist die Goldstandard-Behandlung für Brustkrebs, die nach weltweiten Richtlinien empfohlen wird. Daher ist eine zuverlässige Unterscheidung zwischen normalem und bösartigem Gewebe an den Rändern des entfernten Gewebes unerlässlich", schrieben Selin Guergan von der Universitäts-Frauenklinik Tübingen und die Co-Autoren in "Diagnostics". Sie haben ihre Forschungsergebnisse vor wenigen Tagen beim Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Senologie (DGS) in Stuttgart vorgestellt.
Derzeit werden bei brusterhaltenden Mammakarzinomoperationen von den Chirurgen sogenannte Gewebe-Schnellschnitte an den Rändern des entfernten Gewebes angefertigt. Die kommen tiefgefroren sofort zu den Pathologen, welche bestimmen, ob der Tumor im Gesunden entfernt wurde. Das bedingt aber eine bis zu etwa 30 Minuten lange Pause im Operationssaal. Die Patientin hat dadurch eine längere Narkosezeit, was belastet und den Eingriff für alle Beteiligten verlängert.
Die Wissenschafter in ihrer Zusammenfassung zu ihren Experimenten im Labor: "Die (derzeit verwendete; Anm.) Beurteilung der Resektionsränder anhand des pathologischen Goldstandards ist nicht in Echtzeit möglich und mit potenziellen Fehlerquellen behaftet, insbesondere aufgrund von Ungenauigkeiten beim dreidimensionalen Markieren, Färben und Interpretieren des Gewebes. (...) Optische Emissionsspektroskopie (OES) ist eine vielversprechende Methode zur Gewebedifferenzierung während der Operation."
Bei OES handelt es sich um ein Verfahren aus der Metallurgie. Metalle werden über einer Flamme erhitzt. Die dann freigesetzte elektromagnetische Strahlung wird auf ihr Spektrum untersucht. Die Methode lässt sich zur Charakterisierung von festen, flüssigen und gasförmigen Stoffen benutzen. Die Verwendung in der Chirurgie ist jedenfalls neu. Gewebe wird durch Radiofrequenz aufgeheizt. In Blitzen ausgesendetes Licht kann dann per Spektroskopie bestimmt werden. Krebszellen weisen als Charakteristika zum Beispiel mehr Kohlenstoff, Mangan und Zink auf.
Die Experten testeten die Methode an Gewebeproben von 49 Patientinnen. Insgesamt wurden 972 Lichtspektren (480 von normalem Gewebe, 492 von bösartigem Gewebe) untersucht. Dabei zeigte sich insgesamt eine Genauigkeit in der Klassifizierung der Gewebeproben von 96,9 Prozent. Die Sensitivität für bösartige Zellen betrug 94,8 Prozent. Wenn der Befund auf ein normales Gewebe hinwies, war das zu 99 Prozent korrekt (Spezifität). Ein Vorteil: Die Auswertung der Tests verlief per AI maschinell. Das Ergebnis lag praktisch sofort vor.
"OES in Kombination mit Elektrochirurgie ermöglicht eine zuverlässige Differenzierung von Brustgewebe, insbesondere für Nicht-spezielle-Tumortypen NST (ohne spezielle Zellcharakteristika, 75 Prozent der Mammakarzinome; Anm.), mit großem Potential für eine Echtzeitanwendung im Operationssaal", stellten die Fachleute fest. Bei den wissenschaftlichen Arbeiten handelt es sich allerdings erst um Studien, welche die prinzipielle Machbarkeit des Verfahrens belegen sollen. Für die breite Anwendung sind noch große wissenschaftliche Untersuchungen mit vielen Gewebeproben aus der klinischen Praxis notwendig.
ST. PÖLTEN - ÖSTERREICH: FOTO: APA/HELMUT FOHRINGER
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