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TU Graz erstellt digitalen Zwilling der Krebszelle

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IgM Antikörper aktivieren effektiv das körpereigene Abwehrsystem
©FH OÖ, APA
In der Krebsforschung haben bioelektrische Prozesse in und auf der Krebszelle bisher wenig Beachtung gefunden. An der TU Graz haben Forschende ein digitales Modell einer Krebszelle entwickelt, das simulieren kann, wie Kalziumströme und elektrische Spannungen an der Zellhülle das Wachstum von Krebszellen beeinflussen. Langfristig sollen damit neue Angriffspunkte von Medikamenten und personalisierte Therapiestrategien gefunden werden, teilte die TU Graz am Donnerstag mit.

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Kalzium ist für biologische Zellen überlebenswichtig, bei zu hoher zellulärer Konzentration kann es aber auch zum Zelltod führen. Das macht es für die Krebstherapie interessant. Wenn man nämlich den Kalziumtransport in und aus der Zelle manipulieren kann, könnte man sozusagen die gesamte Zelle aus der Bahn werfen. Eine wichtige Funktion kommt dabei den sogenannten Ionenkanälen zu, die das elektrische Potenzial der Zellmembran regeln und damit auch den Austausch von Ionen wie Kalzium ermöglichen.

Für ihr digitales Krebszellenmodell wählte das Team das Beispiel der gut erforschten menschlichen Lungenadenokarzinom-Zelllinie A549. Das damit im Projekt "DigLungCancer" entwickelte digitale Zellmodell baut auf einem früheren Ionenstrommodell auf, erklärte Christian Baumgartner vom Institut für Health Care Engineering der TU Graz im Gespräch mit der APA. Mit dem jüngsten Modell biete sich nun eine "bislang unerreichte funktionelle Abbildung der zellulären Bioelektrik in Krebszellen", wie der biomedizinische Techniker und Elektrotechniker schilderte.

"Ein wesentlicher Fortschritt unseres verbesserten Zellmodells ist die detaillierte Simulation der intrazellulären Kalziumverteilung", so der Grazer Wissenschafter. "Wir haben erstmals sehr kleine Bereiche -Mikrodomänen - berücksichtigen können, an denen sich Kalzium sammelt und wo das innere Zellnetzwerk eng an die Zellhülle grenzt", führte Baumgartner weiter aus.

In diesen Bereichen regulieren sogenannte CRAC-Kanäle (Calcium Release-Activated Calcium Channels) den Kalziumeinstrom, der eine zentrale Rolle für die Aktivierung intrazellulärer Signalwege spielt - einschließlich solcher, die den Zellzyklus der Krebszelle beeinflussen. Diese Weiterentwicklung ermögliche eine bisher unerreicht genaue Abbildung der elektrischen Vorgänge in Krebszellen, die Kalziumspeicher und Transportmechanismen und berücksichtige Pufferkapazitäten ebenso wie lokale Ausbreitungseffekte innerhalb der Zelle.

Forschende könnten mithilfe diesem detaillierten digitalen Zell-Zwilling nunmehr am Computer die Auswirkungen von Medikamenten testen. So will man beispielsweise die Wirkung von Substanzen vorhersagen, die die Kalziumverteilung oder die Funktion von Ionenkanälen in bestimmten Bereichen beeinflussen. Letztlich sollen sich damit auch Annahmen über Zellwachstum oder möglichen Zelltod testen lassen, die im Fall relevanter Ergebnisse später im Labor überprüft werden können. Weiters werde es auch möglich, komplexe Kombinationen von Veränderungen an Ionenkanälen zu untersuchen, die im realen Labor nur schwer oder sehr zeitaufwendig nachzubilden wären, führte Baumgartner die Vorteile an.

In den bisherigen Untersuchungen hat das Team bereits gezeigt, dass eine Hemmung bestimmter CRAC-Kanäle tatsächlich die lokale Kalziumdynamik verändert und die Aktivität anderer Signalwege, die von Kalzium reguliert werden, beeinflusst. "Dies kann dazu führen, dass es zur Unterbrechung des Zellzyklus kommt oder zur Einleitung von Zelltodmechanismen", wie der Grazer Forscher erklärte.

Baumgartner und sein Team sehen das erste digitale Krebszellenmodell noch immer als den Beginn umfassenderer Forschungen, denn aktuell umfasst das Modell lediglich eine einzige Zelle. Mechanismen, wie die Kommunikation zwischen Zellen, die Entwicklung eines ganzen Tumors, die Metastasierung (Streuung von Krebszellen) oder die Bildung neuer Blutgefäße im Tumor können noch nicht abgebildet werden. In den nächsten Schritten will man aber weiter in diese Richtung gehen.

LINZ - ÖSTERREICH: FOTO: APA/FH OÖ

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