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Studie zeigt wie sich Weltklasse-Leistung entwickelt

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Spitzenturnerin Simone Biles leitet ein Nachwuchstalent an
©AFP, APA, LUIS ROBAYO
Außergewöhnliche Leistungen faszinieren - gleich ob Sportler oder Künstler auf höchstem Niveau performen oder Wissenschafter Durchbrüche feiern. Doch wie entwickeln sich solche Koryphäen? Ein Forschungsteam mit Innsbrucker Beteiligung liefert nun im Fachblatt "Science" eine überraschende Antwort: Wer jung Spitzenleistung erbringt, tut das nicht unbedingt auch später; junge und ältere Top-Performer sind selten ident. Das habe Konsequenzen für die Begabtenförderung.

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"Was unterscheidet Albert Einstein, Ludwig van Beethoven und Simone Biles von allen anderen Menschen in der Geschichte, die sich mit Physik, Komposition oder Kunstturnen beschäftigt haben?", fragt sich das Forschungsteam um den Sportwissenschafter Arne Güllich von der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern in seiner Übersichtsarbeit. Darin haben sie zahlreiche frühere Studien über Entwicklungsmuster internationaler Spitzenleister ausgewertet, darunter Daten von knapp 35.000 erwachsenen Kapazundern, darunter Nobelpreisträger, renommierte Komponisten, Olympiasieger und führende Schachspieler, sowie 66 Studien über junge Talente.

Die Begabungsforschung habe sich bisher weitgehend auf junge Leistungsträger konzentriert, gleich ob in Schule, Studium, Sport oder Musik, betonen die Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Dabei ging man davon aus, dass frühe Spitzenleistungen und ein hohes Maß an fachspezifischem Training in der Regel auch spätere Höchstleistungen vorhersagen. Deshalb würden weltweit viele Eliteschulen, Universitäten, Konservatorien und Sportakademien darauf abzielen, die leistungsstärksten jungen Menschen auszuwählen und durch intensives fachspezifisches Training ihre Leistungen weiter zu steigern.

Man habe sich aber bisher "nicht ausreichend mit der Frage beschäftigt, wie sich Menschen entwickelt haben, die tatsächlich später, im Höchstleistungsalter, die Weltspitze in ihrer jeweiligen Disziplin darstellen", erklärte Ko-Autor Michael Barth vom Institut für Sportwissenschaft der Universität Innsbruck. Aber genau die Differenzierung von Leistung hinsichtlich Alter und Niveau sei ein entscheidender Baustein für die Erkenntnisse der aktuellen Arbeit.

In dieser fragten sich die Autoren, ob junge Ausnahmetalente und jene, die im Erwachsenenalter Spitzenleistungen erbringen, im Wesentlichen dieselben Personen sind. Ihre Antwort nach Analyse der vorliegenden Daten: Die Top-Performer durchlaufen eine andere Entwicklung, als es die Forschung bisher annahm. Dabei zeigte sich "über die verschiedenen Disziplinen hinweg ein gemeinsames Muster", erklärte Güllich in einer Aussendung.

Er nennt drei Hauptmerkmale: Frühere und spätere Spitzenleistungen werden selten von denselben Personen erbracht. Beispielsweise unterscheiden sich die zehn weltbesten Jugendschachspieler und die zehn besten erwachsenen Schachspieler im Laufe der Zeit zu fast 90 Prozent voneinander. Ähnlich die Zahlen bei den besten Schülern der Sekundarstufe und den besten Uni-Studenten. Und auch die jugendlichen und erwachsenen Top-Athleten würden sich zu fast 90 Prozent unterscheiden.

Der Studie zufolge gehörten die meisten Nobelpreisträger und Weltklasse-Musiker, -Sportler und Schachspieler in ihren früheren Jahren noch nicht zu den Besten ihres Alters, sondern haben sich allmählich dem Topniveau angenähert. Und schließlich stellte das Forschungsteam fest, dass sich Koryphäen nicht früh auf eine Disziplin spezialisiert haben, sondern verschiedene Interessen verfolgten, etwa mehrere Studienfächer, unterschiedliche Musikgenres oder -instrumente bzw. Sportarten.

"Das ähnliche Entwicklungsmuster von Weltklasse-Leistungsträgern in verschiedenen Bereichen deutet auf weit verbreitete, wenn nicht sogar universelle Prinzipien hin, die dem Erwerb außergewöhnlicher menschlicher Leistungen zugrunde liegen", betonen die Autoren. Als Erklärung für die deutlich von der bisherigen Meinung abweichenden Ergebnisse stellte das Forschungsteam drei Hypothesen auf.

Demnach sei eine frühe Spezialisierung auf eine Disziplin kontraproduktiv. Durch frühe Erfahrungen in mehreren Disziplinen habe man bessere Chancen, im Laufe der Zeit einen für sich optimalen Fachbereich zu finden. Zudem mache man unterschiedliche Lernerfahrungen, wenn man verschiedene Interessen verfolge und baue damit Lernkompetenzen auf, die das spätere Lernen auf höchstem Niveau in einer Disziplin verbessern. Und schließlich dämpfe ein multidisziplinäres Engagement die Risiken für Faktoren, die eine weitere Entwicklung behindern, etwa Motivationstiefs, Burnout oder Verletzungen im Sport- oder Musikbereich.

Auf Basis der Erkenntnisse gibt Güllich folgende Empfehlung für eine optimale Förderung junger, begabter Menschen: "Nicht zu früh auf eine Disziplin spezialisieren, junge Menschen ermuntern, verschiedenen Interessensgebieten nachzugehen und sie durchaus in zwei bis drei Disziplinen zu fördern", auch wenn diese nicht unmittelbar etwas miteinander zu tun haben.

(SERVICE - Publikation: https://doi.org/10.1126/science.adt7790)

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