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Seit der Reform unter Schwarz-Blau im Schuljahr 2018/19 müssen Schulen mit mehr als acht Kindern oder Jugendlichen, die wegen Deutschproblemen als außerordentliche Schüler eingestuft werden, separate Deutschförderklassen anbieten. Die Kinder verbringen dann in der Volksschule 15, in der Mittelschule 20 Stunden pro Woche getrennt von ihrer Regelklasse. Nur Fächer wie Turnen oder Werken besuchen sie gemeinsam. Mit kommendem Schuljahr sollen die Standorte wieder selbst entscheiden können, ob die Förderung in extra Klassen und Gruppen oder aber im Rahmen des normalen Unterrichts stattfinden soll.
An den Schulen würde man sich im Durchschnitt tatsächlich nur acht bis zehn Stunden in separaten Förderklassen wünschen, zeigt eine am Mittwochnachmittag vorgestellte, nicht repräsentative Onlinebefragung von 413 Schulleitungen und 687 Lehrkräften durch ein Team um Susanne Schwab von der Universität Wien vom November. Damit läge man etwas über dem Ausmaß von sechs Stunden, das in den derzeitigen Deutschfördergruppen für Schüler mit fortgeschrittenen Deutschkenntnissen vorgesehen ist.
Mit der aktuell verpflichtenden separaten Förderung war in der Umfrage die Mehrheit der Schulleitungen und Lehrer unzufrieden. Jeweils über die Hälfte vergab die Schulnote Genügend oder Nicht Genügend, ein Drittel ein Befriedigend. Beide Gruppen würden mehrheitlich Mischmodelle bevorzugen, wobei es unter Schulleitungen mehr Fans für Mischformen mit einem Schwerpunkt auf Sprachförderung im Regelunterricht gibt und unter den Lehrkräften mehr Befürworter von Mischformen mit einem Schwerpunkt auf separaten Deutschförderklassen.
Dass auch Schülerinnen und Schüler mit dem aktuellen Deutschfördermodell hadern, zeigt eine weitere, ebenfalls am Mittwochnachmittag bei einem Online-Termin präsentierte Studie von Marie Gitschthaler von der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Niederösterreich, für die sie 79 Zehn- bis 15-Jährige interviewt hat. Diese fühlen sich demnach gegenüber ihren Mitschülern in der Regelklasse oft unterlegen, und das nicht nur in Bezug auf ihr Deutschniveau. Ihrer Wahrnehmung nach lernen sie in der Deutschförderklasse nämlich zudem "nur Deutsch", während die anderen Kinder und Jugendlichen in der "Normalklasse" Unterricht in "richtigen Fächern" wie Mathematik oder Geografie bekommen. In den Unterricht in den anderen Fächern werden diese Schüler laut den Interviews erst voll eingebunden, wenn sie die Deutschförderklasse verlassen haben.
Auch die soziale Anerkennung durch die Mitschüler hängt an den Deutschkenntnissen - dementsprechend würden die Kinder und Jugendlichen laut Gitschthaler große Anstrengungen unternehmen, ihr Deutsch zu verbessern und auch ihre Erstsprache vermeiden. Mit dem Wechsel in die Regelklasse verbessert sich zwar die soziale Einbindung. Allerdings kämpfen die Schüler damit, dass sie in der Zeit der Deutschförderklasse den Unterricht in anderen Fächern verpasst haben und auch sprachliche Barrieren bestehen weiterhin.
Gitschthaler hat außerdem das Zusammenspiel von Schule und Elternhaus untersucht. Ein Problem sind dabei unterschiedliche Erwartungshaltungen, so das Ergebnis der Analyse von 49 Interviews mit Schulleitungen, Lehrkräften und Eltern. Während Eltern sich mehr Unterstützung wünschen würden, weil sie etwa bei den Hausaufgaben aufgrund ihrer Deutschkenntnisse selbst an ihre Grenzen stoßen, wird von den Lehrern geringe Beteiligung der Eltern als Desinteresse interpretiert.
Überhaupt dominieren laut Studie negative Zuschreibungen durch die Lehrer. Den Eltern wird etwa unterstellt, sie seien "uninteressiert", "nicht bildungsorientiert" und würden sich nicht kümmern. Ursachen wie Arbeitsbelastung, fehlende Unterstützung oder die Tatsache, dass sich manche Eltern aufgrund ihrer eigenen Lebensgeschichte schlechter mit dem österreichischen Bildungssystem auskennen, werden dagegen weniger gesehen. Dabei würden Eltern sich laut der Befragung eigentlich mehr Information durch die Schule wünschen, fühlen sich wegen Sprachbarrieren aber unsicher und oft aus Entscheidungen ausgeschlossen, selbst wenn diese - wie im Fall der Deutschförderklasse oder Klassenwiederholung - enorme Konsequenzen haben.
Für Verbesserungen des Status Quo bräuchte es laut Schwabs und Gitschthalers Ausführungen mehr als die geplante Reform, die den Schulen lediglich mehr Freiheiten bei der Organisation der Deutschförderung bringt. So müssten die Sprachförderstunden sich laut Schwab etwa nach dem realen Sprachförderbedarf richten und nicht nach Grenzwerten bei der Zahl der außerordentlichen Schüler am Standort, außerdem sollte durch eine ausgewogene und transparente Zuweisung von Kindern mit Sprachförderbedarf eine Überlastung einzelner Standorte verhindert werden. Gitschthaler plädierte unterdessen u.a. für Sprachförderung im Klassenverband durch Teamteaching, sprachsensiblen Unterricht (z.B. Einsatz von Bildern, Symbolen oder einfachen Satzmustern im Fachunterricht) oder die Unterstützung durch Mitschüler im Rahmen von "Sprachpatenschaften".






