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"Der Vorschlag der Kommission zu den Emissionsreduktion bis 2040 folgt den Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirats. Während die US-Regierung gerade die amerikanische Forschungslandschaft gezielt zerstört, bekennt Europa sich damit klar dazu, dass wissenschaftliche Evidenz eine wichtige Grundlage für politische Entscheidungen sein muss. (...) Der Emissionsreduktions-Pfad ist ein deutliches Signal für Europa und die internationale Staatengemeinschaft, dass Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit keinen Widerspruch darstellen, sondern im Gegenteil klimafreundliche Technologien und die Transformation zu einer CO2-neutralen Gesellschaft das Fundament von Wohlstand und Innovation sind. (...)
Es bleibt abzuwarten, ob die angekündigten Flexibilitäten der Zielerreichung die Transformation unterstützen, indem Emissionsreduktion möglichst kosteneffektiv umgesetzt werden können - oder ob dadurch ein 'Verantwortungskarussell' in Gang gesetzt wird, indem die Verantwortung für konkrete Maßnahmen zwischen verschiedenen Sektoren hin- und hergeschoben wird. Dies könnte die notwendige Planungssicherheit für Investitionen konterkarieren und damit die Umsetzung von Maßnahmen verzögern, was langfristig zu höheren Kosten und verpassten Chancen führen wird."
"Die Berücksichtigung von internationalen Zertifikaten für die Zielerreichung ist kontraproduktiv - 3 Prozentpunkte der Emissionen klingt auf den ersten Blick nach wenig, aber bei etwa 10 Prozentpunkten verbleibende Gesamt-Emissionen im Jahr 2040 (im Vergleich zu 1990) können diese Zertifikate einen substanziellen Anteil am europäischen Emissionshandel einnehmen. Um einen effektiven Beitrag zur globalen Emissionsreduktion leisten zu können, müsste ein enormer administrativer und regulatorischer Aufwand betrieben werden, um die Effektivität internationaler Zertifikate zu gewährleisten und Greenwashing oder Betrug zu verhindern. Ich halte es für absurd, wenn EU-Lieferkettengesetz und Umweltstandards mit der Begründung des Bürokratieabbaus ausgehöhlt werden und gleichzeitig neue bürokratische Mechanismen für einen internationalen Zertifikatsmarkt mit zweifelhaftem Nutzen eingeführt werden."
"Die EU-Kommission öffnet in ihrem Vorschlag die EU-Emissionsreduktionziele zum internationalen Emissionshandel. Sie bestätigt in der Erläuterung dieser Öffnung indirekt, dass der derzeitige im UN-System vorgesehene internationale Handel in Hinblick auf Verlässlichkeit, Additionalität und Dauerhaftigkeit der versprochenen Emissionsreduktion unzureichend ist, und will daher ein darüberliegendes strikteres EU-Prüfsystem ausarbeiten. Dessen Kriterien und Umsetzbarkeit bleibt abzuwarten, und würde - wenn erfolgreich - den Kritikpunkt 'Verlässlichkeit' ausräumen. (...)
Kritisch bleibt, dass mit solch einem auf das 90-Prozent-Ziel anrechenbaren Handel die Anstrengung aus dem Inner-EU Bereich wegverlagert wird, die EU damit nicht nur abrückt von ihrer bisherigen globalen Leadership, sondern vor allem auch entgegen dem Rat des unabhängigen EU Scientific Advisory Board von diesem unerlässlichen Weg zu europäischer Wettbewerbsfähigkeit in einer zukunftsfähigen Wirtschaft, wie sie der Draghi-Report im Vorjahr klar als Notwendigkeit für Europa aufgezeigt hat."
"Ich denke, die Europäische Union solle mit einer ausgewählten Zahl an Drittländern, die für einen EU-Technologieexport interessant sind, enge Partnerschaften eingeben, auch um die Glaubwürdigkeit der generierten Zertifikate bestmöglich monitoren zu können. Ein europaweiter Vorgang von Käuferländern wäre hier sinnvoll."
"Das heute von der EU angekündigte Ziel bis 2040 und die begleitenden Maßnahmen werden der notwendigen Reduktion nicht gerecht. Das Ziel selbst liegt bereits am unteren Rand der Empfehlungen des Europäischen Wissenschaftlichen Beirats, trotzdem wird hier im Namen der 'Flexibilität' weiter aufgeweicht. (...) Statt einer tatsächlichen Reduktion der Emissionen um 90 Prozent bis 2040, soll ab 2036 das CO2-Budget über internationale Zertifikate fiktiv vergrößert werden. Diese Aufweichung ist ein Kniefall vor der Fossillobby. Erstens hat eine 2024 veröffentlichte Studie gezeigt, dass nur rund 16 Prozent der Projekte, über die solche Zertifikate erworben werden, auch tatsächlich zu Treibhausgasemissionen führen. Zweitens wird das Problem der Emissionen damit nur verlagert, nicht gelöst. (...) Auch die als Flexibilität getarnte Deregulierung bei den Sektorzielen ist problematisch, denn ohne verpflichtende Ziele für die einzelnen Sektoren wird das endgültige Ziel der Klimaneutralität 2050 schwer zu erreichen."
"Während eine dramatische Hitzewelle über den europäischen Kontinent rollt, legt die Europäische Kommission ein Klimaziel 2040 auf den Tisch, das voller Hintertüren ist. Die vorgeschlagenen minus 90 Prozent werden nur am Papier erreicht, denn der Handel mit gefährlichen CO2-Zertifikaten ist im Vorschlag enthalten. Statt in der EU Klimaschutz konsequent umzusetzen, wird es den Mitgliedsstaaten erlaubt, sich aus der Klimaverantwortung mit Zertifikaten freizukaufen. Bundeskanzler (Christian) Stocker und Klimaminister (Norbert) Totschnig (beide ÖVP, Anm.) müssen sich hinter die 90 Prozent stellen und sich gleichzeitig gegen gefährliche Flexibilitäten, die das Ziel abschwächen, aussprechen."
"Das Ziel von 90 Prozent Emissionsreduktion bis 2040 liegt am unteren Ende dessen, was der Wissenschaftliche Klimabeirat der EU für notwendig erachtet. Mit der Möglichkeit, internationale Klimakompensation für die EU-Klimaziele anrechnen zu können, nimmt die EU-Kommission die Mitgliedsländer außerdem zunehmend aus der Verantwortung. Auch wenn der Umfang mit drei Prozent vorerst beschränkt bleibt, öffnet die Kommission eine Tür für Scheinklimaschutz, die der politische Gegenwind, den die EU-Klimapolitik in den letzten Monaten erfährt, weiter aufdrücken könnte. (...)
"Zuletzt wurden etwa Zwischenziele für PKW-Emissionen verschoben und Richtlinien gegen Greenwashing und für Unternehmensberichterstattung zu Nachhaltigkeit und Lieferketten ausgesetzt bzw. abgeschwächt. Klimaziele sind jedoch kein Selbstzweck. Sie geben den Menschen und Unternehmen klare Perspektiven für langfristige Investitionsentscheidungen. Eine Politik, die selbst gesteckte Ziele konterkariert und kürzlich beschlossene Gesetze wieder zurücknimmt, ist dagegen Gift für jegliche Planungssicherheit."
"Die EU denkt nun Klimaschutz global und marktwirtschaftlich, das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Dem Weltklima ist es egal, wo das CO2 eingespart wird. Den globalen Klimawandel können wir nicht mit nationalem Denken bekämpfen." oecolution begrüßt, dass die Emissionen dort gesenkt werden, wo es am wenigsten kostet. Frei nach dem Motto: mehr Klimaschutz für das gleiche Geld. In Südafrika könne beispielsweise mit einem Euro nahezu 7-mal so viel CO2 eingespart werden wie im EU-Emissionshandelssystem."
"Gerade die aktuelle Hitzewelle in Europa, aber auch die massiven Schäden durch die zunehmende Anzahl an Extremwetterereignissen verdeutlichen, dass die Klimakrise lebensgefährdend und wohlstandvernichtend ist. (...) Ein Freikaufen von Klimaschutz-Maßnahmen können wir uns angesichts der zugespitzten Klimakrise nicht mehr leisten. Durch ein Bündel an Maßnahmen können die Treibhausgas-Emissionen des Verkehrs reduziert und gleichzeitig Luftqualität, Gesundheit und Mobilität der Bevölkerung verbessert werden. Eine sehr konkrete und wirksame Maßnahme, die die EU-Mitgliedsstaaten gemeinsam rasch umsetzen können, ist ein EU-weites Tempolimit auf Autobahnen von 110 km/h nach schwedischem Vorbild und von 80 km/h auf Freilandstraßen nach Vorbild beispielsweise von Dänemark, den Niederlanden und Finnland."
HANNOVER - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Julian Stratenschulte