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PSD-Psychiater Psota: Nützliche statt asoziale Medien

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Das Handy sei quasi zu einem neuen Körperteil geworden
©APA, dpa, Elisa Schu
Das Handy ist für die Generation Z und nachfolgende bereits quasi zu einem neuen Körperteil geworden. Die angeblich sozialen Medien sind zumeist "asozial" konstruiert und sollen die Betreiber vor allem reich und mächtig machen, meint der Chefarzt der Wiener Psychosozialen Dienste (PSD), der Psychiater Georg Psota. Man sollte wenigstens versuchen, ein wenig Nutzen für Gesundheit und Gesellschaft zu ziehen.

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Das erklärte er am Mittwoch bei einem Gipfelgespräch der Praevenire Gesundheitsinitiative zu Kinder- und Jugendgesundheit. Die Veranstaltung "Kinder- und Jugendgesundheit 2030" lief Dienstag und Mittwoch in Reichenau an der Rax in Niederösterreich ab. Dabei ging es einerseits um die psychische Gesundheit und um die Auswirkungen der Digitalisierung in der Pädiatrie, andererseits auch um Themen wie Übergewicht, Adipositas und Diabetes sowie um Fragen der Rehabilitation von Kindern und Jugendlichen.

Für den Psychiater Georg Psota sind viele Aspekte der Digitalisierung des Alltags für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene ausgesprochen kritisch zu sehen. "Im Grunde genommen ist das Handy ein Ungeheuer. Es hat sich für die Generation Z und Jüngere fast schon zu einem eigenen Körperteil entwickelt", sagte Psota.

Wenn Paare selbst im gemeinsamen Bett schon in die jeweiligen Mobiltelefone starrten, müsse man sich fragen: "Wollen Sie/Du/Wir das wirklich? Oder will das jemand anderer - und wenn, dann wozu?" Für den Psychiater treffen hier moderne digitale Technik und die handfesten Interessen der Social-Media-Tycoons perfekt aufeinander: "Man will das, weil die asozialen 'sozialen Medien' eine wunderbare Möglichkeit sind, extrem reich zu werden. Reicher als die mexikanische, kolumbianische, chinesische, syrische, burmesische oder afghanische Drogenmafia. Und das ganz legal. Eine Gemeinschaft von Vielen gehört letztlich einem Einzelnen oder bestenfalls Wenigen."

Die den Konsumenten in vielen Fällen vorgegaukelten digitalen "Dienstleistungen" gingen aber noch weiter, so Psota: "Sie sind eine wunderbare Möglichkeit, zu manipulieren, zum Beispiel Wahlen. Weil man die Kommunikation voll unter Kontrolle hat, die Realität durch Fakes ersetzen kann. Und man kann womöglich dadurch immer und ewig an der Macht bleiben."

Es gebe hingegen deutliche Hinweise dafür, dass Social Media für Kinder, Jugendliche und Erwachsene ganz einfach die falschen Bewältigungsstrategien für ihre Fragen anbieten, erklärte der PSD-Chefarzt. So machten sie nicht kommunikativer, einfühlsamer und offener, sondern bewirkten häufig das genaue Gegenteil. Schon gar nicht sei Engagement auf Social-Media-Plattformen ein Mittel, um soziale Isolation oder gar Einsamkeit zu bewältigen.

"Die resultierenden Auswirkungen auf unsere Jugend und auch auf die zukünftigen Generationen sind enorm. Der Schaden, den das Handy anrichtet, ist bisher weit größer als der Nutzen. Wir müssen also jede Gelegenheit nützen, um den Schaden zu reduzieren und den Nutzen zu erhöhen", sagte Psota.

In Sachen Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie in der Betreuung von jungen Erwachsenen mit psychischen Problemen bzw. Erkrankungen, wollen Wiener Experten mit einer neuen "Monsenso-App" eine Möglichkeit im Rahmen einer "Digitalen Gesundheitsanwendung" (DiGA) schaffen. An dem gerade entstehenden Programm sind rund drei Dutzend Fachleute ohne direkte finanzielle Interessen beteiligt, auch vom PSD, dem Wiener Gesundheitsverbund und der MedUni Wien.

Psota erläuterte: "Die App soll kostenlos sein. Sie wird in einer klinischen Untersuchung geprüft und soll vor allem den direkt Betroffenen, ihren nächsten Angehörigen und den Behandlern Unterstützung bieten. Es geht nicht um den Ersatz einer 'analogen', von Menschen geführten Versorgung von Menschen mit psychischen Problemen, sondern um jeweils auf die einzelnen Bedürfnisse angepasste Hilfe und Support."

So sollen digitale Patiententagebücher, (Termin-)Erinnerungen und hilfreiche Links die Patienten unterstützen und ihnen eine Möglichkeit für ständigen Support geben. Für die Angehörigen sind eigene Hilfen vorgesehen. Die Behandler wiederum sollen über ein Web-Portal einerseits die Übersicht behalten können, andererseits bessere Möglichkeiten erhalten, Kontakt und Behandlungskontinuität mit den Patienten zu verbessern. Psota meinte: "Das Handy kriegen wir nicht mehr weg. Aber möglichst gut nutzen sollten wir es schon. Das ist der Versuch, ein Ungeheuer zumindest zu zähmen."

LEIPZIG - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/APA/dpa/Elisa Schu

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