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Das Forschungsteam aus Großbritannien, Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz schätzt die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in den zwölf Großstädten für den Zehn-Tage-Zeitraum auf insgesamt 2.300. Etwa zwei Drittel davon, rund 1.500, gehen demnach auf das Konto des Klimawandels. Ohne die Erderwärmung, die die Temperatur in den Städten demnach tagsüber um ein bis vier Grad zusätzlich steigerte, wären den Berechnungen der Gruppe zufolge in diesen Städten etwa 800 Menschen an Hitze gestorben.
Für die sehr zeitnah vorgenommene Analyse habe sich das Team auf eine anerkannte Methodik gestützt, sagt der renommierte Hamburger Klimatologe Jochem Marotzke, der nicht an der Arbeit beteiligt war. Dabei verglich die Gruppe die tatsächlich in den Städten gemessenen Temperaturen in dem Zeitraum anhand eines Modells mit Werten, die ohne den Klimawandel erreicht worden wären. Für beide Szenarien errechnete das Team dann die Zahl der erwarteten Hitzetoten.
Unter der jüngsten Hitzewelle litten demnach besonders verletzliche Gruppen wie etwa Menschen mit Vorerkrankungen. 88 Prozent der geschätzten Todesfälle entfielen auf die Altersgruppe ab 65 Jahren, berichtet das Team, dem unter anderem die Attributionsexpertin Friederike Otto vom Imperial College London angehört.
Demnach verursachen Hitzewellen wesentlich mehr Todesfälle als andere Naturkatastrophen. Zum Vergleich: Bei den Überschwemmungen in der spanischen Region Valencia kamen demnach im vergangenen Jahr 224 Menschen ums Leben, bei den Flutkatastrophen 2021, darunter im Ahrtal, starben im nordwestlichen Europa 243 Menschen.
Die untersuchten zwölf Städte waren in unterschiedlichem Ausmaß von den Folgen der Hitzewelle betroffen: Demnach entfielen knapp 320 der durch den Klimawandel zusätzlich entstandenen Todesfälle auf Mailand, 286 auf Barcelona, 235 auf Paris und 171 auf London. In Frankfurt liegt die Zahl mit 21 zusätzlichen Todesopfern vergleichsweise niedrig.
Gerade weil Opfer von Hitzewellen eher wenig öffentliche Aufmerksamkeit erfahren, spricht das Team von einem "lautlosen Killer". "Hitzewellen hinterlassen keine Schneise der Verwüstung wie Flächenbrände oder Stürme", erklärt Co-Autor Ben Clarke vom Imperial College London. "Ihre Folgen sind überwiegend unsichtbar, aber im Stillen verheerend. Eine Differenz von nur zwei bis drei Grad Celsius kann für Tausende von Menschen den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten."
Als Folge des Klimawandels ist die globale Temperatur im Vergleich zur vorindustriellen Zeit bereits um 1,3 Grad gestiegen, wobei Europa gerade im Sommer stärker betroffen ist als andere Kontinente. Clarke verweist darauf, dass im Lauf des 21. Jahrhunderts drei Grad Unterschied erreicht werden könnten, sofern die Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle oder Gas nicht ende. Dies würde noch weit heftigere Hitzewellen mit sich bringen.
Das Team betont, sich in der Studie auf Todesfälle konzentriert zu haben. Zusätzlich gebe es weitere Folgen - von Krankenhauseinlieferungen, etwa von Menschen mit Asthma oder Lungenerkrankungen, über Schulschließungen bis hin zu Arbeitsausfällen, dem Abschalten von Atomkraftwerken und einer höheren Zahl an Flächenbränden aufgrund der durch die Hitze ausgedörrten Vegetation.
"Der einzige Weg zu verhindern, dass Hitzewellen noch tödlicher werden, besteht darin, das Verbrennen fossiler Kraftstoffe zu stoppen", betont Co-Autorin Otto. Zudem gelte es, erneuerbare Energien auszubauen, Städte hitzeresistenter zu gestalten und die ärmsten und verletzlichsten Bevölkerungsgruppen zu schützen.
Auslöser der jüngsten Hitzewelle war ein Hochdruckgebiet über Westeuropa - ein sogenannter Hitzedom - mit trockener heißer Luft, das sich nach Osten verlagerte und dabei heiße Luft von Nordafrika nach Europa fließen ließ. Solche meteorologischen Konstellationen würden mit dem Klimawandel häufiger und ausgeprägter, schreibt die Gruppe.
Europa sei im Sommer der sich am stärksten erwärmende Kontinent, heißt es weiter. Im Sommer 2022 starben dort demnach mehr als 60.000 Menschen an Hitze - die Hälfte davon ging Studien zufolge auf das Konto des Klimawandels. Im Folgejahr gab es demnach 47.000 Hitzetote.
Eine Besonderheit der jüngsten Hitzewelle war das besonders frühe Auftreten schon im Juni. "Extreme Hitze, die früh in der Jahreszeit eintritt, ist tendenziell besonders tödlich, weil die Menschen noch nicht an die Sommertemperaturen gewöhnt sind", heißt es.
Marotzke spricht von einer "sehr gut gemachten Studie". Dass eine wissenschaftliche Analyse so schnell auf ein Ereignis folge, sei zwar ungewöhnlich, aber angesichts des Informationsbedürfnisses gut und richtig, sagt der Direktor am Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie, der nicht an der Studie beteiligt war. "Gerade in Hinblick auf Temperaturentwicklungen sind unsere Modelle sehr gut", bei Niederschlägen sei dies weniger der Fall.
"Es gibt keinen Zweifel daran, dass Hitzewellen mit dem Klimawandel häufiger und intensiver werden", sagt der Klimatologe. Darauf seien deutsche Städte unzureichend vorbereitet: Als Beispiele nennt er viele verglaste und nicht abgeschattete Gebäude, zu wenig begrünte und zu viele versiegelte Flächen.