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Die Arbeitssprache der rund 1.500 Mitarbeiter, die am Weltraumbahnhof in Kourou ihren Dienst versehen, ist zwar großteils Französisch, dass man sich nicht im Kernland Frankreichs befindet, wird aber rasch klar. Die Wildwechselschilder in diesem Teil Französisch Guyanas zeigen keine Rehe, man sieht Affen, Ameisenbären oder sogar Jaguars abgebildet. Letztere Raubkatzen haben sich auf dem über 650 Quadratkilometer großen Areal entlang der Karibikküste recht gut eingerichtet. Laut Wildkameras teilen sich immerhin rund 20 Exemplare der scheuen Tiere das Gebiet.
Das sind deutlich mehr, als man im Umland auf vergleichbaren Flächen findet, erklärte Renate Bragance vom Europäischen Raumfahrtzentrum einer Gruppe Journalisten, die den letzten Start des Jahres der Trägerrakete vor Ort mitverfolgen können. In den vergangenen Jahren hat sie zwei Jaguars gesehen - ein seltenes Privileg mit Gänsehautfaktor.
Den bietet am 17. Dezember auch der Blick in den Nachthimmel: Europas neue Lastrakete "Ariane 6" hebt zum insgesamt fünften Mal ab - es ist der vierte Start im Jahr 2025. Im kommenden Jahr sollen es acht sein, mittelfristig will man auf um die zehn Starts kommen. Dazu kommen um die sechs Lift-offs der deutlich leichteren "Vega-C".
Man brauche diese "Plattformen", wie sie im Jargon der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) heißen, die den Raumbahnhof zusammen mit ArianeGroup, dem Raketenbetreiber Arianespace und Frankreichs Forschungsinstitut CNES federführend bespielt. Das Areal gehört der französischen Raumfahrtbehörde und steht seit den 1960er Jahren im Zeichen der Weltraum-Aktivitäten. Von hier aus heben die neuen Trägerraketen ab. In der angrenzenden Stadt Kourou ist das "Raumfahrtzentrum Guyana", das von Savannenlandschaft und Regenwald geprägt ist, ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor.
Nur ein kleiner Prozentsatz der Fläche beherbergt Gebäude, der Rest ist weitestgehend naturbelassen. Von der teils von Enteignung und nicht adäquater Kompensation der dort einst heimischen Familien geprägten Anfangszeit der neuen Nutzung vor Jahrzehnten lässt sich am Areal selbst nichts mehr ausmachen. Im angrenzenden Raumfahrtmuseum kann man diese Geschichte allerdings nachlesen. Jagen dürfen Menschen hier schon lange nicht mehr, was die Jaguare sogar dazu veranlasst, mit Artgenossen quasi Tür an Tür zu leben. Beute gibt es genug auf dem weitläufigen Gelände, das eine Woche vor Weihnachten vom Ariane-6-Antrieb mitten in finsterer Tropennacht kurzzeitig hell erleuchtet wird.
Sieht man genauer hin bzw. wird darauf hingewiesen, wird einem bewusst, dass man hier ausbaut. Ein neues, zweites Kontrollzentrum steht im Rohbau schon da. Die Infrastruktur für neue Trägerraketen steht und wird laufend optimiert, wie Rolf und Phillip von ArianeGroup erklären. Sie sind sozusagen die Letztinstanz im Zusammenbau des Herzstücks der Ariane 6 im Montagegebäude der Trägerrakete (BAL). Geliefert werden die Großkomponenten aus mehreren Teilen Europas mit einem ebenfalls neuen Schiff, der "Canopée". Auch österreichische Firmen liefern Hightech-Teile für die Trägerrakete. Österreich ist eines von 13 Ländern, die hier mitengagiert sind.
Phillip arbeitet seit elf Jahren hier: "Entweder man mag Guyana oder eben nicht. Ich mag es." Heim nach Deutschland kommt er höchstens im Urlaub, so der 38-jährige Deutsche. Nach einem Besuch einer "Summerschool" zum Thema Raumfahrt hat er sein Studium in Berlin auf Raketentechnik ausgerichtet. Rolf wiederum war zuvor in der Flugzeugindustrie tätig. An deren Abläufen orientiert man sich nun auch zunehmend bei Ariane 6. Sie wird großteils liegend gefertigt und zusammengesetzt - das ist ökonomischer.
Den Trägerraketen-Dauerbrenner Ariane 5 beförderte man in Kourou noch aufrechtstehend von Fertigungshalle zu Fertigungshalle - auf eigenen Schienen. Der Aufwand war dementsprechend größer. Von dem Konzept ist man nun abgekommen. Man will schneller werden in mehr oder weniger allen Bereichen, betonte auch Toni Tolker-Nielsen, Leiter des Weltraumtransportprogrammes der ESA, im Gespräch mit der APA.
Die Nachfrage nach Möglichkeiten, Gerätschaften ins All zu schicken, stieg zuletzt deutlich stärker als im Jahr 2014 gedacht, als man begann, Ariane 6 zu entwickeln. Federführend hat das die ESA selbst getan, so Tolker-Nielsen. Beim Nachfolger wird das anders. "Wir haben unseren Ansatz geändert. Wir wollen ein Anker-Konsument bei einer privaten Entwicklung werden."
Die europäischen Weltraum-Start-ups sollen dazu motiviert und befähigt werden, konkurrenzfähige Großraketen zu entwickeln und zu bauen. Zwar werde Ariane 6 vermutlich bis ungefähr 2040 im Einsatz sein, aber schon 2035 soll es eine Nachfolgerin geben, die auch zum Teil wiederverwendbar ist. Auch aus Gründen der Nachhaltigkeit könne man nicht mehr große Raketenstufen einfach ins Meer stürzen lassen, betonte Tolker-Nielsen: "Das ist in Zukunft nicht mehr akzeptabel." Erste Tests für Booster-Raketenstufen, die zurückkehren, stehen 2026 im schwedischen Kiruna an, auch die neuen Motoren sollen wiederbenutzbar sein.
Die ESA hat dazu "Challenges" ausgeschrieben, die von den Firmen mit großem Interesse angenommen werden. Der Plan, in rund zehn Jahren mit einer neuen Technologie in Kourou am Start zu sein, sei "ambitioniert", aber nicht unrealistisch. Gebraucht werde das nicht nur, um die von der EU-Kommission getragenen Programme wie das Satellitennavigationssystem Galileo, das Erdbeobachtungsprogramm Copernicus oder diverse Forschungssonden autonom voranzutreiben, auch internationale Firmen haben großes Interesse. Der erste Start der Ariane-Variante mit vier Boosterraketen im kommenden Jahr wird eine Internet-Satellitenkonstellation des Amazon-Konzerns in den Orbit bringen.
"Europa muss seinen Bedarf selbst decken können", so der ESA-Experte. Die Zeiten, wo man sich auf Partner aus Russland oder den USA verlassen konnte, sind absehbar vorbei. Die schwierige geopolitische Situation hat der ESA auch mehr als indirekt zu einem Rekordbudget von über 22 Milliarden Euro in den kommenden drei Jahren verholfen.
Knapp vor dem vorweihnachtlichen Ariane-6-Start zeigt sich Tolker-Nielsen betont zuversichtlich: "Es wurde alles getan, um den Erfolg sicherzustellen." Er sollte recht behalten. Dass in Zukunft etwa in Nordeuropa auch einmal Schwerlastraketen starten, sei nicht geplant. "Das hier ist Europas Raumbahnhof", bekräftigte der ESA-Weltraumtransportchef in Kourou, wo sich künftig auch noch mehr europäische Weltraumfirmen niederlassen sollen. Von hier aus lasse sich nämlich in alle Richtungen und in alle Orbits starten, und das durch die Nähe zum Äquator auch ressourcensparender als von Europa aus.
(Von Nikolaus Täuber/APA)
Ausbau Raumfahrtzentrum der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) in Französisch-Guayana soll in den kommenden Jahren Aufwertung erfahren. Dabei sollen die neuen Trägerraketen aus der Privatwirtschaft kommen. Zuletzt wurden zwei Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo Mitte Dezember 2025 mit der neuen Ariane-6-Rakete vom Weltraumbahnhof in Kourou erfolgreich gestartet. Im Bild: Das Kontrollzentrum - "Jupiter-Room" genannt - im Raumfahrtzentrum der ESA in Französisch-Guayana, aufgenommen am Mittwoch, 17. Dezember 2025.
Ausbau Raumfahrtzentrum der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) in Französisch-Guayana soll in den kommenden Jahren Aufwertung erfahren. Dabei sollen die neuen Trägerraketen aus der Privatwirtschaft kommen. Zuletzt wurden zwei Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo Mitte Dezember 2025 mit der neuen Ariane-6-Rakete vom Weltraumbahnhof in Kourou erfolgreich gestartet. Im Bild: Die Ariane-6-Rakete am Weltraumbahnhof in Kourou in Französisch-Guayana, aufgenommen am Dienstag, 16. Dezember 2025.
Ausbau Raumfahrtzentrum der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA) in Französisch-Guayana soll in den kommenden Jahren Aufwertung erfahren. Dabei sollen die neuen Trägerraketen aus der Privatwirtschaft kommen. Zuletzt wurden zwei Satelliten des europäischen Navigationssystems Galileo Mitte Dezember 2025 mit der neuen Ariane-6-Rakete vom Weltraumbahnhof in Kourou erfolgreich gestartet. Im Bild: Rolf von der Arianegroup im Montagegebäude der Trägerrakete (BAL) in Französisch-Guayana, aufgenommen am Dienstag, 16. Dezember 2025.






