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Die Gletscherforscher Lilian Schuster und Fabien Maussion von den Universitäten Innsbruck und Bristol - beide Unis waren federführend an der neuen Studie beteiligt - hatten sich unter anderem die Frage gestellt, ob sich Gletscher überhaupt wieder erholen könnten, wenn sich das Klima abkühlt. "Die Antwort lautet, dass das zu unseren Lebzeiten oder jener unserer Kinder leider nicht möglich ist", hieß es in einer Aussendung am Montag.
Die neue Studie lieferte jedenfalls erstmals globale Simulationen der Gletscherentwicklung bis zum Jahr 2500 unter sogenannten "Overshoot"-Szenarien - also Klimaverläufen, bei denen die Temperatur zeitweise über das "Pariser 1,5 Grad-Ziel" hinausgeht. Im dahin gehenden Übereinkommen hatte man es sich zum Ziel gesetzt, den "menschengemachten globalen Temperaturanstieg durch den Treibhauseffekt im 20-Jahresmittel auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen", gerechnet vom Beginn der Industrialisierung bis zum Jahr 2100.
Die im Fachmagazin "Nature Climate Change" veröffentlichte Untersuchung zeigte nunmehr laut den Verantwortlichen, dass eine "temporäre Überschreitung der 1,5 Grad-Marke auf bis zu drei Grad, bevor es durch spätere Emissionsminderungen wieder zu einer Abkühlung kommen könnte, den Gletschern bis zu 16 Prozent mehr Masse kosten als in einem Szenario, in dem 1,5 Grad nie überschritten werden." "Die derzeitigen Klimapolitiken steuern auf rund 3 Grad Celsius zu", erklärte Wissenschafter Maussion von der Uni Bristol in diesem Zusammenhang: "Eine solche Welt ist für Gletscher deutlich schädlicher als eine, in der die 1,5 Grad-Grenze nie überschritten wird."
Das "Overshoot-Szenario" beinhaltete konkret eine Entwicklung, in der die globale Temperatur bis etwa zum Jahr 2150 auf drei Grad steigt und erst bis 2300 wieder auf 1,5 Grad sinkt. Das Ergebnis: Gletscher würden bis 2200 etwa 16 Prozent mehr Masse und bis 2500 rund elf Prozent mehr verlieren als ohne Überschreitung des 1,5 Grad-Ziels. Zusätzlich zu den 35 Prozent, die selbst bei Einhaltung dieses Ziels als "unvermeidlicher Verlust" gelten würden. Dieses zusätzliche Schmelzwasser trage erheblich zum Anstieg des Meeresspiegels bei. "Unsere Modelle zeigen, dass es viele Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende dauern würde, bis große Gletscher sich nach einem Drei-Grad-Celsius-Overshoot erholen. Bei kleineren Gletschern, etwa in den Alpen, im Himalaya oder in den Tropischen Anden, ist eine Erholung frühestens bis zum Jahr 2500 denkbar - nicht aber für kommende Generationen", verdeutlichte Forscherin Schuster vom Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften der Universität Innsbruck, die Hauptautorin der Studie.
Die Forschungsergebnisse würden zeigen, dass "rasche Emissionsreduktionen von Treibhausgasen immer noch zur langfristigen Erhaltung von Gletschern und deren Wasserabfluss beitragen." "Eine Begrenzung der Erwärmung auf 1,5 Grad würde im Vergleich zu einem temporären Überschreiten auf drei Grad bis zum Jahr 2500 mehr als zehn Prozent mehr Gletschermasse bewahren", appellierte Schuster an Politik und Gesellschaft, die Pariser Ziele einzuhalten. Im Falle eines Überschreitens lasse sich vieles selbst bei einer späteren Abkühlung nicht rückgängig machen: "Je länger wir mit der Emissionsreduktion warten, desto stärker belasten wir künftige Generationen mit unumkehrbaren Folgen."
REYKJAVIK - ISLAND: FOTO: APA/APA/UIBK/Lilian Schuster