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Dem "normalen" Internet-Nutzer sind vermutlich die KI-generierten Zusammenfassungen zu Suchanfragen oder mittlerweile täuschend echte Bild-, Video- oder Stimmimitationen durch diverse einschlägige Systeme am geläufigsten. Was sich in dem Bereich in den vergangenen Jahren getan hat, sei auch tatsächlich unglaublich, räumte eine Runde aus Expertinnen und Experten Montagnachmittag bei dem noch bis Mittwoch (3. Dezember) laufenden Festival ein. Wer aber glaubt, dass es mit mehr oder weniger witzigen Anwendungen, wie von der KI erzeugten Katzenvideos getan ist, liege weit daneben. Die KI-Entwickler würden sich zunehmend anderen Themen zuwenden und dies sei eben auch die militärische Forschung, erklärte Claudia Plant von der Fakultät für Computerwissenschaften der Universität Wien.
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine und die bisherigen Aktivitäten der neuen US-Administration hätten tatsächlich nochmals auch den militärischen Aspekt gestärkt, erklärte Bronstein, der davon ausgeht, dass man in Zukunft weit mehr KI-Anwendungen auf Schlachtfeldern sehen wird. Der einflussreiche KI-Experte, der im vergangenen Jahr das neu eingerichtete Institut für Künstliche Intelligenz (KI) in der Biomedizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) namens "Aithyra" übernommen hat, sieht den neuen technologischen Arm insgesamt sehr weit reichen.
Damit ist auch die Kreativwirtschaft gemeint: Er habe zuletzt versucht, eine KI Goethe-Texte in russische Kriminalliteratur übersetzen zu lassen - mit "erstaunlichen" Ergebnissen. In der Filmproduktion schicken sich Systeme an, die Abläufe extrem zu beschleunigen und vom menschlichen Zutun wegzurücken. Mittlerweile gebe es auch mehr oder weniger "interessante Musik" aus KI-Produktion. Bronstein sieht mitunter sogar die letzten Bastionen menschlicher Kreativität unter Druck kommen. Und auch die Wissenschaft und Hochschulen würden sich zum Teil radikal ändern müssen.
Wie es um die hypothesen- und theoriegeleitete Forschung bestellt ist, skizzierte er anhand der KI-gestützten Forschung in den Lebenswissenschaften: Früher haben Menschen Daten gewonnen, diese interpretiert, dann eine Software geschrieben, deren Aufbau menschlich nachvollziehbar war, und auf dieser Basis Lösungen für Probleme generiert. Jetzt füttert man interpretierbare Daten aus Experimenten neuronalen Netzwerken - vulgo KIs -, die dann in einer Art "Black-box" eine Software erstellen, die kaum intuitiv nachvollziehbar ist. Das gilt auch für so manche Ergebnisse, die so produziert werden.
In Zukunft werde man voraussichtlich "Black-box"-Software auch mit "Black-box"-Daten füttern - also Informationen aus biomedizinischen Experimenten, die für Menschen so nicht interpretierbar sind. Letztlich werde es das wohl brauchen, um neue, bessere und zielgerichtetere Wirkstoffe computergestützt zu entwickeln. Die wissenschaftliche Theorie nehme zusehends "auf dem Rücksitz Platz", zitierte Bronstein einen Kollegen.
Vom von Menschen produzieren Geistesblitzen oder Heureka-Momenten komme man in eine Realität, in der die Technik den Ausgangspunkt für viele Ideen bildet. Das sei allerdings auch nicht so neu, denn ohne das Mikroskop gebe es keine modernen Biowissenschaften. Das neue Mikroskop ist also "maschinelles Lernen" mittels neuronalen Netzen - und das bringt vielleicht die größte Veränderung in der Wissenschaft bisher mit sich, meinte Bronstein.
Das heiße aber nicht, dass Wissenschafterinnen und Wissenschafter obsolet werden. Denn KI-Systeme brauchen Daten, mit denen sie arbeiten können, und Menschen, die mit Ergebnissen etwa in die klinische Überprüfung gehen. Man dürfe nämlich auch nicht glauben, dass die "magische Hand der Maschine die Probleme einfach lösen wird", sondern müsse sie mit den richtigen Problemen auf Basis der richtigen Daten betrauen.
Was dem menschlichen Forschenden bleibt, ist hoffentlich mehr Zeit zum Nachdenken über "Highlevel-Probleme". Die KI könne eben auch die Teile des wissenschaftlichen Lebens beschleunigen, die nicht ganz so wissenschaftlich sind - wie das Verfassen von Förderanträgen. In Zukunft würden auch verstärkt Wissenschafter verschiedenster Fächer mit KI-Experten zusammenarbeiten und hoffentlich lernen, solche Systeme "ethisch korrekt zu nutzen", betonte Marta Sabou von der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien. Pascal Van Hentenryck von der Georgia Tech University (USA) sieht auch eine starke Veranlassung dazu, dass die heute "hoch spezialisierten" Forscherinnen und Forscher künftig mehr über andere Disziplinen lernen.
Mit der höchst zeitgeistigen KI und der dafür benötigten Hardware müsse man sich so und so mehr oder weniger überall auseinandersetzen, so Bronstein. Es müsse auch nicht jedes Projekt mit KI-Aspekt auf 10.000 für solche Anwendungen nötigen Hightech-Grafikprozessoren (GPUs) laufen. Man kann auch mit relativ wenig Hardware "viel Cooles machen" - ganz ohne geht es aber natürlich nicht: Bronstein: "Jede Förderzusage sollte heute Rechenressourcen beinhalten."
Zum Abschluss der dreitägigen Konferenz an der TU Wien wird der Leiter des Google Quantum AI-Labs, Hartmut Neven, die diesjährige "Vienna Gödel Lecture" halten. Am Mittwochabend wird der deutsche Informatiker zum Beginn der Ära der fehlerkorrigierten Quantencomputer sprechen.
(Service - "AI Festival" an der TU Wien: https://informatics.tuwien.ac.at/news/2954; Informationen zur Gödel-Lecture: https://informatics.tuwien.ac.at/news/3047)
ARCHIV - 16.03.2015, Niedersachsen, Hannover: Ein Messebesucher geht an einem Leuchtdisplay auf der Messe Cebit vorbei. (zu dpa: «Angst vor Crash: KI-Sorgen könnten Dax-Jahresbilanz vermiesen») Foto: Peter Steffen/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
