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Die Welt auf einer Eierschale: Leonardo-da-Vinci-Globus im 3D-Scan

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Der Globus wurde von da Vinci aus zwei Straußeneiern gefertigt
©WESTCAM, APA
Normalerweise liegen bei der Tiroler Firma Westcam industrielle Bauteile im 3D-Scanner, um auf Mängel überprüft zu werden. Zuletzt war es aber ein Globus aus dem Jahr 1504, gefertigt von Leonardo da Vinci aus zwei Straußeneiern. Das Verfahren habe neue Einblicke in Haptik und Herstellungsmerkmale des Kunstwerks geliefert, so der in Österreich lebende belgische Wissenschafter Stefaan Missinne zur APA, er habe "in eine über 500 Jahre alte Renaissance-Zeitkapsel" sehen können.

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Der Globus misst 11,2 Zentimeter und sein Maßstab beträgt 1:80.000.000. Laut Missinne ist es der älteste Globus der Welt, auf dem die Neue Welt, Mundus Novus, dargestellt ist, wie man sie von Expeditionen u.a. von Amerigo Vespucci zu Beginn des 16. Jahrhunderts kannte. Während Küstenteile von Südamerika eingezeichnet sind, erstreckt sich dort, wo die USA, Kanada und Mittelamerika sind, ein Ozean mit einer offenen Westpassage zu den Gewürzinseln. Zu sehen ist auch eine Demarkationslinie im Atlantik, die die Welt basierend auf den Vertrag von Tordesillas (1494) zwischen Spanien und Portugal aufteilte.

Die beiden Eierschalen wurden am Äquator mit Eiweiß zusammengeklebt und fein graviert - laut Professor Missinne, der auch Mitglied der britischen "Royal Geographic Society" ist, vom Meister persönlich und nicht von einem seiner Schüler. Hier ist er sich sicher, denn die Gravuren wurden von einem Linkshänder gemacht und Leonardo da Vinci sei der einzige Linkshänder in seiner Werkstatt gewesen. Bei der Datierung des fragilen Kunstwerks half unter anderem die Frisur eines abgebildeten schiffbrüchigen Matrosen: Der typische Florentiner Haarschnitt wurde von der italienischen Renaissance-Expertin Elisabetta Gnignera auf den Zeitraum 1495 bis 1505 datiert.

Missinne widmet sich seit langem der Erforschung des Leonardo-da-Vinci-Globus. Der 3D-Scan mit mikrometergenauer Auflösung brachte aber auch für ihn viel Neues: Er habe den Globus praktisch in seinem Urzustand, "also vor der Farbgestaltung mit Eisengallus-Tinte" sehen können, schildert er, inklusive einiger kleiner Korrekturen, sogenannter Pentimenti ("Reuestriche"). Die Messgenauigkeit von 0,003 Millimetern ermöglichte eine bisher "unerreichte Detailtiefe".

"Ein Foto kann die haptische Struktur eines Objekts nicht abbilden - ein 3D-Scan schon. Gerade bei einem so außergewöhnlichen Kulturgut liefert die dreidimensionale Erfassung entscheidende Erkenntnisse über Konturen, Gravuren und Herstellungsmerkmale", sagt Thomas List, Leiter der 3D-Metrology Services bei Westcam, der den Scan in St. Florian bei Linz, wo einer der drei Messräume der Firma mit Zentrale in Mils (Bezirk Imst) steht, durchgeführt hat. Für die Vermessung wurde der Globus mithilfe eines Zeiss ScanBox 4 Roboters sowie eines Drehtischmoduls vermessen. Zuvor wurde er auf einer speziell dafür angefertigten Vorrichtung fixiert - mit aller Vorsicht, die bei einem 500 Jahre alten Kunstwerk auf einer Eierschale geboten ist.

++ HANDOUT ++ Normalerweise liegen bei der Tiroler Firma Westcam industrielle Bauteile im 3D-Scanner, um auf Mängel überprüft zu werden. Zuletzt war es ein Globus aus dem Jahr 1504, gefertigt von Leonardo da Vinci aus zwei Straußeneierschalen. Im Bild: Der Globus, aufgenommen in St. Florian bei Linz.

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