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Barbara Laa, Forscherin am Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität (TU) Wien:
"Die Aufweichung des Verbrenner-Aus ist ein Rückschritt: Sie sendet ein falsches Signal für den Klimaschutz und ist technologisch wenig sinnvoll. Batterieelektrische Pkw sind deutlich effizienter als Verbrenner mit E-Fuels oder Biokraftstoffen. Diese Kraftstoffe werden außerdem absehbar nicht in ausreichenden Mengen verfügbar sein und werden dringend in anderen Bereichen wie der Luft- und Schifffahrt benötigt. Die neue 90-Prozent-Quote schafft Investitionsunsicherheit und schwächt langfristig die Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber China - zumal die Marktentwicklung die europäischen Vorgaben voraussichtlich überholen wird."
"Gleichzeitig darf die Mobilitätswende nicht auf den Antrieb reduziert werden", hebt die Verkehrswissenschafterin in einem Statement gegenüber der APA hervor. "Auch E-Pkw lösen Probleme wie Flächenverbrauch, Lärm und Rohstoffbedarf nicht. Entscheidend sind zusätzliche Maßnahmen, die weniger und kleinere Fahrzeuge ermöglichen und Alternativen zum privaten Auto schaffen. Mit dem Klima lässt sich nicht verhandeln - Mobilität muss neu gedacht und die Pkw-Abhängigkeit reduziert werden."
Helmut Eichlseder, Vorstand des Instituts für Thermodynamik und nachhaltige Antriebssysteme der TU Graz:
"Grundsätzlich ist es zu begrüßen, nicht eine Technologie, sondern eine Zielsetzung bezüglich Umwelteinfluss bzw. Treibhausgaseinfluss festzulegen", betont er in einem Statement gegenüber der APA, da "von einer alleine ideologisch basierten Technologiefestlegung - weltweit übrigens in Europa einzigartig - nicht das beste Ergebnis für das Klima erwartet werden" könne. Es werde "vereinfachend von weiten Kreisen - und auch in der derzeitigen Gesetzgebung - davon ausgegangen, dass ein Betrieb der Fahrzeuge mit Strom CO2-neutral ist, weil kein Auspuff am Fahrzeug ist. Dass die reale Klimarelevanz von der Erzeugung des Stromes abhängt, der in Europa zwischen 50 und 750 g CO2/kWh verursacht, wird ignoriert. Umgekehrt wird Kraftstoff für Verbrennungsmotoren automatisch mit fossil gleichgesetzt, selbst wenn er erneuerbar erzeugt wird. Die entscheidende Frage für die Umweltverträglichkeit ist jedoch der Energieträger bzw. die Bereitstellung der Energie und nicht der Energiewandler am Ende."
"Insofern ist es richtig und vor allem zielführend, hier in die Gesetzgebung die Bereitstellung der Energie mit zu berücksichtigen (beispielsweise Kraftstoffe bzw. Beimengungen aus erneuerbar bereitgestellter Energie wie HVO oder E-Fuels) und einzubeziehen, am besten mit einer Life-Cycle Analyse incl. Fahrzeugherstellung und -entsorgung. Inwieweit dies mit der geplanten Änderung umgesetzt werden soll, geht für mich aus dem bisher Veröffentlichten nicht hervor." Dies lasse derzeit einen zu großen Interpretationsspielraum zu. "Der Entwurf ist für mich aber grundsätzlich positiv zu sehen, da ich überzeugt bin, dass die angestrebten Klimaziele nur durch eine Kombination von E-Fahrzeugen mit einer Ausnutzung mehrerer Technologien wie elektrifizierten Fahrzeugen mit Range Extender, Hybrid etc und mit erneuerbaren Kraftstoffen erreichbar sind. Damit würden auch Anreize bestehen, die Investitionen in erneuerbare Kraftstoffe vorzunehmen und damit auch den riesigen Bestand an Fahrzeugen (weltweit etwa 1400 Millionen, die ja eine Lebensdauer von mindestens 15 Jahren haben) zumindest teilweise auf erneuerbarer Basis zu betreiben, was einen sehr großen Effekt hätte", so Eichlseder, der "mit Spannung die Vorschläge für den exakten Gesetzestext" erwartet.
Bernhard Geringer, emeritierter Vorstand des Instituts für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik an der TU Wien:
Der Automobiltechniker und Vorsitzender des Vereins für Kraftfahrzeugtechnik begrüßte die angekündigte Neuregelung im Gespräch mit der APA als "sinnvollen Schritt in die Richtung, in die man gehen will". Es käme zwar noch sehr auf die konkrete Ausformulierung der unterschiedlichen Bestimmungen an, doch dass die Materie nun gesamthaft gesehen würde, sei zu begrüßen. Die vielfach verlangte "Technologieoffenheit" in Richtung unterschiedlicher Antriebssysteme sei damit gewährleistet: "Man muss mehrgleisig gehen, um die entsprechende Technik zu entwickeln." Dies sei auch in China der Fall, dessen Kfz-Industrie in der europäischen Debatte ausschließlich auf E-Autos reduziert werde.
Den Kritikern einer Verschiebung des Verbrenner-Aus hielt er entgegen, sie hingen einem "Wunschdenken" nach. Bis eine flächendeckende E-Mobilität gewährleistet sei, brauche es Übergangstechnologien. Die neue Regelung betreffe nur Neuzulassungen, die "Bestandsflotte" werde daher wohl noch lange überwiegend mit Verbrenner-Antrieb unterwegs sein. Durch die Forcierung von emissionsarmen Kraftstoffen könne daher schon viel früher eine deutliche CO2-Reduktion erreicht werden.
Achim Kampker, Inhaber des Lehrstuhls für Production Engineering of E-Mobility Components an der RWTH Aachen:
"Ein paar gute Ansätze sind drinnen, aber insgesamt führt das zu viel mehr Bürokratie und Unsicherheit", kritisierte der deutsche Maschinenbauer mit Spezialgebiet E-Mobilität, in einem vom deutschen Science Media Center (SMC) am Mittwochfrüh organisierten Expertengespräch. Man müsse "einmal ankommen bei null Emissionen, aber dieser Kompromiss hilft uns nicht": "Das reicht nicht aus! Wir bräuchten einen Befreiungsschlag und eine Aufbruchsstimmung." Stattdessen würden nun eine Vielzahl von zusätzlichen Bestimmungen vorgeschlagen, die "absolut nicht hilfreich, sondern kontraproduktiv" seien: "Das ist alles wahnsinnig komplex, kompliziert und herausfordernd".
Die Verunsicherung nicht nur bei den Kunden, sondern auch bei der Autozuliefererindustrie werde bestehen bleiben. "Da werden wohl einige auf der Strecke bleiben". Kampkers Fazit: "Eine gesamthafte Strategie im Sinne der E-Mobilität kann ich noch nicht erkennen - die bräuchte man aber dringend!"
Thomas Grube, Mitglied der Forschungsgruppe Verkehrsszenarien am Institute of Climate and Energy Systems in Jülich:
"Wir bekommen noch mehr von dem, was wir nicht brauchen: Unübersichtlichkeit", fasste der Modellierungs-Experte in dem SMC-Online-Gespräch die von der Autoindustrie ausverhandelte "Verschnaufpause" zusammen, die "wirtschaftspolitisch vielleicht sinnvoll", aber im Detail "kaum nachzuvollziehen" ist. "Für mich war die größte Überraschung, dass der Verbrennermotor so, wie wir ihn heute kennen, weiter drinnen ist."
ARCHIV - 07.10.2025, Sachsen, Dresden: Das Auspuffrohr eines Fahrzeugs auf einem Parkplatz. (zu dpa: «Ökonomen kritisieren Abkehr vom Verbrenner-Aus scharf») Foto: Sebastian Kahnert/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
