von
Sein im Vorjahr erschienener Erstling, in dem ein gestresster Manager nach einer zufälligen Begegnung mit einem Kartoffelbauern am Land Gespräche über den Sinn des Lebens führt, traf den Nerv einer sich nach Ruhe, Frieden und Zuversicht sehnenden Gesellschaft. Doch ausgerechnet beim Schreiben von "25 letzte Sommer" stellte sich das Leben des norddeutschen Autors auf den Kopf: Durch eine scheinbar harmlose Schnittverletzung am Finger zog sich Schäfer eine bakterielle Infektion zu, die Gewebe rasch absterben lässt und meist zum Tode führt.
"Zum Glück habe ich es überlebt", schildert Schäfer im APA-Gespräch. Mit einem raschen chirurgischen Eingriff war es nicht getan, bis zur Heilung dauerte es sechs Monate. In dieser Zeit musste er jeden zweiten Tag zur Behandlung ins Spital, um die drohende Amputation des Fingers oder gar des gesamten Armes abzuwenden.
Die Erfahrung habe ihn als Mensch verändert und ihm "ein anderes Leben geschenkt", berichtet der Hamburger. Dies zeige sich vor allem im Alltag. Habe er Zettel mit belanglosen Haushaltsaufträgen ("Bringst Du das mit?") früher als nervig empfunden, sehe er sie heute als Beweis, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Mit seinem Sohn einen Apfelkuchen backen? Was könne es Schöneres geben, denn im Spital hätte er viel dafür gegeben, solche Alltagsdinge tun zu dürfen, spricht Schäfer von einem "Perspektivwechsel".
Seine Erfahrungen machte er zum Gegenstand des Buches. "Wenn ich schon so etwas erlebt habe, muss es für etwas gut gewesen sein. Als Mensch hätte ich gut darauf verzichten können. Als Schriftsteller wurde mir eine Geschichte geschenkt, die ich erzählen konnte", sagt der Autor. "Ich habe ein freundliches, warmes und lebensbejahendes Buch geschrieben. Ich wollte das Ereignis schildern und Kraft daraus schöpfen."
Schäfer betont, dass nicht alles im Werk autobiografisch ist. So darf man rätseln, was an dem verstörenden Kapitel über das plötzliche Ende einer langjährigen Freundschaft wahr ist. Der kurze Abschnitt steht quer zum optimistischen Grundton des Buches und macht es so erst richtig authentisch. Hier wird klar: Stephan Schäfer ist alles andere als ein Feelgood-Autor, der seinen Leserinnen und Lesern das Blaue vom Himmel verspricht. Es heißt ja nicht "Alles wird gut", sondern "Jetzt gerade ist alles gut". Schäfers Buch ist kein Heilsversprechen, sondern ein Appell, das Leben so zu nehmen, wie es ist, und nie den Blick auf das Wesentliche zu verlieren.
Was das Wesentliche ist, lässt Schäfer im Buch einen unglücklichen Glücksforscher schildern. Glück sei nicht Erfolg, Wohlstand, auch nicht die große Liebe - es sind die zwischenmenschlichen Beziehungen, und diese stehen auch im Zentrum der Handlung. Egal ob Familie, Freunde oder die Krankenpflegerin, die der Hauptfigur des Romans Mut zuspricht.
Die Geschichte von "Jetzt ist gerade alles gut" ist so unglaublich wie jene des Autors. Denn das "andere Leben" schenkte Schäfer sich eigentlich selbst. Drei Jahrzehnte lang war er Journalist und arbeitete sich bis zur Spitze des Zeitschriftenverlags Gruner + Jahr und des Fernsehsenders RTL Deutschland hinauf. Mit knapp 50 Jahren gab er diese glänzende Karriere komplett auf, um Schriftsteller zu werden.
"Ich wollte noch einmal Anfänger sein. Ich wollte meinen Kindern zeigen, dass Papa noch einmal neu anfängt und Lebensläufe nicht so stringent sind." Ganz ohne Zweifel war dieser Sprung in die völlige Ungewissheit freilich nicht. "Ich hatte Sorge, dass das, was ich vorhabe, nicht gelingt. Ich hatte Nächte, wo ich aufgewacht bin und mich gefragt habe: Warum hast Du das gemacht?"
Doch es gelang, denn Schäfer folgte seiner ursprünglichen Berufung. "Ich wollte wieder zu dem zurück, wo ich herkomme. Ich wollte immer Schriftsteller werden", sagt er. Im Alter von 18 Jahren habe er sich das aber nicht getraut. "Ich dachte, das steht anderen zu." Daher sei er Journalist geworden, weil er in diesem Beruf seinem Traum vom Schreiben am nächsten kommen konnte.
Der radikale Jobwechsel hat sich ausgezahlt, ist das Schriftstellerdasein für Schäfer doch "noch schöner, als ich dachte". "Schreiben kann man jedem Ort der Welt, man ist so unabhängig. Lesen, Schreiben, Kaffee trinken ist mein Leben." Weil er vorzugsweise in der Gesellschaft von Menschen schreibe, gehe er dafür ins Kaffeehaus. Am liebsten wäre er im Café Prückel, fügt er mit Blick auf die Wiener Kaffeehausinstitution hinzu. "Ich liebe Wien."
Schäfer, der an seinem vorigen Job besonders die Redaktionssitzungen vermisst, stemmt sich auch sonst gegen die Einsamkeit des Schriftstellerdaseins. Freunden und Familienmitgliedern gebe er Kapitel zum Lesen, und auch Gespräche mit Leserinnen und Lesern schätze er sehr. Der "hektischen Medienwelt" weicht der frühere Chefredakteur hingegen aus. Er lese keine Kritiken und ist auch nicht auf Instagram, Facebook und Co. präsent. "Es gibt mich nicht in den sozialen Medien."
Dass Bücher gerade bei der TikTok-Generation beliebt sind, ist für Schäfer kein Widerspruch. "Jeder Trend löst einen Gegentrend aus. Auch der Deutsche Alpenverein hat so viele Mitglieder wie noch nie." So verschlinge auch sein 18-jähriger Sohn Bücher. Diese seien nämlich "ein Ort der Ruhe". "Worte geben einem Halt und Sicherheit."
In seinen Büchern behandelt Schäfer essenzielle Fragen des menschlichen Daseins. "Wo stehe ich, wo will ich hin, was mache ich aus meinem Leben?", formuliert es der Jung-Schriftsteller. Für sich selbst hat er Antworten gefunden. "Ich werde weiter Bücher schreiben, ich werde für immer Geschichten schreiben."
(Von Stefan Vospernik/APA)
(S E R V I C E - Stephan Schäfer: "Jetzt gerade ist alles gut", park x ullstein, 176 Seiten, 22,70 Euro)
HAMBURG - DEUTSCHLAND: FOTO: APA/Anja Zurbrügg





