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Wien schnürt derzeit angesichts der angespannten Budgetsituation ein Sparpaket. Bereits am Montag waren Preis- bzw. Tariferhöhungen verkündet worden. Nun stehen nach dem bereits bekannten Aus für den Schulungszuschlag weitere Maßnahmen im Bereich Mindestsicherung ins Haus. Wie Ludwig im Interview in Aussicht stellte, wird dabei an verschiedenen Stellen gekürzt. Zum einen betrifft dies die Zuwendung für Kinder. Derzeit sind bereits 25 Prozent des Bezugs der Erwachsenen für die Bezahlung von Wohnkosten zweckgewidmet. Dieser Beitrag wird von der Mietbeihilfe abgezogen.
In Zukunft wird das auch bei Kindern der Fall sein. Das Rathaus rechnet mit einer Einsparung von rund 20 Mio. Euro jährlich. Umgesetzt werden soll der Schritt schon im kommenden Jahr. Möglich ist weiters, dass künftig Kinder von Bezieherinnen und Beziehern ab dem dritten Geburtstag verpflichtend in den Kindergarten gehen müssen. Dies soll die Arbeitsmarktintegration der Eltern erleichtern.
Auch könnten die Kindersätze dann reduziert werden, weil die Kosten für die Eltern angesichts der Betreuung sinken. Die Pläne in Sachen Kindergarten sind mittelfristig, wie es hieß. Auf APA-Anfrage betonte das Büro des Bürgermeisters, dass auch mit dem Koalitionspartner, also den NEOS, darüber noch gesprochen werden soll. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, wird dies weiters nur schrittweise geschehen, da auch Räume und Personal dafür benötigt werden.
Ebenfalls bereits im kommenden Jahr soll hingegen die Änderung bei den Bedarfsgemeinschaften in Kraft treten. Bisher bekommen Einzelpersonen, die gemeinsam in einer Wohnung leben, den Höchstsatz bei der Mindestsicherung. Bei Familien in einem gemeinsamen Haushalt ist das nicht der Fall. Das soll sich ändern. Die Einsparung, die dadurch lukriert werden könnte, wird mit jährlich rund 75 Mio. Euro beziffert.
Oppositionsparteien hatten Wien zuletzt dafür kritisiert, dass die Kindersätze nicht degressiv ausgestaltet sind - und für jedes Kind eine Unterstützung in derselben Höhe unabhängig von der Größe der Familie ausbezahlt wird. Dies war unter Rot-Grün eingeführt worden. Daran wird offenbar nicht gerüttelt. Ludwig gab im "News"-Interview zu bedenken, dass bei der Familienbeihilfe der Beitrag pro Kind sogar steige.
Einschnitte für Familien stehen bei der nunmehr angedachten Reform aber sehr wohl ins Haus. Im Büro des Bürgermeisters betonte man gegenüber der APA, dass etwa eine Familie mit fünf Kindern durch die Neuregelung in Sachen Mietbeihilfe rund 400 Euro pro Monat weniger erhält. Insgesamt, wenn man den bereits gestrichenen Schulungszuschlag berücksichtigt, sollen bis zu 115 Mio. Euro weniger an Unterstützung ausgeschüttet werden. Wien wendete für die Mindestsicherung pro Jahr zuletzt an die 800 Mio. Euro auf.
Ludwig hat sich auch bereits wiederholt für eine Abwicklung der Mindestsicherung durch das AMS ausgesprochen. Der Fokus würde damit stärker auf die Einbeziehung der Betroffenen in den Arbeitsmarkt gerichtet werden, zeigt er sich überzeugt.
Kritik kam am Donnerstag von allen drei Oppositionsparteien, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Grünen-Vorsitzende Julia Pühringer meinte in einer Aussendung: "Bei armutsbetroffenen Kindern zu sparen ist herzlos und zukunftsvergessen (...). Die rot-pinke Stadtregierung geht mit dem Vorschlaghammer auf eine soziale Errungenschaft nach der anderen los". 2010 sei unter Rot-Grün zu allererst die Kindermindestsicherung um 800 Euro erhöht worden, "fünfzehn Jahre später ist der SPÖ das soziale Gewissen Stück für Stück abhandengekommen". Der Kritik konnte die SPÖ wenig abgewinnen: "Die Kindersätze von 326,44 Euro bleiben selbstverständlich unangetastet. Wer lesen kann, ist klar im Vorteil. Es ist schlicht falsch und verantwortungslos, den Wiener*innen weiszumachen, dass bei armutsbetroffenen Kindern gespart wird", sagte Gemeinderätin Andrea Mautz.
Nur "kosmetische Änderungen" sah hingegen der Wiener ÖVP-Obmann Markus Figl. Die Auszahlung an subsidiär Schutzberechtigte sowie die Staffelung der Kinderrichtsätze müsse angepasst werden. Damit seien Einsparungen von hunderten Millionen Euro möglich, da damit "Pullfaktoren" abgemildert würden. "Stattdessen ist Wien weiterhin Sozialhilfemagnet Österreichs". Eine Kindergartenpflicht für Dreijährige mit Deutschförderbedarf sei längst überfällig, meinte Klubobmann Harald Zierfuß.
Als "reine Augenauswischerei" bezeichnete die angekündigten Kürzungen FPÖ-Chef Dominik Nepp. Eine "afghanische Großfamilie", die bisher rund 9.000 Euro netto pro Monat bekomme, erhalte künftig um nur 38 Euro weniger, rechnete er in einer Aussendung vor und forderte einmal mehr, Sozialleistungen an die Staatsbürgerschaft zu koppeln.
Daraufhin unterstellten sich FPÖ und SPÖ gegenseitig Falschbehauptungen. SPÖ-Gemeinderätin Andrea Mautz empfahl dem FPÖ-Chef, "die Volksschule zu besuchen" und die Grundrechnungsarten aufzufrischen: "Die FPÖ und ihr Landesparteiobmann Dominik Nepp beweisen einmal mehr, dass sie weder rechnen können noch ernsthaft an einer konstruktiven Diskussion interessiert sind. Tatsächlich handelt es sich um 897,71 Euro pro Monat, die weniger ausbezahlt werden". FPÖ-Landesparteisekretär Lukas Brucker ortete daraufhin wiederum "internes Chaos" bei der SPÖ: "Tatsache ist jedoch, dass es gar nicht um Änderungen bei der Mindestsicherung geht, sondern lediglich um die Wohnbeihilfe." Mautz meinte darauf wiederum: "Es geht nicht um die Wohnbeihilfe, wie von der FPÖ behauptet, sondern um die Mietbeihilfe innerhalb der Wiener Mindestsicherung - ein entscheidender Unterschied, den man kennen sollte, wenn man öffentlich mitreden will. Mindestsicherungsbezieher*innen haben keinen gesetzlichen Anspruch auf Wohnbeihilfe."