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Votum über ukrainisches Antikorruptionsgesetz am Donnerstag

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Stefantschuk tritt für eine rasche Unterzeichnung ein
©AFP, APA, SERGEI CHUZAVKOV
Nach scharfer Kritik soll das ukrainische Parlament am kommenden Donnerstag über den von Präsident Wolodymyr Selenskyj eingereichten Gesetzesentwurf zur Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Antikorruptionsbehörden abstimmen. Die Novelle solle sofort in Eilform angenommen werden, schrieb Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk am Freitag bei Facebook. Selenskyj will dafür künftig vermehrt Lügendetektortests für bestimmte Staatsdiener.

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Stefantschuk schrieb weiters, er befürworte außerdem eine unverzügliche Unterzeichnung des Gesetzes. Zum Einlenken Selenskyjs im Umgang mit den Antikorruptionsbehörden hieß es von der EU-Kommission, man begrüße "die Tatsache, dass die ukrainische Regierung Maßnahmen ergreift". Man arbeite mit Kiew zusammen, um sicherzustellen, dass die Bedenken der Kommission berücksichtigt würden.

Kurz nach dem Einreichen des neuen Gesetzesentwurfs zur Arbeit der Antikorruptionsbehörden beim Parlament - der Obersten Rada - am Donnerstag erklärte Selenskyj, künftig sollten alle Mitarbeiter mit Zugang zu Staatsgeheimnissen Lügendetektortests unterzogen werden. Das sei notwendig, um einen russischen Einfluss in den staatlichen Stellen auszuschließen. Selenskyj sprach von "regelmäßigen Kontrollen".

Der Präsident hatte in den vergangenen Tagen den Antikorruptionsbehörden "russischen Einfluss" vorgeworfen. Razzien mit Festnahmen ihrer Mitarbeiter sowie die am Mittwoch von ihm unterschriebene Unterstellung der Behörden unter die Generalstaatsanwaltschaft hatte er unter anderem damit begründet.

"Jeder, der Zugang zu Staatsgeheimnissen hat - und das gilt nicht nur für (die Antikorruptionsbehörden) NABU und SAP, sondern auch für das Staatliche Büro für Ermittlungen, unsere nationale Polizei - muss sich einem Lügendetektortest unterziehen", hieß es von Selenskyj. Schon bisher gab es solche Tests, aber nicht in der nun geplanten Dichte.

Das NABU teilte am Donnerstagabend mit, dass laut dem Gesetzesentwurf nicht der Geheimdienst SBU die Tests führe, sondern eine verwaltungsinterne Kontrollstelle. Der auf der Rada-Seite veröffentlichte Text spricht aber bei der ersten Kontrolle nach Inkrafttreten des Gesetzes explizit vom SBU. Alle nachfolgenden Kontrollen sollen mindestens alle zwei Jahre durch interne Kontrollorgane erfolgen.

Lügendetektoren, auch Polygraphen genannt, beruhen auf der Annahme, unbewusste körperliche Reaktionen wie Puls, Blutdruck, Atemfrequenz oder Hautleitfähigkeit könnten Aufschluss darüber geben, ob eine Person die Wahrheit sagt. Über Elektroden wird etwa der Schweiß an den Händen registriert. Bei sachverständiger Bedienung durch Psychologen mit spezieller Ausbildung sollen die Messdaten anzeigen, ob eine Person bei bestimmten Fragen angespannt ist - was als Indiz für eine Lüge gewertet werden kann.

Die Zuverlässigkeit der Tests ist aber umstritten. So gibt es eine Vielzahl von Ursachen für Stressreaktionen - etwa auch Angst und Aufregung. Zudem gelten die Lügendetektortests als anfällig für Manipulationen.

In der Ukraine hatten mit Donnerstag drei Tage lang in Folge Menschen in mehreren Städten gegen die Unterstellung der Antikorruptionsbehörden unter die Generalstaatsanwaltschaft protestiert. Die Behörden selbst zeigten sich mit Blick auf die nun bevorstehende neue Regelung zufrieden. "Der Gesetzesentwurf stellt alle prozessualen Vollmachten wieder her und garantiert die Unabhängigkeit vom Nationalen Antikorruptionsbüro (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP)", schrieben die beiden Organe nach Bekanntwerden von Selenskyjs neuem Text auf Telegram. NABU und SAP waren demnach an der Ausarbeitung des Gesetzesentwurfs beteiligt.

Auch in der EU hatte Selenskyjs Vorgehen Unverständnis hervorgerufen. NABU und SAP waren 2015 mit westlicher Hilfe gegründet worden, um Korruption vor allem bei hochrangigen Politikern und in der Verwaltung zu bekämpfen. Das in die EU strebende Land gilt der Nichtregierungsorganisation Transparency International nach trotz aller Reformen als eines der korruptesten Länder Europas.

Kritiker warfen Selenskyj autoritäre Tendenzen vor, indem er sich die lange Zeit unabhängigen Behörden unterwerfen wollte. Dass er nun scheiterte, bezeichneten Kommentatoren als eine herbe politische Niederlage, die den Präsidenten angeschlagen zurücklasse.

Selenskyj informierte nach eigenen Angaben auch den deutschen Bundeskanzler Friedrich Merz über die jetzigen Änderungen. Er habe "Deutschland eingeladen, sich an der Begutachtung des Gesetzesentwurfs durch Experten zu beteiligen. Friedrich hat mir seine Bereitschaft zur Unterstützung zugesichert." Geplant sei auch eine Einbeziehung anderer europäischer Partner wie Großbritannien und die EU.

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