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Die Situation in dem Palästinensergebiet sei "katastrophal". "Man kann keine Worte mehr finden, um das zu beschreiben", formulierte es Türk. Die massenhafte und mehrfache Vertreibungen der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen ist für Türk genauso "höchst bedenklich" wie der Umstand, dass mittlerweile rund 80 Prozent des Territoriums des Gazastreifens Militärgebiete seien, wo sich keine Menschen aufhalten dürfen.
Bereits Mitte des Monats hatte Türk "ethnische Säuberungen" durch Israel im Gazastreifen festgestellt. "Es sieht nach einem Vorstoß für eine dauerhafte Bevölkerungsverschiebung in Gaza aus, der das Völkerrecht missachtet und einer ethnischen Säuberung gleichkommt", hatte der Leiter des UNO-Menschenrechtsbüros gesagt. Der österreichische UNO-Diplomat begründete dies mit vorherigen jüngsten Bombardements, die zu weiteren Vertreibungen geführt hätten - mit der Zerstörung ganzer Wohnviertel und mit der anhaltenden Blockade von humanitärer Hilfe durch Israel. "Wir müssen diesen Irrsinn stoppen", forderte er.
Türk sprach sich im "Morgenjournal" erneut dafür aus, zu diesem Zweck Druck auf die israelische Regierung auszuüben. In die seit Anfang März von Israel praktizierte Blockade von Hilfsgütern ist in den vergangenen Tagen zwar geringfügig Bewegung gekommen, aber nicht in dem Ausmaß, wie dies notwendig wäre, betonte Türk. Der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte trifft laut Ö1 am Dienstag in Wien Vertreter der österreichischen Regierung. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) hatte vor ein paar Tagen mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanyahu telefoniert. Dabei stellte er klar: "Das Völkerrecht ist klar: Gaza muss palästinensisch bleiben, es darf keine Vertreibungen geben."
Der Gaza-Krieg war durch den Großangriff der militanten Palästinenserorganisation Hamas und mit ihr verbündeter Kämpfer auf Israel am 7. Oktober 2023 ausgelöst worden, bei dem nach israelischen Angaben rund 1.200 Menschen getötet worden waren. 251 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Als Reaktion auf den Hamas-Überfall geht Israel seither massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die nicht unabhängig überprüft werden können, bisher rund 54.000 Menschen getötet.
Der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz hat Israel unterdessen erneut in scharfen Tönen aufgefordert, das zuletzt gesteigerte militärische Vorgehen im Gazastreifen zurückzufahren. "Wir sind mehr als besorgt über die Intensivierung der militärischen Aktivitäten der israelischen Armee in Gaza, und wir sind bestürzt über das Schicksal der Zivilbevölkerung und das furchtbare Leiden", sagte Merz laut der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstag in der finnischen Stadt Turku.
"Die massiven militärischen Schläge der israelischen Armee im Gazastreifen lassen für mich keine Logik mehr erkennen, wie sie dem Ziel dienen, den Terror zu bekämpfen und die Geiseln zu befreien." Was gerade in den vergangenen Tagen passiert sei, "das erscheint mir als nicht mehr zwingend notwendig zur Verteidigung des Existenzrechts Israels und zur Bekämpfung des Terrorismus der Hamas". Die Zivilbevölkerung werde in einem Übermaß in Mitleidenschaft gezogen.
Merz wich in Turku aber der Frage nach Konsequenzen aus. Man sei im Dialog mit der israelischen Regierung. Deutschland stehe weiter für das Existenzrecht Israels ein und fordere die Freilassung der israelischen Geiseln, die sich in der Gewalt der Hamas befinden, sagte der CDU-Vorsitzende. In der deutschen Regierung werde intern über Konsequenzen beraten, sagte er auf die Frage nach den von dem Koalitionspartner SPD geforderten Ende der Waffenlieferungen. Man werde dann Entscheidungen treffen, die möglicherweise nicht öffentlich seien, fügte er in Anspielung auf den geheim tagenden Bundessicherheitsrat hinzu. Dieser genehmigt Waffenexporte. Ob Deutschland der Forderung einiger EU-Regierungen folgen wird, das EU-Israel-Assoziierungsabkommen auszusetzen, wollte Merz nicht sagen.
UN High Commissioner for Human Rights Volker Türk speaks during a press conference in Damascus, on January 15, 2025. (Photo by LOUAI BESHARA / AFP)