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Wenn er recht behalte, "dann wird das einmal mehr beweisen, dass Russland kein Interesse daran hat, diesen Krieg zu beenden", sagte der lettische Präsident in dem Gespräch am Rande des Forums Alpbach. "Russland hat kein Interesse an Frieden, Russland ist daran interessiert, den Krieg fortzusetzen, weil die russischen Ziele nicht erreicht sind. Und diese Ziele sind die Kapitulation und die komplette Übernahme der Ukraine."
Große Anerkennung zollte Rinkevics den Friedensbemühungen der USA. "Ich schätze die Position der Vereinigten Staaten, die wirklich versucht haben, bestmöglich zu vermitteln, sehr. Präsident (Donald) Trump hat sehr gute Arbeit geleistet und sich bemüht, alle an einen Tisch zu bringen. Aber am Ende des Tages, wie wir alle wissen, wird diese Art von Abkommen direkt zwischen den beiden Parteien ausgehandelt." Wenn es zu einem weiterführenden Prozess und weiteren Treffen nicht nur zwischen der Ukraine und Russland komme, sollte es aus seiner Sicht freilich neben den USA "auch eine europäische Stimme geben" und Europa mit am Tisch sitzen.
Sehr zufrieden zeigte sich Rinkevics damit, dass die europäische Rolle über die EU hinausgehe, weil sich auch das Vereinigte Königreich beteilige. "Ich bin sehr erfreut über diese Entwicklung. Wir waren nicht sehr glücklich darüber, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen hat. Aber die Art und Weise, wie das Vereinigte Königreich aktuell an dem Prozess beteiligt ist, die europäischen Spitzenpolitiker, die bei dem Prozess mitmachen, das ist eine gute Nachricht. Und vielleicht ist das auch der Weg, andere Fragen anzugehen, die künftig von Bedeutung sind", sagte Rinkevics, der zur Zeit der Brexit-Verhandlungen lettischer Außenminister war.
Als positiv hob das Staatsoberhaupt des NATO-Landes auch hervor, dass sich auf europäischer Seite eine "sehr gute Gruppe" für die direkten Kontakte mit Trump und Selenskyj gebildet habe. "Die nordische und baltische Region ist gut durch den finnischen Präsidenten Alex Stubb vertreten, wir haben die deutsche, französische und italienische Führung, wir haben die polnische Führung, wir haben die Präsidentin der EU-Kommission. Das ist also eine sehr gut ausgewogene Gruppe, die das größere Europa repräsentiert, nicht nur die Europäische Union."
Befragt zur zukünftigen Rolle der EU sprach sich Rinkevics für weitere Schritte zur militärischen und finanziellen Unterstützung der Ukraine aus. Auch müsse weiterer diplomatischer und wirtschaftlicher Druck auf Russland ausgeübt werden, etwa in Form einer Weiterführung von Sanktionen. Sollte tatsächlich ein Waffenstillstands- oder Friedensabkommen erzielt werden, müsse es außerdem "sehr ernsthafte Sicherheitsgarantien für die Ukraine" geben - "nicht wie das Budapester Memorandum oder das Minsker Abkommen", meinte Rinkevics.
"Zum einen glaube ich, dass die Ukraine eine eigene starke Armee braucht. Das ist die beste Sicherheitsgarantie, die es gibt." Man müsse jedoch auch über die Entsendung von Truppen sprechen. "Lettland wird über eine Beteiligung entscheiden, wenn mehr Details bekannt sind, denn in unserem Fall muss die Entscheidung vom Parlament getroffen werden. Aber wir sind Teil des Prozesses."
Des weiteren gehe es aber auch um die europäische Zukunft der Ukraine. "Hier wird der September sehr wichtig, denn dann sollten wir weitere Schritte bei der Entwicklung von EU-Beitrittsgesprächen sowohl mit der Republik Moldau als auch mit der Ukraine sehen. Wir sind nicht für eine Entkopplung, wir finden, dass der September gute Nachrichten sowohl für die Ukraine als auch für Moldau bringen sollte." Natürlich handle es sich dabei um einen "kriterienbasierten Prozess": "Das ist nicht nur politisch. Aber ich denke, wir sollten den europäischen Weg der Ukraine stärken."
Lettland habe bereits 2022 gemeinsam mit anderen regionalen Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, der Ukraine EU-Kandidatenstatus zu gewähren. "Nichtsdestotrotz sage ich nicht, dass das ein einfacher Prozess wird. Das wird sehr kompliziert. Es muss von der Leistung abhängen, wir werden eine gute Balance finden müssen zwischen den ukrainischen Fortschritten und Interessen und den europäischen Interessen."
In der aktuellen Situation hält Rinkevics die Rolle der USA freilich für "unverzichtbar": "Die Vereinigten Staaten haben sowohl die wirtschaftliche als auch die militärische Stärke, um Russland zu zwingen, sich zu bewegen - durch Sanktionen, durch Zölle, durch die militärische Unterstützung der Ukraine. Was die Europäer anbelangt, und diese Warnung spreche ich schon seit mindestens zwei oder drei Jahren aus: Wenn wir wirklich relevant sein wollen, dann brauchen wir eine sehr viel stärkere Verteidigung. Und die haben wir nicht."
Die Weltordnung - "ob uns das gefällt oder nicht" - sei in Veränderung begriffen. "Das Völkerrecht, starke Statements, große Reden sind nicht genug. Was zählt, sind sowohl wirtschaftliche als auch militärische Stärke, und die EU hinkt hier hinterher. Wenn wir das erreichen, werden wir ebenbürtige Partner sein", unterstrich Rinkevics. "Für den Moment müssen wir anerkennen, dass wir viele Fragen diskutieren können, aber für die nächsten Jahre ist die Rolle der Vereinigten Staaten in der Welt und auch in Europa unverzichtbar."
(Das Gespräch führte Alexandra Angell/APA)