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Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte Trumps Äußerungen als "große Kehrtwende". In einem Interview mit dem Sender "Fox News" zeigte er sich aber auch überrascht. Selenskyj dankte Trump am Dienstag auf einer Pressekonferenz zudem für dessen "persönliche Bemühungen, den Krieg zu beenden", und pflichtete dem US-Präsidenten in der Forderung bei, dass die europäischen Staaten den Import russischen Öls sofort beenden sollten.
"Sie müssen unverzüglich alle Energiekäufe aus Russland einstellen", hatte Trump zuvor in seiner Rede vor der UNO-Vollversammlung in New York gesagt. "Andernfalls verschwenden wir alle viel Zeit." Die NATO-Verbündeten hätten ihren "Verbrauch russischer Energie nicht ausreichend reduziert", kritisierte der US-Präsident.
Selenskyj forderte zudem mehr Unterstützung in der Luftabwehr. "Wenn wir unseren Luftraum stärken und mit einem gemeinsamen System gegen russische Raketen und Drohnen abriegeln könnten, dann wäre Russland gezwungen, die Luftangriffe einzustellen", sagte er.
Außerdem könne Trump dazu beitragen, die Position Chinas zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine zu ändern, betonte Selenskyj bei Fox News. "Ich denke, dass Präsident Trump die Haltung von Xi Jinping zu diesem Krieg ändern kann, denn wir haben nicht das Gefühl, dass China diesen Krieg beenden will", sagte er. Die US-Regierung wirft China und Indien vor, durch ihre anhaltenden Ölkäufe aus Russland den Krieg zu unterstützen. Mit Blick auf Indien zeigte sich Selenskyj zuversichtlich. Er glaube, dass Indien "größtenteils" auf der Seite der Ukraine stehe. "Mit China ist es schwieriger, weil es derzeit nicht in ihrem Interesse liegt, Russland nicht zu unterstützen."
Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas begrüßte die Kursänderung Trumps. Auf die Frage, was die Reaktion der EU dazu sei, sagte sie am Rande der UNO-Vollversammlung: "Nun, wir stehen dem sehr positiv gegenüber." Das sei alles richtig. "Ja, wir sollten aufhören, russische Energie zu kaufen. Ja, die Ukraine sollte den Krieg gewinnen." Auch die anderen Aussagen, die Trump heute in Bezug auf die Ukraine und Russland gemacht habe, begrüßte Kallas. "Das waren sehr deutliche Aussagen, die wir in dieser Form bisher noch nicht gehört haben."
Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßte Trumps Kehrtwende. "Ich freue mich, dass der amerikanische Präsident an die Fähigkeit der Ukraine glaubt, nicht nur durchzuhalten, sondern ihre Rechte mit uns geltend zu machen", sagte er.
Trump hatte in den vergangenen Wochen in den Gesprächen um ein Ende des Krieges auch mögliche Gebietsabtretungen der Ukraine ins Spiel gebracht. Diese hatte Selenskyj stets abgelehnt. Russland hatte hingegen darauf bestanden, dass die Ukraine Gebietsverluste anerkennt.
Der US-Präsident machte in seinem Post auf Truth Social nicht deutlich, welchen ukrainischen Grenzverlauf er genau meint. Zum Beispiel ist unklar, ob Trump zum ukrainischen Staatsgebiet auch die bereits 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim hinzurechnet.
Zu seiner neuen Position ist Trump nach eigenen Angaben gekommen, nachdem er sich mit der militärischen und wirtschaftlichen Lage der Ukraine und Russlands vertraut gemacht und sie vollständig verstanden habe. Russland führe seit dreieinhalb Jahren einen Krieg, "den eine echte Militärmacht" in weniger als einer Woche hätte gewinnen können. "Das ist keine Auszeichnung für Russland. Tatsächlich lässt es das Land eher wie "einen zahnlosen Tiger" erscheinen.
Wenn die Menschen in Moskau und allen Städten und Regionen in ganz Russland erführen, was wirklich in diesem Krieg passiere, wäre die Ukraine in der Lage, "ihr Land in seiner ursprünglichen Form zurückzuerobern und, wer weiß, vielleicht sogar noch weiterzugehen!" Für Menschen in Russland sei es fast unmöglich, Benzin zu bekommen, weil sich lange Schlangen bildeten. Der größte Teil ihres Geldes würde für den Kampf gegen die Ukraine ausgegeben, die immer besser werde.
Putin und Russland würden in großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten stecken, jetzt sei es an der Zeit, dass die Ukraine handle. Die USA würden der NATO weiter Waffen liefern, damit diese damit machen könne, was sie wolle, sagte Trump.
Zuvor hatte Trump bei einem Treffen mit Selenskyj am Rande der UNO-Vollversammlung in New York auf eine Frage einer Journalistin, ob er der Ansicht sei, dass NATO-Staaten russische Flugzeuge bei Verletzung ihres Luftraumes abschießen sollten, mit "Ja, das bin ich" geantwortet. Zuletzt war es mehrfach zu gefährlichen Situationen im Luftraum von EU- und NATO-Staaten gekommen - in Polen, Rumänien und Estland.
US-Außenminister Marco Rubio erklärte Trumps neuen Ton mit Russlands Verschleppung eines Friedensprozesses. Der US-Präsident habe "außerordentliche Geduld" bewiesen und auf einen diplomatischen Durchbruch zur Beendigung des Ukraine-Kriegs gehofft. Doch nach einer Phase der Stagnation sei nun "eine Phase potenzieller Eskalation eingetreten", auch weil es in den vergangenen Nächten die "historisch höchste Zahl an Angriffen" gegeben habe.
Rubio drohte Moskau mit wirtschaftlichen Sanktionen und Waffenlieferungen an Kiew. Trump habe "echte Optionen" und werde bei fortgesetzten Aggressionen Russlands die notwendigen Schritte ergreifen. "Der Präsident ist ein sehr geduldiger Mann. Er setzt sich sehr für den Frieden ein, aber seine Geduld ist nicht unendlich", sagte Rubio.