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Medien: Netanyahu strebt Einnahme von ganz Gaza an

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Israels Premier Benjamin Netanyahu
©AFP, APA, GIL COHEN-MAGEN
Israels Premier Benjamin Netanyahu soll sich laut Medienberichten entschieden haben, den Gazastreifen vollständig einzunehmen. Dafür wolle er sich in den nächsten Tagen Rückendeckung des Kabinetts und der Militärführung holen, sagte er demnach zu Ministern seines Kabinetts. Das Nachrichtenportal "ynetnews.com" zitierte am Montag einen Offiziellen, der ihm nahe steht, mit den Worten: "Die Würfel sind gefallen - wir beabsichtigen, den Gazastreifen vollständig zu besetzen."

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Netanyahu selbst hatte zuvor nur so viel gesagt, dass er in dieser Woche das Sicherheitskabinett einberufen werde, um über das weitere Vorgehen in dem abgeriegelten und großflächig zerstörten Küstenstreifen am Mittelmeer zu entscheiden. In einer Video-Botschaft am Sonntag hatte er dargelegt, dass die islamistische Hamas, die dort vor 18 Jahren die Macht an sich gerissen hatte, aus seiner Sicht zu keiner Verhandlungslösung bereit sei.

Die israelischen Streitkräfte kontrollieren derzeit rund 75 Prozent der Fläche des rund 365 Quadratkilometer umfassenden Küstengebiets. Die Geiseln werden in jenen Teilen vermutet, in die das israelische Militär bisher nicht vorgedrungen ist und die weiterhin von der Hamas kontrolliert werden.

Israel führt gegen die Hamas seit fast 22 Monaten einen Krieg, nachdem die palästinensische Terrororganisation zusammen mit ihren Verbündeten am 7. Oktober 2023 im Süden Israels mehr als 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt hatte.

Nach israelischer Einschätzung befinden sich derzeit noch 50 Geiseln in der Gewalt der Hamas, von denen noch 20 am Leben sein sollen. Monatelange indirekte Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas, um eine Waffenruhe herbeizuführen und die letzten Geiseln freizubekommen, brachten kein Ergebnis.

Das israelische Militär hat sich in der Vergangenheit gegen eine Komplettbesatzung des Gazastreifens ausgesprochen. Die Beseitigung sämtlicher Hamas-Tunnel und -Bunker könne Jahre dauern, beschrieb die "Times of Israel" die Bedenken der Armeeführung. Auch könnten demnach Geiseln in Gefahr geraten und getötet werden, sollten israelische Truppen den Orten ihrer Gefangenschaft zu nahe kommen.

Den Medienberichten zufolge würde aber Netanyahu nunmehr dieses Risiko eingehen. "Es wird Militäreinsätze auch in Gebieten geben, in denen Geiseln festgehalten werden", zitierte "ynetnews" den Offiziellen weiter. "Wenn der Generalstabschef (Ejal Zamir) damit nicht einverstanden ist, dann soll er zurücktreten."

Bisher hatten vor allem die Minister aus den rechtsextremen und ultrareligiösen Parteien der Regierungskoalition die vollständige Einnahme des Gazastreifens gefordert. Sie verlangen außerdem die Abschiebung der palästinensischen Bevölkerung in andere Länder und die Errichtung jüdischer Siedlungen im Küstenstreifen.

Medienberichten zufolge soll sich Zamir bei vergangenen Sitzungen des Sicherheitskabinetts heftige Diskussionen mit den ultrarechten Ministern geliefert haben. Netanyahu soll sich dabei kommentarlos zurückgehalten haben.

In einem seit Monaten schwelenden Streit hat die israelische Regierung am Montag die Entlassung von Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara beschlossen - ist aber sofort von einem Gericht gestoppt worden. Justizminister Jariv Levin erklärte am Montag, das Kabinett habe einstimmig für die Entlassung von Baharav-Miara gestimmt, die als Kritikerin von Netanyahu bekannt ist. In einem Brief an die Generalstaatsanwältin schrieb Levin, Baharav-Miara solle sich "nicht einer Regierung aufdrängen, die kein Vertrauen in sie hat und die nicht effektiv mit ihr zusammenarbeiten kann".

Die Oppositionspartei Yesh Atid und mehrere Organisationen zogen aber umgehend gegen die Entlassung vor den Obersten Gerichtshof des Landes. Dieser stoppte die Entlassung in einer einstweiligen Verfügung und untersagte der Regierung, einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für Baharav-Miara zu ernennen. Der Gerichtshof will die Einsprüche binnen 30 Tagen prüfen.

Baharav-Miara - Kraft ihres Amtes auch Rechtsberaterin der Regierung - liegt bei mehreren Fragen mit Netanyahu und seinem Kabinett über Kreuz. So erklärte sie im Mai Netanyahus Versuch für rechtswidrig, den Chef des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet, Ronen Bar, zu entlassen und einen Nachfolger zu bestimmen.

Netanyahu hatte die geplante Entlassung Bars mit mangelndem Vertrauen in den Geheimdienstchef und dem Versagen des Shin Bet beim Hamas-Überfall am 7. Oktober 2023 begründet. Bar bezeichnete seine Entlassung dagegen als politisch motiviert.

Am Montag wurden im Gazastreifen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde am Montag mindestens 40 Menschen bei israelischen Angriffen getötet. Unter ihnen seien zehn Menschen, die versucht hätten, Hilfsgüter zu bekommen, teilen örtliche Rettungskräfte mit. Sie seien in der Nähe von zwei GHF-Verteilstellen im Zentrum sowie im Süden des Gazastreifens getötet worden.

Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden seit Beginn der Arbeit der umstrittenen Hilfsorganisation Gaza Humanitarian Foundation (GHF) im Mai 2025 mehr als 1.000 Menschen bei dem Versuch getötet, Hilfe zu erhalten. Die meisten von ihnen wurden demnach von israelischen Streitkräften erschossen, die in der Nähe der GHF-Standorte im Einsatz waren. Die GHF wird von Israel und den USA unterstützt, die UNO bewertet die GHF-Verteilung als unzureichend, gefährlich und nicht unparteiisch.

Nach palästinensischen Angaben vom Montag starben binnen 24 Stunden zudem fünf Menschen an Hunger oder Unterernährung. Seit Kriegsbeginn am 7. Oktober 2023 starben damit den Angaben nach 180 Menschen an Hunger oder Unterernährung, darunter 93 Kinder. Die Daten sind unabhängig nicht überprüfbar.

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