von
Die Zahl der Meldungen und der Betroffenen steige seit einigen Jahren an, hieß es am Mittwoch. "Fast 22.100 Personen waren von einer oder mehreren Maßnahmen betroffen", wird Grainne Nebois-Zeman, Fachbereichsleiterin der Bewohnervertretung bei Vertretungsnetz, in der Aussendung zitiert. Im Vergleich zu 2023 wurden um fünf Prozent mehr Meldungen verzeichnet, im Dreijahresvergleich fast um ein Drittel mehr. Das "Ö1 Journal um acht" berichtete zuerst darüber.
Die Bewohnervertretung sprach von einer "alarmierenden Entwicklung". Zu den freiheitsbeschränkenden Maßnahmen zählen etwa versperrte Räume, Gurte am Rollstuhl oder sedierende Medikamente. Diese dürfen nur zum Einsatz kommen, wenn eine ernste und erhebliche Gefährdung droht und keine Alternative oder gelindere Maßnahme möglich ist, hieß es.
Als "besonders besorgniserregend" bezeichnete die Bewohnervertretung die Situation in Alters- und Pflegeheimen. Von dort komme etwa die Hälfte aller Meldungen, rund 30.400 neu angeordnete Maßnahmen wurden verzeichnet. 71 Prozent aller Beschränkungen entfallen auf sedierende Medikamente gegen Unruhe und Bewegungsdrang. Aber auch Bett-Seitenteile und Gurtsysteme im Rollstuhl kommen wieder häufiger zum Einsatz. Man beobachte "mit Sorge", dass die Zahl der Personen mit mehrfachen Freiheitsbeschränkungen im vergangenen Jahr deutlich gestiegen ist, hieß es. Erstmals seit der Pandemie seien 2024 zudem wieder mehr Maßnahmen gemeldet worden, die verhindern sollen, dass Bewohnerinnen und Bewohner einen Bereich verlassen.
"Insbesondere der anhaltende Personalmangel in den Einrichtungen wirkt sich negativ aus. Durch hohes persönliches Engagement der Betreuungs- und Pflegepersonen gelingt es vielerorts zwar, die Versorgung sicherzustellen. Dennoch führen der Druck und die hohe Fluktuation in vielen Einrichtungen dazu, dass Bewohner und Bewohnerinnen weniger oft mobilisiert werden. Wir sehen als Folge mehr Einschränkungen bei Lebensqualität und Grundrechten", sagte Nebois-Zeman.
Die Bewohnervertretung überprüft auch Freiheitsbeschränkungen an Kindern und Jugendlichen, wenn sie in Einrichtungen wohnen oder eine Sonderschule besuchen. Meldungen aus Wohneinrichtungen erfolgen zum Beispiel, wenn Betreuerinnen und Betreuer Kindern Psychopharmaka geben oder sie während Impulsdurchbrüchen körperlich festhalten. 2024 wurden rund 6.800 neue Maßnahmen gemeldet und überprüft, hieß es. Rund 60 Prozent entfielen auf Wohneinrichtungen, 40 Prozent auf den Schulbereich. Insgesamt waren 2.123 Kinder und Jugendliche von einer oder mehreren Freiheitsbeschränkungen betroffen.
In den vergangenen Jahren nehme die Bewohnervertretung wahr, dass die Betreuung von Minderjährigen sehr schwierig geworden ist, vor allem im städtischen Bereich. Hochtraumatisierte Kinder würden besonders herausfordernde oder sogar gewalttätige Verhaltensweisen zeigen, eingriffsintensive Beschränkungen seien die Folge. Auch wenn der Druck hoch sei, "Zwangsmaßnahmen an Kindern und Jugendlichen hinterfragen wir immer besonders genau, ob sie wirklich notwendig sind. Denn die erlebte Gewalt kann die jungen Menschen erneut traumatisieren, und Entwicklungschancen können damit vergeben werden", sagte Nebois-Zeman.
Die Grünen unterstützten die Forderung der Bewohnervertretung nach mehr Ressourcen und besseren Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte "mit Nachdruck", wie es in einer Aussendung am Mittwoch hieß. "Wenn sedierende Medikamente, Bettgitter oder Bewegungseinschränkungen zunehmen, ist das ein eindeutiges Signal dafür, dass unser Pflegesystem unter Druck steht - und zwar auf Kosten der Betroffenen und des Pflegepersonals", wird Ralph Schallmeiner, Pflegesprecher der Grünen, zitiert. Es brauche österreichweit einheitliche, gesetzlich verbindliche Vorgaben, wie viele Pflegekräfte pro betreuter Person im Dienst sein müssen. Außerdem forderte die Partei weitere Investitionen in Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen sowie eine engmaschigere Überprüfung restriktiver Maßnahmen.