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Seine Wünsche sieht Huss (sein ÖVP-Gegenpart Peter McDonald hat im zweiten Halbjahr den Vorsitz im Sozialversicherungs-Dachverband inne) auf einer Linie mit dem Regierungsprogramm von ÖVP, SPÖ und NEOS. Geht es nach dem Arbeitnehmervertreter, soll die Zahl der Primärversorgungszentren (PVE) von jetzt 100 bis Ende 2030 auf 300 ausgebaut werden. Auch Einrichtungen der ÖGK sollen dazukommen, zudem spezialisierte Fachambulatorien etwa für Gynäkologie, Urologie, Innere Medizin oder die Diabetes-Betreuung.
Weitere Schwerpunkte will Huss in der psychosozialen Versorgung mit Zentren in allen 32 Versorgungsregionen des Landes setzen sowie - wie im Regierungsprogramm verankert - mit neuen Pflege- und Therapiepraxen, auf die auch Ärzte in Einzelordinationen zugreifen können sollen. Erste davon könnten 2026 ausgeschrieben werden, sagte Huss.
Sorgen bereitet ihm der Zuwachs der vor allem unter der letzten türkis-blauen Bundesregierung geförderte Anstieg der Privatmedizin. Die Österreicher zahlen seinen Angaben zufolge 24 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben aus der eigenen Tasche, 12 Mrd. Euro pro Jahr. "Das ist international ein Rekordwert", beklagte Huss. In Deutschland seien es etwa nur 13 Prozent.
Viele Menschen leisteten sich eine private Zusatzversicherung, aus der Sorge, sonst nicht rechtzeitig die benötigte Gesundheitsleistung zu erhalten. Doch dieses Geld lande zu einem guten Teil nicht im Gesundheitssystem: 2024 seien von 2,6 Mrd. Euro Prämien nur 1,6 Mrd. als Leistungen ausgeschüttet worden. Bei Privatversicherungen liege der Anteil der Verwaltungskosten zudem bei 14 Prozent, bei der ÖGK nur bei zwei Prozent - und das trotz der kürzlich vom Boulevard thematisierten Führungskräfteklausur der ÖGK. Für diese suche man nun Alternativstandorte, aber "am Campingplatz werden wir es auch in Zukunft nicht machen", meinte er.
Umkehren könne man den Trend nur durch mehr Geld im öffentlichen System, zeigte sich Huss überzeugt. Derzeit sehe es schlecht aus, denn ohne die privaten Zuzahlungen befinde sich Österreich in der OECD nur "im schlechten Mittelfeld" etwa mit Italien oder Tschechien. "Das muss sich ändern", forderte er. Derzeit sei das österreichische System nämlich nicht mehr solidarisch.
In den Regierungsverhandlungen hätten die Arbeitnehmer daher gefordert, die Höchstbemessungsgrundlage um 1.000 Euro zu erhöhen und auch die Hebesätze (bei Pensionisten der Ersatz für den Arbeitgeberbeitrag) zu erhöhen. Gekommen sei aber nur eine Beitragserhöhung für die Pensionisten. Zusammen mit anderen Maßnahmen wie der höheren E-Card-Gebühr sei zwar eine "schwarze Null" für die ÖGK in Reichweite. Damit sei der aktuelle Stand der Versorgung zwar aufrechtzuerhalten. "Wir können aber nicht so ausbauen, wie wir es uns für unsere Versicherten vorstellen."
Geld lukrieren will der ÖGK-Obmann etwa mit einer einheitlichen Trinkgeldpauschale von mehr als 100 Euro in allen Bundesländern, die dann auch jährlich valorisiert werden sollte. Dies müsse aber erst mit der Wirtschaftskammer verhandelt werden. Offen zeigte er sich für die in der Steiermark geäußerten Idee, die Spitäler zur Gänze in Bundesverantwortung zu geben. Zumindest eine Spitalsplanung für die vier Versorgungszonen des Landes über die Bundesländergrenzen hinaus wäre sinnvoll, meinte Huss, oder eine Finanzierung ganz in der Hand der Sozialversicherung. Dies seien aber Fragen, die Verfassungsmehrheiten benötigten.