Nach Israels Angriff auf Irans Militärführung und Atomanlagen spitzt sich die Lage zu. Drohungen, diplomatische Bemühungen und geopolitische Spannungen um die Straße von Hormus verstärken die Sorge vor einem regionalen Flächenbrand – mit weltweiten Folgen.
In der Nacht zum Freitag hat Israel bei einem massiven Angriff auf den Iran zentrale Atomanlagen, militärische Einrichtungen und Teile der Staatsführung getroffen. Die Angriffe trafen Teheran ebenso wie westliche Regionen des Landes.
Laut iranischen Angaben wurden unter anderem der Kommandant der Revolutionsgarden, Hussein Salami, sowie Generalstabschef Mohammed Bagheri getötet. Auch sechs führende Nuklearwissenschaftler kamen bei gezielten Luftschlägen ums Leben. Teheran sprach von einer „Kriegserklärung“ und kündigte umfassende Vergeltung an.
Militärische Infrastruktur und Nuklearziele im Visier
Ziel des israelischen Angriffs war insbesondere die Urananreicherungsanlage in Natanz, in der laut Angaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) „schwere Schäden“ entstanden. IAEA-Chef Rafael Grossi erklärte, die Strahlungswerte blieben stabil. Auch der Nuklearkomplex Parchin, der Schwerwasserreaktor Arak sowie zahlreiche Militäreinrichtungen in Teheran wurden attackiert. Insgesamt sollen 18 Stadtviertel in der Hauptstadt betroffen gewesen sein.
Geheimdienstoperationen des Mossad sollen im Vorfeld Drohnen und Präzisionswaffen nahe iranischer Verteidigungsanlagen platziert haben. Diese seien zu Beginn der Angriffe aktiviert worden, was den Weg für die israelischen Luftwaffenangriffe freimachte. Ziel sei es gewesen, das iranische Luftabwehrsystem auszuschalten und zentrale Kommandozentralen zu neutralisieren.
Politische Reaktionen und internationale Gespräche
US-Präsident Donald Trump, der sich auf seiner Plattform Truth Social äußerte, sprach von einer möglichen Ausweitung der Gewalt, sollte kein neuer Atomdeal zustande kommen: „Es hat bereits viel Tod und Zerstörung gegeben, aber die nächsten Angriffe werden noch brutaler sein.“ Trump fordert Teheran auf, ein Abkommen zu unterzeichnen, das den Atomstreit beendet. Er hatte sich 2018 aus dem Wiener Atomabkommen zurückgezogen.
Israels Premierminister Benjamin Netanyahu kündigte Gespräche mit Trump und dem russischen Präsidenten Putin an. Bereits erfolgt sind Telefonate mit Bundeskanzler Friedrich Merz, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und dem indischen Premier Narendra Modi – alle sollen laut Netanyahu Verständnis für Israels Vorgehen geäußert haben.
Urananreicherung bleibt Streitpunkt
Die Urananreicherung bildet den Kern des Konflikts. Während Iran darauf verweist, dass angereichertes Uran für zivile Zwecke – etwa Energiegewinnung – notwendig sei, sehen die USA und Israel darin den Weg zu einer Atombombe. Laut dem jüngsten IAEA-Bericht besitzt der Iran aktuell fast 409 Kilogramm Uran mit einem Reinheitsgrad von 60 Prozent. Für Kernwaffen wären 90 Prozent nötig. Die USA fordern einen vollständigen Verzicht auf Urananreicherung, was Teheran kategorisch ablehnt.
IAEA-Chef Grossi warnte zuletzt öffentlich vor einem Angriff auf iranische Atomanlagen. Er äußerte Bedenken, dass ein solcher Angriff Teheran dazu bewegen könnte, ganz aus dem Atomwaffensperrvertrag auszutreten. Dies habe ihm die iranische Seite im direkten Gespräch bestätigt, sagte er der „Jerusalem Post“.
Eskalationsgefahr rund um die Straße von Hormus
Besonders brisant ist die Lage am Persischen Golf: Die Meerenge von Hormus gilt als global strategischer Engpass für die Öl- und Gasversorgung. Der Iran könnte sie als Druckmittel einsetzen – mit potenziell dramatischen Folgen. Rund 20 Millionen Barrel Öl passieren die nur 55 Kilometer breite Passage täglich, ebenso wie riesige Mengen Flüssiggas aus Katar.
„Eine Schließung der Straße von Hormus wäre der absolute Albtraum für den Ölmarkt“, warnt Arne Lohmann Rasmussen von Global Risk Management. Bereits 2019 führten kleinere Zwischenfälle dort zu Preissprüngen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse warnt nun auch die britische Maritime Trade Organization (UKMTO) vor erhöhter Gefahr in der Region.
Die iranische Marine hatte bereits im März neue Raketensysteme auf strategischen Inseln nahe der Meerenge stationiert. Zudem kaperten iranische Streitkräfte Mitte April das Frachtschiff MSC Aries, das sich im Besitz eines israelischen Unternehmens befindet – ein Schritt, den viele als direkte Reaktion auf israelische Militärschläge werteten.
Risiken für globale Energie- und Logistikmärkte
Eine Blockade der Straße von Hormus würde nicht nur die Versorgung Europas mit Flüssiggas massiv gefährden, sondern auch globale Lieferketten beeinträchtigen. Auch der deutsche Logistikkonzern DHL, der jüngst massive Investitionen in der Golfregion angekündigt hat, könnte betroffen sein. Von der Logistikdrehscheibe in Abu Dhabi versorgt DHL weite Teile Afrikas, Indiens und des Nahen Ostens. Eine Seeblockade würde dieses Geschäft empfindlich treffen.
Drohungen, Diplomatie und Unsicherheit
Israels Verteidigungsminister Israel Katz drohte unterdessen mit weiteren Angriffen: „Der Iran wird einen immer höheren Preis zahlen.“ Die iranische Regierung wiederum erklärte, ihre Antwort werde „keine Grenzen“ kennen. Im Iran rüstet man rhetorisch und militärisch auf. Regierungsnahe Medien betonen, dass Fortschritte bei Urananreicherung und Raketenbau nun umso wichtiger seien. Der politische Ton ist eindeutig: „Man versteht uns nur in der Sprache der Macht“, heißt es aus Teheran.
Gefahr eines regionalen Flächenbrands
Die Eskalation könnte über die direkte Konfrontation Israels und Irans hinausgehen. In Syrien, dem Irak, im Jemen und im Libanon ist der Iran über Milizen wie Hisbollah, Hamas und Huthi strategisch präsent. US-Stützpunkte in der Region, insbesondere am Persischen Golf, gelten als potenzielle Ziele iranischer Vergeltung. Die USA haben bereits ihr Personal in Bagdad reduziert und drohen Teheran mit Konsequenzen für Angriffe auf US-Einrichtungen.
Die Sorge vor einem regionalen Flächenbrand ist real: „Vielleicht bald nicht mehr, wenn der Konflikt zu einem richtigen Krieg wird“, sagte ein iranischer Journalist. „Wir sollten alle Angst haben, denn nun ist nichts mehr, wie es einmal war.“
Fazit: Neue Stufe der Eskalation
Der Schlagabtausch zwischen Israel und dem Iran markiert eine neue Stufe der Eskalation im Nahen Osten. Während Israel auf eine präventive Zerschlagung iranischer Atomkapazitäten setzt, sieht sich Teheran in seinem Selbstbestimmungsrecht bedroht. Die Aussicht auf einen neuen Atomdeal schwindet, geopolitische Risiken – etwa rund um die Straße von Hormus – nehmen zu. Mit den jüngsten Entwicklungen steht der Nahe Osten vor einer Weggabelung: kontrollierte Deeskalation oder offener Krieg mit weltweiten Konsequenzen.