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Hungersnot in Gaza - Israel droht Hamas

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Zerstörungen im Gazastreifen
©AFP, APA, JACK GUEZ
In einem nördlichen Bereich des Gazastreifens ist eine Hungersnot erklärt worden. Die Kriterien dafür seien erfüllt, teilte die zuständige IPC-Initiative mit. Das Leben Zehntausender Kinder ist akut bedroht. In Israel sind unterdessen laut Verteidigungsminister Israel Katz die Pläne zum Einsatz der Armee gegen die Hamas in Gaza Stadt genehmigt worden. Dies beinhalte die Umquartierung der Bewohner der größten Stadt des Gazastreifens. Der Beschluss erfolgte schon am Donnerstag.

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Israelische Medien hatten zuvor berichtet, dass Katz sowie Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und Militärs am Donnerstag zu einer Sicherheitsberatung zusammenkommen wollten, um die Einsatzpläne zur Einnahme der Stadt Gaza billigen.

Katz kündigte intensive Angriffe für das Gebiet an. "Die Tore der Hölle werden sich bald über den Mördern und Vergewaltigern der Hamas in Gaza öffnen – bis sie Israels Bedingungen zur Beendigung des Krieges zustimmen", drohte der Verteidigungsminister. Andernfalls werde die Stadt Gaza aussehen wie Rafah und Beit Hanun. Beide Orte wurden durch israelische Bombardierungen großflächig zerstört. In der Stadt Gaza halten sich Schätzungen zufolge derzeit noch rund eine Million Menschen auf. Die ohnehin katastrophale Lage der Zivilbevölkerung könnte sich durch die Offensive noch weiter verschlimmern.

Netanyahu hatte am Donnerstag auch weitere Verhandlungen über die Freilassung der aus Israel entführten Geiseln in Aussicht gestellt. Indirekte Verhandlungen Israels und der Hamas über eine neue Waffenruhe blieben bisher erfolglos und wurden zuletzt unterbrochen. In Israel wurde auch spekuliert, Israels Ankündigung einer Ausweitung des Kriegs könne eine Verhandlungstaktik sein, um die Hamas unter Druck zu setzen.

Das Leben von 132.000 Kindern unter fünf Jahren in dem Regierungsbezirk Gaza, in dem auch die Stadt Gaza liegt, sei wegen Unterernährung bedroht, teilte die IPC-Initiative mit. 41.000 davon würden als besonders bedrohliche Fälle betrachtet, doppelt so viele wie bei der vorherigen Einschätzung im Mai. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist es das erste Mal, dass in einem Land des Nahen Ostens eine Hungersnot ausgerufen wird.

"Ein sofortiger Waffenstillstand und die Beendigung des Konflikts sind von entscheidender Bedeutung, um eine ungehinderte, großangelegte humanitäre Hilfe zur Rettung von Menschenleben zu ermöglichen", teilte IPC (Integrated Food Security Phase Classification) mit. Das israelische Außenministerium teilte nach der IPC-Veröffentlichung dagegen mit: "Es gibt keine Hungersnot in Gaza." Seit Kriegsbeginn seien mehr als 100.000 Lastwagen mit Hilfsgütern in den Gazastreifen gelangt, teilt das Außenministerium mit.

UNO-Menschenrechtskommissar Volker Türk macht die israelische Regierung für die Hungersnot im nördlichen Gazastreifen verantwortlich. Dies sei das "direkte Ergebnis der von der israelischen Regierung ergriffenen Maßnahmen", erklärte Türk. Der Einsatz von Hunger als Waffe sei ein Kriegsverbrechen. Die israelische Militärbehörde Cogat warf den Vereinten Nationen im Gegenzug vor, unbewiesene Behauptungen zu verbreiten. Cogat verwies auf die Hamas, der sie eine Lügenkampagne über Hungersnot vorwirft.

Alexander Bodmann, Vize-Präsident der Caritas Österreich, erklärte in einer Aussendung: "Wenn eine Hungersnot ausgerufen wird, ist die Lage in einem Land bereits katastrophal: 20 Prozent der Haushalte haben nicht ausreichend Lebensmittel, 30 Prozent der Kinder sind akut mangelernährt. Täglich sterben Erwachsene und Kinder an Hunger und Krankheit." Die österreichische Bundesregierung müsse sich öffentlich und unmissverständlich für einen sofortigen Waffenstillstand und ungehinderten humanitären Zugang einsetzen.

Ehe eine Hungersnot erklärt wird, müssen drei Kriterien erfüllt sein: Mindestens 20 Prozent der Haushalte sind von einem extremen Lebensmittelmangel betroffen, mindestens 30 Prozent der Kinder leiden unter akuter Mangelernährung und täglich sterben mindestens zwei Erwachsene oder vier Kinder pro 10.000 Einwohner an Hunger oder aufgrund des Zusammenspiels von Unterernährung und Krankheit. Alle drei treffen zu, wie Jean-Martin Bauer vom Welternährungsprogramm (WFP) in einem Briefing für Journalisten in Genf sagte.

Die IPC-Initiative wurde 2004 gegründet. Mitglieder sind knapp zwei Dutzend Organisationen der Vereinten Nationen, sowie Hilfsorganisationen. Sie ist für die Einschätzung von Hungerlagen in aller Welt zuständig. In der IPC-Skala gibt es fünf Stufen der Ernährungslage in einem Land oder einer Region. Die allerhöchste - und schlimmste - ist Stufe fünf: "Katastrophe/Hungersnot". Darunter spricht man von Hungerkrisen. Bisher galt für den gesamten Gazastreifen die Stufe vier ("Emergency/Notfall").

In den vergangenen 15 Jahren wurden nach IPC-Angaben vier Hungersnöte bestätigt: 2011 in Somalia, 2017 und 2020 im Südsudan und zuletzt 2024 im Sudan. UNO-Nothilfekoordinator Tom Fletcher kritisierte, dass sich Lebensmittel an den Grenzen stauten und appellierte an den israelischen Ministerpräsidenten Netanyahu. "Lassen Sie uns Lebensmittel und andere Hilfsgüter ungehindert und in großem Umfang hineinbringen. Beenden Sie die Vergeltung."

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