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Um dem Ärztemangel bzw. dem Warten auf Termine entgegenzutreten, will die Staatssekretärin "ein Basisangebot schaffen von Gesundheitsberatung" - SPÖ-Parteichef Andreas Babler hatte diesbezüglich von einem "Gesundheitsnavi" gesprochen. Dazu habe man über die Zielsteuerungskommission einen Projektauftrag vergeben, so die Staatssekretärin. Ausgebaut werden soll einerseits die Gesundheitsberatung über die Hotline 1450, auch soll bundesweit ein Terminservice über ebendiese ausgerollt werden. Patienten, die das wollen, könnten über diese Hotline dann direkt einen freigeschalteten Arzttermin - früher als anderswo - bekommen. Bis Ende 2026 soll es ein einheitliches Angebot in Österreich geben.
Als weiterer Punkt soll ein telemedizinisches Angebot ausgerollt werden. Bedenken der Ärztekammer wegen Parallelstrukturen, die sogar zu einer Klage der Kammer gegen eine Ausschreibung der ÖGK geführt hatten, entgegnete Königsberger-Ludwig: Es gehe dabei nicht um Konkurrenz, sondern darum, die Ressourcen optimal zu nützen. Auch daran arbeite man intensiv, sagte sie.
Insbesondere die Primärversorgungseinheiten (PVE) sieht Königsberger-Ludwig als Zukunftsmodell, vor allem wegen der interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Gesundheitsberufe - auch Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter. "Das ist ein unglaublicher Mehrwert für die Ärztinnen und Ärzte, weil sie sich wirklich im Team absprechen können." Dazu kommen die langen Öffnungszeiten für die Patientinnen und Patienten.
Ziel sei es, bis 2030 von der derzeitigen Zahl von rund 100 PVEs auf etwa 300 zu kommen, sagte sie. Einen starken Fokus legt Königsberger-Ludwig auch auf den im Regierungsprogramm geplanten Aufbau von Fachärztezentren. Derzeit können nur Allgemeinärzte und Kinderärzte eine Primärversorgungseinheit gründen. Ziel sei es, das auch für Fachärzte zu ermöglichen.
Einem drohenden Ärztemangel, vor dem jüngst auch die Ärztekammer gewarnt hatte, will die Staatssekretärin trotz Skepsis in der Kammer mit einem Mehr an Studienplätzen begegnen: "Wir werden uns über kurz oder lang darüber unterhalten müssen, dass man auch Medizinstudienplätze aufstockt - auch wissend, dass das in der jetzigen budgetären Situation eine echte Herausforderung ist." Sorgen der Ärztekammer über eine Ärzteschwemme teilt sie nicht. Denn wie die Kammer ja selbst betonte, würden nun demnächst die "Babyboomer" in Pension gehen, verwies sie auf eine entsprechende Warnung der Standesvertretung vor einer Pensionswelle.
"Zu 100 Prozent unterstreichen" könne sie den Ruf der Ärztekammer nach einer Attraktivierung des Berufs, etwa hinsichtlich der Arbeitszeiten und der Familienfreundlichkeit. Aktuell habe man auch weniger einen Ärztemangel, sondern vielmehr einen Mangel an Ärzten im öffentlichen System, teilte sie auch hier die Analyse der Standesvertretung - dies sei etwa besonders ausgeprägt im Kinderarztbereich oder in der Gynäkologie.
"Ich glaube auch, dass die Kassenplätze einfach attraktiv sein müssen." Den jungen, fertigen Ärztinnen und Ärzten müsse man verschiedene Möglichkeiten schaffen - mit flexiblen Modellen, mit Gruppenpraxen, mit Primärversorgungseinheiten - auch mit Anstellungen. "Und nachdem die Medizin weiblicher wird, muss man auch das berücksichtigen", verwies sie auf den gestiegenen Anteil an Frauen in der Medizin.
Ein wichtiger Faktor zur Attraktivierung sei auch der Faktor Zeit: "Jeder Arzt und jede Ärztin sagt, sie brauchen mehr Zeit für die Patientinnen, damit sie sie nicht durchschleusen müssen." Die Kassenverträge müssten auch entsprechend honoriert werden: "Das ist schon ein Punkt, wo die Sozialversicherung auch wirklich nachdenken muss, wie man das schaffen kann, dass die Ärztinnen auch gerne in dem System arbeiten."
In der immer wieder hochkochenden Diskussion um Verpflichtungen für Wahlärzte, auch im öffentlichen Gesundheitswesen einen Beitrag zu leisten, plädiert Königsberger-Ludwig für Anreize. "Ich bin immer Fan von Anreizen und nicht von Sanktionen", verwies sie auf ihren Vorschlag, Bonuspunkte bei der Aufnahmeprüfung für das Medizinstudium zu gewähren, sofern sich die Bewerber im Gegenzug dazu verpflichten, dass sie fünf Jahre, nachdem sie fertig sind, dem öffentlichen System zur Verfügung stehen. Es gehe darum, junge Ärztinnen in das öffentliche System zu bekommen. Entsprechende Gespräche mit Wissenschaftsministerin Eva-Maria Holzleitner würden bereits geführt.
Eine Entlastung der Ärzte erhofft sich Königsberger-Ludwig durch den geplanten Ausbau der Elektronischen Gesundheitsakte ELGA - weg von einer reinen Sammlung von Befunden in pdf-Form hin zu einem "Patient summary" (mit Suchfunktion u.a.). "Ich glaube, dass das auch dazu führen wird, dass zum Teil auch die Doppelbefundungen aufhören."
Betreffend des Faktors Zeit in den Arztpraxen verwies Königsberger-Ludwig auch auf ihr Ziel eines Gesamtvertrags für Ärzte mit der ÖGK. Dies sei eine "große Herausforderung", betonte sie. Erst am Donnerstag hatte die SPÖ-Politikerin betont, dass man die Empfehlungen des Rechnungshofs ernst nehme. In einem Rohbericht empfahl dieser, die Landesärztekammern zu entmachten und somit den einheitlichen Regelungen nicht mehr zustimmen müssen.
Königsberger-Ludwig betonte, vorrangiges Ziel sei eine Einigung mit allen Beteiligten. Auf Nachfrage hielt sie jedoch fest, dass am Ende von Verhandlungen auch eine Gesetzesinitiative stehen könne, die den Empfehlungen des Rechnungshofs folgt - und damit eine Neuordnung der Zuständigkeiten zulasten der Landesärztekammern bedeutet.
Ein Gesamtvertrag werde wahrscheinlich am Beginn mehr kosten. Aber es gehe um das Einlösen des Versprechens bei der Kassenfusion - "nämlich, dass es einheitliche Leistungen geben wird und dass es einheitliche Honorarsysteme geben wird". Dies sei damals ja nicht passiert, sagte sie mit einem Blick auf die zuletzt viel gescholtene Reform unter der damaligen schwarz-blauen Regierung.
Die Unterschiede in der Leistung bzw. Tarifen je nach Bundesland würden weder die Bürger und Bürgerinnen noch die Ärzte und Ärztinnen verstehen. "Da muss sich in erster Linie die ÖGK natürlich mit der Ärztekammer einigen und man wird als Bund darauf schauen müssen, dass die Kosten nicht explodieren", so die Staatssekretärin. "Aber ich glaube, das ist das Gebot der Stunde." Auch wolle sie betonen, dass nicht jede Veränderung im Gesundheitsbereich ein Sparen sein müsse. "Ich bin überzeugt davon, wenn man sich anschaut, wie man die Mittel effizient einsetzen kann, dann kann das auch zu Leistungssteigerungen führen." Insgesamt gelte es, das Vertrauen der Bevölkerung in das öffentliche Gesundheitssystem zurückzugewinnen.
Um Vertrauen geht es Königsberger-Ludwig auch beim Thema Impfen. Hier sei eine Informationsoffensive geplant, um das Thema Impfen "als wichtige Präventionsmaßnahme" wieder zu platzieren. Sie verwies auch auf die geplanten neuen Gratis-Impfaktionen gegen Pneumokokken und Gürtelrose (Herpes Zoster) ab Ende 2025 bzw. im Lauf des Jahres 2026 für erwachsene Risikogruppen (alle Personen ab dem vollendeten 60. Lebensjahr sowie für definierte Risikogruppen mit chronischen Erkrankungen). Gratis bleiben auch die Impfaktionen gegen Grippe (Influenza) sowie die Corona-Impfung. Auch verwies Königsberger-Ludwig auf die bis Juni nächsten Jahres verlängerte Gratis-Impfaktion bezüglich HPV für die bis zu 30-Jährigen.
Kritik an den Aussagen der Staatssekretärin kam von den Freiheitlichen. FPÖ-Gesundheitssprecher Gerhard Kaniak sprach von einer "teuren Mogelpackung" und "altem Wein in neuen Schläuchen". Die SPÖ-Pläne gegen den Ärztemangel seien "reine Placebo-Politik" und ein "völlig untauglicher Versuch, von der eigenen jahrzehntelangen Mitverantwortung am Gesundheitsdesaster abzulenken", meinte er.
"Die jungen Ärzte flüchten nicht aus dem System, weil es zu wenige Hotlines oder Primärversorgungseinheiten gibt, sondern weil sie unter einem Wust an Bürokratie ersticken, schlecht bezahlt werden und keine Zeit mehr für ihre Patienten haben", so Kaniak. Die FPÖ fordere u.a. eine ehrliche Evaluierung des Personalbedarfs, "finanzielle Fairness mit echten Prämien und Überstundenabgeltungen", eine "radikale Entbürokratisierung" und eine "sinnvolle Einbindung von Wahlärzten ins Kassensystem".