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Expertinnen für Neuaufstellung der Deutschförderung

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Kritik an separaten Deutschförderklassen
©APA, THEMENBILD, HANS KLAUS TECHT
Einen Paradigmenwechsel in der Deutschförderung haben am Mittwoch Expertinnen für Mehrsprachigkeit in Kindergarten und Schule gefordert. Die aktuellen Strukturen mit Deutschtests in Kindergarten und Schule und separaten Fördergruppen würden Kinder, Eltern und das pädagogische Personal unter Druck setzen, den Kindern die Freude an der Sprache nehmen und damit den Zweck, das Deutschlernen zu fördern, klar verfehlen, so der Tenor bei der Pressekonferenz.

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Die aktuellen Rahmenbedingungen und Testungen würden dazu führen, dass die Kinder Deutsch nur noch als Mittel zum Zweck verstehen, um den MIKA-D-Test, der für die Zuteilung zu den Deutschförderklassen und -kursen verwendet wird, zu bestehen. "Der kreative, kommunikative und soziale Wert von Sprache geht dabei verloren", warnte Carmen Kovacs vom Verein Startklar, der frühkindliche Sprachförderung unter besonderer Einbindung der Eltern anbietet. Es reiche auch nicht, die Eltern an ihre Pflichten zu erinnern. Man müsse sie etwa mit den nötigen Informationen versorgen.

Die Anfragen der Kindergärten und Schulen für Unterstützung durch Startklar hätten in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen, berichtete Kovacs bei dem Termin, der mit einer Trauerminute für die Opfer des Amoklaufs an einer Grazer Schule begonnen hatte. "Das ist ein deutliches Signal, dass die staatlichen Strukturen nicht ausreichen." Die Kindergärten etwa bräuchten multiprofessionelle Teams mit Deutschförderkräften. Diese müssten allerdings fixer Teil des Teams sein, betonte auch Natascha Taslimi vom Netzwerk Elementare Bildung NEBÖ.

Unzufrieden mit den aktuellen Strukturen zeigte sich auch Saskia Hula, Direktorin der Ganztagsvolksschule Am Schöpfwerk in Wien-Meidling. An ihrer Schule starten 90 Prozent der Kinder wegen Deutschproblemen als "außerordentliche Schüler", obwohl die allermeisten in Österreich geboren wurden und den Kindergarten besucht haben. Vor 25 Jahren sei der Anteil an Schülern mit Deutschdefiziten ähnlich hoch gewesen und die Deutschförderung habe damals wie heute "einmal besser, einmal schlechter" funktioniert. Nur sei der Aufwand mit 250 MIKA-D-Testungen pro Jahr an ihrem Standort mittlerweile deutlich höher als früher. Dabei sei diese Aufteilung in Deutschförderklassen und -kurse an ihrem Standort wegen der vielen betroffenen Kinder pädagogisch unsinnig. "Das ist unheimlich aufwendig für nichts und wieder nichts." Ein großes Problem sei außerdem, dass es viel zu wenig Lehrpersonal mit einer speziellen Ausbildung für Deutsch als Zweitsprache gibt.

Für eine integrierende statt einer separierenden Deutschförderung plädierte auch Verena Blaschitz vom Netzwerk Sprachenrechte. Das Testregime gehöre abgeschafft, die derzeit eingesetzten Tests BEKS kompakt für den Kindergarten und MIKA-D seien "ungeeignet", um Deutschkenntnisse einzuschätzen. Auch die aktuell diskutierte Idee von Deutschtests für Dreijährige lehnte die Linguistin von der Uni Wien deshalb ab, diese würden ebenso wie Sanktionsdrohungen das Deutschlernen behindern statt erleichtern. Überhaupt sei Sprachenlernen ein komplexer Vorgang. Die Deutschförderklassen, in denen die Lehrperson oft das einzige deutschsprachige Sprachvorbild ist und die Kinder dementsprechend wenig zum aktiven Sprechen kommen, seien dabei offensichtlich auch nicht sehr effektiv, verwies sie auf die geringen Raten an Übertritten in die Regelklasse vor Ablauf der Zwei-Jahres-Frist.

Um die Situation zu verbessern, bräuchte es neben einer besseren Einbindung der Eltern mehr Deutschförderkräfte mit einer entsprechenden Ausbildung, forderten die Expertinnen. Außerdem sollte Mehrsprachigkeit als etwas Positives oder zumindest Normales angesehen werden, auch bei nicht so prestigeträchtigen Sprachen wie etwa Englisch oder Französisch, appellierte Blaschitz. Direktorin Hula legt etwa an ihrer Schule viel Wert darauf, dass die Kinder selbstbewusst zu ihren Erstsprachen stehen. So seien beim Vorlesetag Bücher in zwölf verschiedenen Sprachen vorgelesen worden. "Lächerlich" und unsinnig sei es hingegen, dass die Kinder mit schlechten Deutschkenntnissen immer noch mit Standardschulbüchern für Kinder mit der Erstsprache Deutsch unterrichtet werden sollen.

Vorhandene Strukturen wie der muttersprachliche Unterricht reichen den Expertinnen zur Förderung der Mehrsprachigkeit nicht. Dieser sei nur eine unverbindliche Übung am Nachmittag, das dort eingesetzten Lehrpersonal habe auch keine vergleichbare Ausbildung. "Sie können nicht leisten, dass die Erstsprache zur Bildungssprache wird", so Hula. Dass mit der aktuellen Reform der Lehrerausbildung künftig alle angehenden Pädagoginnen und Pädagogen verpflichtend Lehrveranstaltungen in Deutsch als Zweitsprache belegen müssen, geht für Blaschitz in die richtige Richtung. Der Umfang sei allerdings so gering, dass die Maßnahme wohl nicht sehr wirkungsvoll sein wird.

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