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Ziel der Bundesanwaltschaft müsse es sein und bleiben, den Anschein politischer Einflussnahme auf staatsanwaltschaftliche Ermittlungen vollständig zu beseitigen, heißt es in dem Schreiben. Dieses Ziel sehe man durch die Pläne der Bundesregierung allerdings nicht erreicht, es bestehe sogar die Gefahr einer Intensivierung der Anscheinsproblematik, so die Kritik. Der Ministerratsbeschluss widerspreche nicht nur den langjährigen Forderungen der Vertretungen, sondern auch den Empfehlungen der von der Grünen Justizministerin Alma Zadić einberufenen Arbeitsgruppe. Konkret stößt man sich an mehreren Punkten.
Die geplante Wahl der Spitze der Bundesstaatsanwaltschaft durch den Nationalrat verstärke den Anschein politischer Einflussnahme, anstatt ihn zu beseitigen. Derzeit ist die Justizministerin oberste Weisungsspitze. "Zwar besteht hier eine potenzielle Anscheinsproblematik, jedoch ist die Person klar politisch zuordenbar", heißt es in dem Papier. Wenn das oberste Gremium künftig durch die Politik gewählt werde, könne dies den Eindruck erwecken, dass Parteien Einfluss auf die Besetzung und damit indirekt auf die Entscheidungen nehmen könnten. "Das würde die Anscheinsproblematik nicht beseitigen, sondern verschärfen." Die Möglichkeit, dass Kandidaten und Kandidatinnen in "Sidelettern" festgelegt werden könnten, wäre ein "fatales Signal für die Unabhängigkeit der Justiz". Stattdessen fordert man, wie schon von der eingesetzten Arbeitsgruppe vorgeschlagen, die Einrichtung eines Personalsenates und ein Vorschlagsrecht der Bundesregierung an den Bundespräsidenten. Aktuell wird ein ähnliches Prozedere für die Ernennung des Präsidenten und Vizepräsidenten des OGH angewandt.
Wie genau die Kontrolle durch das Parlament aussehen wird, ist derzeit noch vage ausformuliert. Begrüßt wird von den Richterinnen, Richtern und Staatsanwälten die Festlegung, wonach eine "begleitende (und dadurch beeinflussende) Kontrolle laufender Ermittlungen nicht vorgesehen" ist. "Es ist sicherzustellen, dass das Ziel einer von unsachlicher Einflussnahme freien Ermittlungstätigkeit nicht durch punktuelle parlamentarische Kontrollmöglichkeiten konterkariert wird", heißt es dazu in dem Papier. Denn: "Die Entscheidung über Strafverfolgung oder Nichtverfolgung sollte allein bei der Staatsanwaltschaft (kontrolliert durch unabhängige Gerichte) und nicht bei der Exekutive oder Legislative liegen."
Die Staatsanwaltschaften sprachen sich bereits in der Vergangenheit für eine Einzelspitze anstatt eines Dreierkollegiums aus. Letzteres sei "unpraktikabel" und "gänzlich unüblich", heißt es heute. Insbesondere wird bezweifelt, dass die Mitglieder des Dreierkollegiums neben der gesamten Behördenleitung auch noch eine fachlich tiefgehende rechtliche Prüfung komplexer Sachverhalte in der geforderten Qualität gewährleisten können. Hinzu komme, dass die Aufgaben der Generalprokuratur ebenfalls wahrgenommen werden sollen, was die Arbeitslast zusätzlich erhöhe.
Die Bestellung für sechs Jahre sei zu kurz. Da die Bestellungsdauer nur ein Jahr länger ist als die Legislaturperiode des Nationalrates und alle Mitglieder zwingend ausgetauscht werden müssen, könne der Eindruck entstehen, dass sich "die Politik" das Dreiergremium gezielt aussuchen könne. "Eine (auch dem Anschein nach) von sachfremder Einflussnahmemöglichkeit freie Amtsführung durch Richter:innen sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten wird maßgeblich durch deren unbefristete Ernennung (bis zur Pensionierung) gewährleistet", heißt es in dem Papier. Verschärft werde die Problematik durch den alle zwei Jahre wechselnden Vorsitz.
Die Zuständigkeit für eine Abberufung des Dreierkollegiums sollte ausschließlich dem Obersten Gerichtshof übertragen werden. Die Verantwortlichkeit des Kollegiums auch gegenüber dem Verfassungsgerichtshof ist eine zu vermeidende Doppelzuständigkeit, so die Kritik.
Eine "innere Konfliktsituation" sehen die Standesvertretungen darin, dass das Dreierkollegium sowohl die Fachaufsicht und den Weisungsbereich der neuen Bundesstaatsanwaltschaft als auch die Aufgaben der Generalprokuratur wahrnehmen solle. Die Ermittlungs- und Anklagefunktion der Bundesstaatsanwaltschaft müsse strikt von den rechtswahrenden Aufgaben der Generalprokuratur getrennt bleiben.
Der Ministerratsbeschluss stelle nicht sicher, dass die oberste Weisungsspitze ausschließlich aus Richtern und Richterinnen bzw. Staatsanwälten und Staatsanwältinnen bestehe. Das sei aber essenziell, da nur dieser Personenkreis die notwendige unmittelbare einschlägige Berufserfahrung aufweise. "In der ersten und zweiten staatsanwaltschaftlichen Instanz eine Ernennung als Staatsanwältin bzw. Staatsanwalt – inklusive der Richteramtsprüfung – zwingend vorzuschreiben, aber auf der höchsten Ebene von dieser Voraussetzung und der damit verbundenen Expertise abzugehen und nicht berufserfahrene Personen zu bestellen, ist systemfremd und widerspricht dem Gedanken, dass die erfahrensten Fachleute die wichtigsten Entscheidungen treffen sollen", heißt es in dem Positionspapier.
Abgelehnt wird auch die Zusammensetzung der zur Erstattung von Besetzungsvorschlägen berufenen Kommission. "Eine Besetzung der Auswahlkommission mit nicht durchgehend unmittelbar einschlägige strafrechtliche Expertise aufweisenden Mitgliedern wird nicht befürwortet, weil Aufgabe der Kommission ja die Beurteilung der einschlägigen Kenntnisse und Eignung von Bewerberinnen und Bewerbern in den angesprochenen strafrechtlichen Bereichen sein soll." Personen aus Wissenschaft, allgemeiner Verwaltung oder der allgemeinen Praxis verfügen nicht zwingend über die spezifische Expertise, um die Eignung für diese speziellen staatsanwaltschaftlichen Aufgaben umfassend beurteilen zu können, so die Bedenken.
Eine "schallende Ohrfeige für die Verlierer-Koalition" ortete FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan in der Kritik der Standesvertreter. In einer Aussendung sah er die freiheitlichen Warnungen bestätigt. Er ist überzeugt: "Hier geht es nicht um die Stärkung des Rechtsstaats, sondern um den Umbau der Justiz nach dem Willen der Systemparteien." Insbesondere die Kritik am Dreierkollegium sei für ihn bezeichnend. "Als gelernter Österreicher weiß man, was es bedeutet, wenn eine Dreier-Koalition ein Dreier-Gremium installiert. Gut möglich, dass hier 'zufällig' jede der Regierungsparteien einen Kandidaten parat hat." Einmal mehr forderte er, das gesamte Projekt Bundesstaatsanwaltschaft zu stoppen.